Neues Element in der wachsenden Flexibilität des VfL

Motiviert aus dem Winterschlaf erwacht - Coach Letsch und seine Truppe. Foto: VfL Bochum

Nach der guten Leistung gegen Borussia Dortmund war die Vorfreude bei vielen Fans des VfL Bochum groß. Mit dem FC Augsburg reiste man zu einem Gegner, der sich von der Qualität auf Augenhöhe befindet. Anders als es noch beim verdienten, aber überraschenden, Punktgewinn gegen den ungeliebten Nachbarn der Fall war.

Thomas Letsch schickte die gleiche Startelf wie gegen den BVB aufs Feld. Nach der guten Leistung in der Vorwoche gab es für den Trainer wenig Grund zu wechseln. Dabei präsentierte sich der VfL erneut in einer 5-3-2 Grundordnung bei gegnerischem Ballbesitz und einer veränderten Grundordnung bei eigenem Ballbesitz. Im 4-2-2-2 rückte Erhan Masovic, wie schon in der Woche zuvor, neben Anthony Losilla. Augsburg stand tief und der VfL war früh das deutlich aktivere Team. Vor allem Takuma Asano agierte als Aktivposten und spulte sehr viele Kilometer ab – sowohl mit seinen Offensivläufen als auch mit seinem starken Anlaufverhalten. Dass der Japaner mit einem Doppelpack zum „Man of the Match“ avancierte, war daher folgerichtig.

„[Als zweite Spitze] kommt Taku auch in mehr Abschluss-Situationen, strahlt mehr Torgefahr aus. Er spielt außergewöhnlich mannschaftsdienlich, geht weite Wege im Spiel gegen den Ball, macht permanent Druck.“ – VfL-Sportdirektor Marc Lettau

Die beiden Tore waren also nur die Krönung einer sonst ebenso grandiosen Leistung des Japaners. Generell wirkt Asano im neuen System wie entfesselt. Er kann eine seiner großen Stärken, sein hervorragendes Anlaufverhalten, optimal einbringen. Er ist umtriebig und neben den langen Bällen auf Philipp Hofmann, scheinen seine Tiefenläufe ein zentrales Element der neuen Flexibilität im Angriffsspiel des VfL zu sein – vor allem gegen tiefstehende Gegner. In der vorherigen Saison tat sich der VfL immer wieder schwer, hinter die letzte Abwehrkette zu kommen, stand der Gegner tief in der eigenen Spielhälfte. Auch einer der Gründe, warum es nach Rückständen schwer fiel, wirklich gefährliche Druckphasen aufzubauen.

Es scheint, als wurde Arbeit investiert, um mit anderen Konzepten Torgelegenheiten zu kreieren. Gestern war es auffällig, dass nach langen Bällen in die Spitze Ablagen auf Kevin Stöger gesucht wurden, welcher wiederum den Ball in die Tiefe suchte. Das intuitive Herausrücken der Abwehrkette, um den langen Ball zu verteidigen, reichte dabei oftmals aus, um unseren Angreifern den entscheidenden Moment mehr Raum und Zeit zu geben. Die Bälle fanden dann zumeist den startenden Asano. Sowas muss trainiert werden, das Timing muss perfekt sein. Und gestern war es von Erfolg gekrönt – beim Tor zum 2:2-Ausgleich.

Hofmann arbeitet sich aus dem Tief

Aber auch Hofmann passt sich immer mehr dem neuen System an und gewinnt langsam an Stärke zurück. Lange Bälle nach vorne, die unser bulliger Stürmer festmachen kann, sind immer noch eines der zentralen stilistischen Mittel des Aufbauspiels. Gestern fungierte unser Blondschopf wieder als Zielspieler, konnte Bälle clever verteilen oder generell in Zweikämpfen seinen Körper gut reinstellen – so auch beim Assist zum 1:1 oder auch vor dem 2:2. Es gibt von einigen Seiten ordentlich Kritik an ihm – das Spiel gestern war die passende Antwort. Der eigene Torerfolg blieb Hofmann bisher verwehrt, dennoch reißt er mit seiner Präsenz Räume. Wie wichtig die aktuelle Form und das Zusammenspiel unseres Angriffs ist, merkte man deutlich nach den Wechseln. Christopher Antwi-Adjei und Moritz Broschinski konnten die Abwehrkette des FCA nicht so sehr unter Druck setzen.

Antwi-Adjei bringt jedoch alle Anlagen mit, um die gleichen Wege zu gehen wie Asano. Vor allem bei den oben beschrieben Chipbällen von Stöger dürfte er seine Geschwindigkeitsvorteile nutzen können – auch wenn diese nicht so klar hervorstechen dürften wie im letzten Jahr, als er aufgrund der generellen Ausrichtung viel größere Räume vor sich hatte. Dass er Chipbälle verwerten kann, hat er schon gezeigt: beim 1:0- Sieg am 15. Spieltag der Saison 22/23 in Augsburg.

Die Entwicklung überrascht – und lässt hoffen

Erstaunlich wie viel Sicherheit die Mannschaft in drei Wochen gewonnen hat. Klappte in Bielefeld und Stuttgart gar nichts, merkt man nun wie die Automatismen anfangen ineinander zu greifen. Die Übergänge zwischen 5er- und 4er-Kette werden besser, Masovics Positionswechsel sind deutlich besser getimed, wenn auch noch nicht perfekt. Spannend wird es vor allem, wenn der Konkurrenzkampf noch größer wird. Mit Philipp Förster und Moritz-Broni Kwarteng bekommt man zwei weitere starke Alternativen dazu, die andere Spielerrollen verkörpern und das Mittelfeld variabler aufstellen. Mit Gonçalo Paciência konnte man die Qualität in der Breite für ganz vorne noch einmal erhöhen. Sollten wir von größeren Verletzungen verschont bleiben, gehen wir mit einem Kader in die Saison, der es Trainer Thomas Letsch ermöglicht, ordentlich nachzulegen – was bei der intensiven Spielweise mit aggressivem Pressing auch nötig sein wird.

Es wäre mehr drin gewesen als das Unentschieden. Ja aber wenn uns jemand nach dem Stuttgart-Spiel gesagt hätte, dass wir uns nur zwei Wochen später so präsentieren wie wir uns gestern auf dem Platz gezeigt haben, dann hätte ein Großteil der Anhänger vermutlich blind unterschrieben. Letsch hat es mal wieder geschafft, auf desaströse Leistungen die richtigen Anpassungen zu finden. Auch die Interviews nach dem Spiel zeigen deutlich, dass die Mannschaft sich langsam im System gefunden hat. ‚Let Letsch cook‘ – man kann sich auf die nächsten Spiele freuen.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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Danke, Zolli – 4,5 Jahre anne Castroper!