Der VfL Bochum holt gegen den aktuellen Tabellendritten VfB Stuttgart drei ganz wichtige Punkte im Abstiegskampf. Neun Punkte Puffer hat man nun auf die direkten Abstiegsplätze. In einer zähen Partie, die vor allem durch die langen Verzögerungen wegen Zaunfahnen am Gästeblock geprägt war, schafft der VfL mit einem Lucky Punch und gleichzeitiger starker Defensivleistung die Punkte anne Castroper zu halten. Ein Rückblick.
Sind wir mal ehrlich – vermutlich hatte sich innerlich jeder gestern auf ein Unentschieden eingestellt – denn in allzu großer Regelmäßigkeit hatte der VfL es in dieser Saison bisher geschafft, Heimführungen in den letzten Minuten eines Spiels doch noch aus der Hand zu geben. Doch sollte es diesmal doch anders kommen. Am Ende gewann unser VfL mit 1-0 gegen die Überraschungsmannschaft der bisherigen Saison – den VfB Stuttgart.
Anpassungen in der Startelf
Thomas Letsch musste sein Team zwangsbedingt umstellen. Zum vorher bekannten Ausfall von Cristian Gamboa nach seiner 5. gelben Karte gesellten sich kurzfristig auch noch Kevin Stöger mit einer Erkältung und Keven Schlotterbeck mit muskulären Problemen. Tim Oermann ersetzte wie nach den Testspielen erwartet Gamboa als Rechtsverteidiger. Für Schlotterbeck rückte Noah Loosli, der zuletzt positiv auffiel, in die Startelf. Stöger wurde von Philipp Förster vertreten.
Manndeckung als Spielzerstörer
Letsch hatte einen klaren Plan wie er das extrem flexible und taktisch hochwertige Spiel der Stuttgarter stoppen wollte. Durch eine klare Manndeckung auf dem ganzen Feld sollte Stuttgart gar nicht erst in kontrollierten Ballbesitz kommen. Dazu wurde die 4-2-4 Aufbauformation der Schwaben vollständig gespiegelt. „Jimmy“ Antwi-Adjei rückte neben Goncalo Paciencia auf die beiden Innenverteidiger. Förster und Matus Bero behielten die Außenverteidiger im Auge. Anthony Losilla und Patrick Osterhage waren direkt Stiller und Karazor zugeordnet, während die Viererkette Führich, Millot, Undav und Lewelling abdeckte. Um die Manndeckungen nicht zu stören, wurde Torwart Nübel nicht angelaufen. Er sollte aufgrund fehlender Anspielstationen lang eröffnen, was dann auch meist passierte.
Das Vorschieben von „Jimmy“ statt Bero, sollte unserem slowakischen Laufwunder ermöglichen, in der Rückwärtsbewegung Oermann gegen Führich zu unterstützen. Das passte auch dazu, dass Oermann generell sehr zurückhaltend agierte und stets versuchte, durch Zurückfallen und Versperren der Wege ins Zentrum das Spiel zu verzögern, um dann mit Unterstützung zu attackieren. Da die Bochumer durch die Manndeckungen nicht besonders kompakt waren, funktionierte dies jedoch selten. Führich konnte durch Oermanns Passivität leicht aufdrehen und andribbeln, Oermann locken, und dann den nachstoßenden Mittelstädt oder den ausweichenden Millot oder Undav einsetzen.
Zu Beginn funktionierte die Manndeckung generell noch nicht gut. Stuttgart konnte sich in vielen 1 gegen 1 Situationen behaupten und dann insbesondere über Führich zu Chancen kommen. Über die Zeit kam der VfL jedoch immer besser ins Spiel, gewann die Zweikämpfe und konnte sich so mehr und mehr in der Hälfte der Stuttgarter festsetzen. Mit Überladungen auf links kam unser Team zu Flanken und Freistößen, die jedoch noch nichts einbrachten.
Wenig Kreativität im Aufbau
Trotz allem fiel natürlich auf, dass Stöger fehlte. Der komplette Aufbau ging über Riemann. Förster blieb für die Überladungen auf links hoch und überließ Riemann den Aufbau. So gab es von den Feldspielern nur wenig Kreativität im Aufbau. Paciencia blieb erneut komplett unsichtbar. Bei dem Ansatz mit den langen Bällen von Riemann und den Flanken und Freistößen von links wäre Hofmann wahrscheinlich die bessere Alternative gewesen.
Voll da nach der Pause
Nach der sehr langen Pause, kam der VfL besser in die Partie. Es wurde nicht mehr beide Innenverteidiger zugestellt, sondern mehr aus einem 4-2-3-1 heraus gepresst. So konnte der Druck nach Anspiel auf den freien Innenverteidiger aus einer kompakteren Formation dynamisch und gezielter erzeugt werden, natürlich mit dem Risiko von den Stuttgartern ausgespielt zu werden.
Der Plan ging direkt auf. „Jimmy“ gewann aus der tieferen Grundposition den Ball und konnte direkt auf den tief gehenden Bero weiterspielen, der in der kompakteren Ordnung nun viel näher an seinen Mitspielern war. Der Slowake blieb und versenkte den Ball im Netz.
5 Innenverteidiger für ein Halleluja
Die Stuttgarter erhöhten den Druck und kamen gegen das hohe, aber nicht mehr komplett mannorientierte Pressing, mit dem Ball am Fuß immer mehr ins Rollen. Deshalb setzte Letsch auf Plan B. Bereits vor dem Spiel erwähnte er im Interview mit Sky, dass er sich den tieferen Ansatz der Gladbacher sehr genau angesehen hatte. So wurde mit der Führung im Rücken, nun auch Beton angerührt.
Ivan Ordets feierte sein Comeback als Ersatz für Förster. Damit standen mit Ordets, Bernardo, Loosli, Masovic und Oermann nun bereits 5 Innenverteidiger auf dem Feld – etwas das selbst Peter Neururer nicht gewagt hatte. Diese fünf agierten extrem mannorientiert gegen die Stuttgarter Offensivspieler. Meist waren deshalb nur 4 Spieler in der letzten Linie, da vor allem Masovic und Bernardo häufiger weit herausrückten. Auf dem Papier würde ich diese Ordnung aber schon als 5-2-2-1 bezeichnen. Eine Formation, die bereits in Leipzig und Freiburg Anwendung fand. Broschinski ersetzte Paciencia, um als Spitze den Druck hoch zu halten und Bero und „Jimmy“ mit Läufen in die Tiefe zu unterstützen.
Mauern zum Sieg
Es entwickelte sich mehr und mehr eine Abwehrschlacht. Als in der 79. Minute auch noch Wittek für „Jimmy“ aufs Feld kam, stand nominell eine Sechserkette auf dem Feld. Es gab zwar weiterhin weites Herausrücken und auch Vorstöße von Wittek, im tiefen Block sah es jedoch nach einem 6-2-2 aus. Man fühlte sich etwas an das Chelsea von Di Matteo erinnert. Ausnahmsweise hielt man sich aber auch die kompletten 6 (!) Minuten Nachspielzeit schadlos und konnte den sehr glücklichen Sieg eintüten (5:13 Schüsse; 0,8:2,0 Expected Goals).
Eigentlich glücklich
Der VfL hat nun nach 18 Spiele starke 20 Punkte auf dem Konto. Auf die direkten Abstiegsplätze hat man sich einen Puffer von 9 Punkten aufgebaut – das muss die Konkurrenz auch erstmal aufholen. Hätte uns vor der Saison jemand diese Momentaufnahme angeboten, hätten sicherlich fast alle blind eingeschlagen. Positiv für den VfL sind auch die Begleitumstände der direkten Konkurrenz wie das Transferverbot der Kölner, die sicherlich auch noch positiv für uns wirken.
Der VfL hat in dieser Saison eine Transformation durchgemacht – von der ursprünglichen Idee, mit der Thomas Letsch in die Saison gestartet ist, ist aktuell nicht mehr viel übrig. Von Hurra-Fußball, der hinten allerdings die Gegner zum Tore-Schießen einlud, hin zu einem wenig attraktivem, aber aktuell für uns und unsere Mittel sehr erfolgreichem destruktiven Ansatz. Am Ende fragt niemand mehr, wie es gemacht wurde. Punkte tun gut und Siege machen glücklich. Gerne auch mit xG von 0,01, wenn am Ende der Klassenerhalt steht.
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