Nicht beim halbfertigen Haus aufhören

Foto: VfL Bochum

Der VfL Bochum verliert in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen Jahn Regensburg mit 0:1. Hat man sich fast schon an das regelmäßige Ausscheiden in der ersten Runde gewöhnt, sorgt es doch immer wieder für ein flaues Gefühl im Magen mit Blick auf die anstehende Saison. Der Versuch einer Einordnung.

Ich möchte das Spiel gestern gar nicht nochmal im Detail durchkauen. Als Bundesligist in der ersten Runde des DFB-Pokals auszuscheiden ist immer ganz großer Mist. Die Kritik ist aber auch eine andere als beim direkten Ausscheiden im letzten Jahr gegen Bielefeld. Auf der Alm hatte man das Gefühl, dass eine qualitativ gute Mannschaft durch ihren Trainer in ein System gezwängt wurde, in dem sie sich grundlegend unwohl fühlte und ihrer Stärke beraubt wurde. Gestern stand eine Elf auf dem Platz, die zumindest phasenweise gar nicht schlecht in der neuen Grundordnung agierte, der es aber immer und immer wieder an Qualität fehlte, das in Zählbares umzumünzen.

Kommt das überraschend? Eher weniger. Mit Sissoko stand nur ein neuer Feldspieler auf dem Platz – einer von 10. Und das nach Abgängen von Stammkräften wie Stöger, Schlotterbeck, Asano, Osterhage und Jimmy.

Die Baustellen

Ich bin lange sehr entspannt in der Transferphase gewesen, weil ich schon der Meinung bin, dass man nicht schon Anfang Juni nervös werden muss, wenn der Kader noch Lücken aufweist. Nun haben wir allerdings Mitte August durch und gestern wurde offensichtlich, dass es dem Kader an einigen Ecken und Enden noch deutlich an adäquatem Personal fehlt. Auch wenn die Rolle des Zehners im neuen System anders als im vorherigen Jahr interpretiert wird, Daschner allein als kreatives Element ist deutlich zu wenig. Ein 8er/10er, der seine Stärken im Lenken des Spiels hat, ist hier meiner Meinung nach fast ein Muss. Mit Medic ist ein IV im Anflug, der ebenso dringend gebraucht wird, vor allem, wenn Bernardo noch gehen sollte.

Eine weitere Baustelle, die gestern mehr als deutlich wurde, sind die Außenverteidiger. Wittek und Passlack haben ordentlich gespielt, das ist auch nicht meine Sorge. Weil die beiden allerdings systembedingt sehr weite Wege gehen müssen, da sie fast alleinverantwortlich für die Breite in unserem Spiel sind, werden sie mit ganz großer Regelmäßigkeit in den Spielen ab der 60. schwer am Pumpen sein. Es hat schon einen Grund, dass es gestern kein ganz großes Aufbäumen am Ende mehr gab und kaum noch Chancen rausgespielt wurden wie in der ersten Halbzeit. Die beiden auf den Außen waren einfach platt. Die Alternativen sind aktuell ein positionsfremder Holtmann und ein Gamboa, der altersbedingt auch nicht mehr der allerstärkste ist. Diese Besetzung auf den beiden äußeren defensiven Positionen, die so elementar in diesem System sind, halte ich persönlich für einen Flaschenhals, über den einfach viel zu wenig gesprochen wird.

Scheitert es am Geld?

Geld scheint – glaubt man den Berichten – nur noch für einen Transfer vorhanden zu sein. Das Ausscheiden im Pokal macht es sicher nicht leichter. Sollten diese Berichte stimmen, gehe ich mit ordentlich Bauchschmerzen in die Saison, weil es Lücken gibt, die uns fast mit Ansage auf die Füße fallen könnten und vermutlich auch werden. Die Bank gestern war ebenso ein Warnzeichen – wirklich große Qualität saß da, mit Ausnahme des noch nicht komplett integrierten Boadu, nicht drauf. Auch werden wir dieses Jahr nur schwerlich einen Wechsel zu einem flügellastigierem Spiel in einem 4-3-3/4-2-3-1 hinbekommen, wie wir es im letzten Jahr notgedrungen recht früh in der Saison gemacht haben, sollte die enge Raute doch kein Erfolgskonzept sein. Mit Asano und Jimmy hatte man immerhin noch zwei starke offensive Außen im Kader, unterstützt durch positionsfremd eingesetzte Wittek und Bero. Die beiden letzten genannten werden dieses Jahr auf ihren angestammten Positionen gebraucht, die ersten sind nicht mehr da. Ein Boadu hat in seiner bisherigen Karriere fast nie auf den Außen gespielt, Bamba und Balde brauchen Zeit und bei Holtmann kann man nur die Daumen drücken, dass er nach einer enttäuschenden Vorbereitung die PS irgendwann wieder auf die Straße bekommt. Die direkte Qualität für die offensiven Außen ist also auch dünn.

Sicher, es gibt immer wieder Entwicklungen im Fußball. Ich wäre mehr als happy, wenn sich einige der jungen Spieler zu Konstanten entwickeln. So wurde intern bei uns die Idee aufgeworfen, ob Jahn nicht auch RV spielen könnte – seine Anlagen passen. Es ist nur verdammt schwer, damit gerade seriös zu planen.

Im Schatten des Pokal-Aus klingt das vermutlich alles nochmal negativer. Grundlegend halte ich den Kader und die bisher getätigten Transfers für gewinnbringend. Sissokos Präsenz wird uns defensiv stabiliseren, De Wit als weiterer treffsicherer Zielspieler vorne agieren und Boadu durch seine Geschwindigkeit nochmal ein Element reinbringen. Das Fundament steht. Bildlich gesprochen gilt für die letzten 11 Tage des Transferfensterns in diesem Sommer, die Baustelle fertigzustellen und am Ende nicht mit einem halbfertigen Haus ohne Dach aufzuhören, weil mittendrin das Geld ausgegangen ist. Hoffen wir, dass Bauherr Lettau vernünftig geplant hat.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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