Der VfL Bochum holt zu Hause im Ruhrstadion im Derby gegen Borussia Dortmund ein verdientes Unentschieden und zeigt ein komplett anderes Gesicht als in den beiden Spielen zuvor. Erleichterung an der Castroper Straße. Eine Einordnung.
Spiele gegen den BVB sind etwas Besonderes. Zumindest für uns Bochumer. Auch wenn es immer wieder hämische Kommentare vom anderen Ende der B1 gibt, dass das Spiel ja gar kein richtiges Derby sei, spürt man die Rivalität an allen Ecken und Enden. Auch in diesem Jahr. Aufgrund des Fehlstarts ist die Stimmung im Umfeld angespannt und teilweise besorgt. Eine Niederlage im Pokal und ein Debakel in Stuttgart waren nach dem Freudentaumel beim Klassenerhalt im wahrsten Sinne des Wortes ein harter „Schlag in die Fresse“ für viele Fans. Ein unschönes Erwachen. So war die Erwartungshaltung, zumindest was das Ergebnis angeht, doch eher vorsichtig zurückhaltend bei vielen.
In der ersten Elf gab es mit Bero für Jimmy nur einen Wechsel – eine nochmals defensivere Ausrichtung. Nachdem Trainer Thomas Letsch allerdings in der Pressekonferenz betont hatte, dass man aggressiv auftreten wolle und es keinem Gegner Spaß machen soll, im Ruhrstadion Fußball zu spielen, war dieser kaum überraschend. Schließlich bezeichnete er Bero wenig später als genau den Prototyp Akteur für so eine Spielweise.
Auf dem Platz
Der Ankündigung des Trainers ließ die Mannschaft auch sehr schnell Taten folgen. Die Mannschaft lief die Dortmunder extrem früh und vor allem sehr aggressiv an. Der ein oder andere Ballgewinn war die Folge. Dortmund kam bis auf eine frühe Kopfballchance gar nicht ins Spiel. Immer wieder gewann unser VfL die wichtigen Zweikämpfe. Defensiv blieb man der Grundstruktur der Fünferkette treu. Offensiv rückte Masovic neben Losilla und man bildete ein klares 4-2-2-2 aus. Diese Rolle hat im Stuttgart-Spiel noch Ordets übernommen. Masovic schien sich in dieser Rolle deutlich wohler zu fühlen als der Ukrainer.
Auffällig war auch Maxi Wittek, der vor allem offensiv immer wieder für Akzente sorgte. Er spielte letztendlich auch den Pass auf Stöger vor dem 1:0 und kam so zu seinem ersten Assist im blau-weißen Dress. Auch Stöger fühlte sich offensichtlich deutlich wohler, forderte Bälle und war überall auf dem Platz zu finden. Teilweise wurde so guter Fußball gespielt, dass sich sicherlich der ein oder andere schon fragte, ob das wirklich unsere Elf ist, die vor 2 Wochen noch in Bielefeld gegen einen Drittligisten verloren hat. Und nun sowas gegen eine der teuersten Mannschaften im deutschen Fußball?
Kritikpunkte
Aber – auch wenn die Mannschaft sich gallig präsentierte und offensiv die Dortmunder anlief zeigte sich zwischendurch auch immer wieder, dass diese aggressive Spielweise auch viele Schwächen kaschierte. So wirkten die Wechsel zwischen 4-2-2-2 und 5-3-2 teilweise chaotisch, Masovic’s Zwitterolle ist (noch) ein Fehlerherd. Ebenso auffällig war, dass bis auf Wittek, der Letsch System eben schon lange kennt, die anderen Außenverteidiger immer noch große Probleme haben, die richtigen Räume und Abstände zu finden.
Dass dieses Vollgas-Pressing vor allem für die eigenen Stürmer massiv anstrengend sein kann, zeigt sich vor allem zwischen der 45. Und 60. Minute, als man das Spiel immer mehr aus den Händen gleiten ließ. Hofmann und vor allem Asano, der durch sein aggressives Anlaufverhalten ungemein wichtig für unser Spiel, konnten kaum noch Druck auf den Spielaufbau der Dortmunder ausüben, kamen immer wieder ein bis zwei Schritte zu spät. Als man vorne wenig später mit Broschinski und Jimmy zwei frische Kräfte auf dem Platz hatte bekam man den BVB wieder deutlich besser in den Griff.
Nicht falsch verstehen, dies soll keine scharfe Kritik sein, sondern lediglich verdeutlichen, dass Intensität Fehler geschickt überspielen kann und noch Raum für Verbesserungen bleibt. Dieses Spiel war aber ein großer Schritt in die richtige Richtung und hat das erste Mal gezeigt, was Letsch Spielidee bedeutet, wenn sie richtig ausgeführt wird. Ein Unentschieden gegen den „großen“ und vor allen finanziell in einer ganz anderen Liga spielenden BVB ist ein großer Erfolg. Vor allem hat niemand erwartet, dass nach dem Start alles perfekt läuft. Aber das, was man als Anhänger sehen will – Kampf, Einsatz und Leidenschaft – das war da. Chapeau an die Mannschaft. Genau die Reaktion, die man sehen will.
Und nun?
Spannend wird perspektivisch auch zu sehen sein, ob sich ein Daschner und Kwarteng für die vorderen beiden Positionen als Alternativen von der Bank aufdrängen können. Eine offensive Alternative wäre, vor allem bei einem potenziellen Abgang von Simon Zoller, wünschenswert. Sonst kann man durchaus bei so einer intensiven Spielweise auch mal relativ Blank dastehen ohne entsprechende Möglichkeiten auf der Bank.
Thomas Letsch hatte angekündigt, dass der primäre Fokus darauf liegen wird, der Mannschaft nach dem Fehlstart Sicherheit zu geben. Das ist mit einer starken Leistung gegen den BVB gelungen. Die Mannschaft machte das erste Mal den Eindruck, dass die grundlegenden Mechanismen im neuen System anfangen zu greifen. Was aber Fakt ist – nach so einer Leistung hat man direkt wieder Bock auf das nächste Spiel. Und besonders darauf, welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn alle Rädchen in dieser Mannschaft reibungslos ineinandergreifen, ohne zu quietschen oder zu knarren. Das war heute ein guter Vorgeschmack.
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