35 Punkte – 35 Bier – ein Stimmungscheck

Nach so einer Saison darf man gute Laune haben: Simon Zoller. Foto: VfL Bochum

Der VfL steht in seiner Comback-Saison in der Bundesliga nach 28 Spieltagen mit 35 Punkten auf dem elften Platz. Sage und schreibe neun Punkte Polster hat man auf den Tabellen-16., die Arminia aus Bielefeld. Bevor es in die letzten 6 Spieltage der Saison 2021/22 geht, machen wir bei Einsachtvieracht einen kleinen Stimmungs-Check.

These 1: Der Klassenerhalt ist sicher, jetzt können wir nach oben schauen

Claudio Gentile (CG): Hätte mir jemand vor der Saison gesagt, wo wir nach dem 28. Spieltag in der Tabelle zu finden sind, ich hätte blind unterschrieben. Ich habe ehrlich gesagt auch nicht das „Herbeireden einer Krise“ nach der Niederlage gegen Gladbach verstanden. Dass es in der ersten Bundesliga-Spielzeit nach über einem Jahrzehnt Durchhänger geben wird, war doch von Anfang an klar. Dass diese Durchhänger allerdings die absolute Ausnahme sind und der VfL bis auf das Bayern-Spiel in der Hinrunde jedem Gegner auf Augenhöhe begegnet ist, ist keine Selbstverständlichkeit. Wir sollten nie vergessen, wo wir herkommen. Das Ziel Klassenerhalt ist in greifbarer Nähe. Ich freue mich auf die letzten Spiele.

Matthias Rauh (MR): Ich glaube erst an den Klassenerhalt wenn er zu 100% rechnerisch feststeht. Fakt ist: Die SpVgg Greuther Fürth kann uns nicht mehr einholen, auch rechnerisch. Und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, dass uns zwei Teams „da unten“ überholen, zumal die teilweise ja auch noch gegeneinander spielen. Ein paar Punkte braucht man noch, die sind in den letzten sechs Spielen aber im Bereich des machbaren – wenn man weiter so seriös arbeitet wie bisher.

Moritz Möller (MM): Vor der Saison ging jedermann davon aus, dass bis zur letzten Minute gezittert werden und man auch noch auf Ausrutscher der Konkurrenz hoffen muss. Thomas Reis und sein Team haben in dieser Saison bisher zurecht bewiesen, dass sie in der höchsten deutschen Spielklasse mit dabei sind, weil sie Spiele selber entscheiden können. Die oben schon erwähnte herbeigeredete Krise resultierte aufgrund einiger Ausfälle, denn nur mit voller Kapelle und 1848% Einsatz kann der VfL in Liga eins bestehen. Ist die mannschaftliche Geschlossenheit aber gegeben, hat der VfL alles selber in der Hand. Das ist auch beim Thema Klassenerhalt der Fall. Arbeitet man konzentriert weiter können die Planung für die nächste Saison etwas früher begonnen werden.

Foto: VfL Bochum 1848

These 2: Unsere drei Leihspieler müssen gehalten werden – um jeden Preis!

MR: Um jeden Preis sehe ich nicht. Man sollte bei den Spielern jeweils die einzelne Position sehen. Eduard Löwen hat als einziger noch einen Anschlussvertrag über zwei Jahre, könnte also erneut ausgeliehen werden. Bei Stafylidis und Rexhbecaj kommt es auf den Stammverein an, wie dort mit ihnen geplant wird. Beide wurden mit Aussicht auf mehr Spielpraxis verliehen – bei beiden haben sich die Erwartungen des ausleihenden Vereins voll erfüllt. Für Stafylidis spricht neben seiner Mentalität seine unglaubliche Vielseitigkeit und man braucht einfach einen zuverlässigen Mann hinter Danilo Soares – was Stafy auf jeden Fall ist. Und vielleicht könnte man nach einem Verkauf, möglichweise von Armel Bella Kotchap, Geld in die Hand nehmen für eine Festverpflichtung von Stafylidis oder Elvis Rexhbecaj. Allerdings sind die anderen Vereine nicht dumm und könnten dann eine höhere Summe fordern.

MM: Jeder der Leihspieler hat in dieser Saison bewiesen, warum der VfL sie gerne haben wollte. Beim einen wurde der Einsatz etwas wohlwollender gewertet als beim anderen, aber in den letzten zwei Jahren haben Thomas Reis und sein Team eigentlich immer unter Beweis gestellt, dass sie niemanden zu Unrecht aufstellen. Auch in der neuen Saison wären die drei sicherlich eine Bereicherung und Thomas Reis und Sebastian Schindzielorz haben auch immer betont wie wichtig Kontinuität für den Erfolg ist. Wie Matthias oben schon ausgeführt hat muss einiges wirtschaftlich und sportlich passen, damit die drei auch nächster Jahr an der Castroper Straße kicken.

Sollte man es leider nicht schaffen die Leihspieler zu binden, bin ich guten Mutes, dass die sportliche Führung auch dann wieder spannende Spieler findet, die die richtige Mentalität und Qualität auf den Platz bringen. Denn planlos agiert man an der Castroper Straße schon seit längerer Zeit nicht mehr.

CG: Bei Stafy und Elvis hoffe ich fest darauf, dass sie verpflichtet werden. Löwen hat mich bisher nicht vollends überzeugt – vor allem mit Blick darauf, was er im Unterhalt kosten würde, wenn es keine Subvention mehr von Seiten der Hertha gibt. Sicher, ein guter Spieler, aber aktuell für mich von der Wichtigkeit deutlich hinter den beiden anderen anzusiedeln. Am realistischsten sehe ich aktuell einen Verbleib von Stafy. Bei Elvis wird man komplett davon abhängig sein, wie Wolfsburg mit ihm plant.

These 3: Wenn Thomas Reis den Klassenerhalt schafft, hat er eine Säule am Stadion verdient!

MR: Der Klassenerhalt wäre bei dem Budgetgefälle, das in der Bundesliga herrscht, tatsächlich ein Wunder. Aufsteiger, die so eine gute Runde spielen, gab es in den letzten Jahren nur wenige – und oft waren die viel finanzkräftiger. Doch davon ab: Das zweite Jahr ist immer das schwerste wird gesagt – der Erfolg weckt sicher auch seine Begehrlichkeiten. Es könnte durchaus sein, dass unsere Spieler von der Konkurrenz abgeworben werden. Dort gilt es vor allem für Sebastian Schindzielorz kreativ im Sommer zu sein und ähnliche „Steals“ wie Osterhage einzutüten. Und wer weiß, vielleicht sind Reis und Schindzielorz selbst im Sommer auf dem Transfermarkt sehr begehrt.

MM: Nicht nur Thomas Reis, der vielleicht auch zwei Säulen Platz bräuchte ;-), sondern die gesamte sportliche Führung verdient großer Respekt für den Aufstieg und dem möglichen Klassenerhalt. Solche Leistungen wecken Begehrlichkeiten, aber die Verantwortlichen wissen auch was sie am VfL haben. Eine ausgelassene Feier am Ruhrstadion, um die verpasste Feier vom letzten Jahr nachzuholen, würde sicherlich den ein oder anderen für einiges entschädigen.

CG: Sehe das ähnlich wie Moritz. Eigentlich müsste es eine Säule für die gesamte Führung des VfL geben, die seit Jahren grandiose Arbeit macht, sowie eine für die Stützen der Mannschaft, die diese Entwicklung auf dem Platz geprägt haben wie Losilla oder Riemann. Aber ja, man muss sich das finanzielle Gap vor Augen führen. Der Klassenerhalt ist eine massive Outperformance zu den eingesetzten Mitteln. Man kann stolz auf all die Rädchen sein, die hier ineinander greifen aktuell.

These 4: Der Kader muss im Sommer dringend verjüngt werden!

MR: Immer langsam mit den jungen Pferden. Natürlich haben wir noch vor Union Berlin den ältesten Kader der Liga und irgendwann muss auch mal Anthony Losilla oder andere Leistungsträger ersetzt werden. Wir müssen allerdings sehen, ob Spieler dieser Klasse überhaupt finanzierbar sind. Ein junges Talent wie Finn Ole Becker, den ich sehr gerne an der Castroper gesehen hätte wechselt im Sommer zur TSG Hoffenheim. Junge Spieler mit einer gewissen Klasse in ihrem Alter sind für uns – Stand jetzt – nicht finanzierbar. Und natürlich spekulieren viele Bundesliga-Vereine bei jungen Spielern auf viel Transfererlöse. Aber wir müssen uns von dem Gedanken frei machen, dass die Fußballer mit 30 kein Fußball mehr spielen können – Anthony Losilla als bestes Beispiel. Er konnte von Jahr zu Jahr seine Leistungen sogar steigern! Meiner Meinung nach ist zwar ein Weg wie Arminia Bielefeld es mit den jungen Talenten macht lobenswert, die „älteren“ Spieler für den VfL könnten aber durchaus noch einige Jahre ein „Way to go“ sein.

MM: Der Kader muss im Sommer bestmöglich für die nächste Saison zusammengestellt werden! Das zweite Jahr, wenn man den momentanen Kurs hält, wird sicherlich nicht einfacher. Man muss die Spielphilosophie ein wenig anpassen, den taktisch ist man diese Saison auch einige Male geknackt worden, schauen, dass man ein stabiles Grundgerüst behält und gleichzeitig punktuell verstärken, Spieler mit Entwicklungspotential finden, um sie weiter zu entwickeln. Vor allem muss man sehen, dass man den Kader in seiner Breite und Leistungsdichte beibehalten kann, denn nur so wäre das nächste Wunder machbar. Der VfL hat diese Saison schon gezeigt, dass er jungen Spielern als Sprungbrett dienen und Spielern die ein wenig von der Bildfläche verschwunden sind, eine Möglichkeiten bieten kann sich in der ersten Bundesliga wieder zu zeigen. Thomas Reis besitzt die Möglichkeit Spieler und Mannschaften weiterzueinwickeln und Sebastian Schindzielorz hat auf dem Transfermarkt ein gutes Händchen. Es könnte ein spannender Sommer werden!

CG: Auf Krampf junge Spieler zu holen, wird mit den Restriktionen, die wir auf der ökonomischen Seite haben, leider nicht funktionieren. Der VfL hat meiner Meinung nach in den letzen Jahren eine sehr gesunde Balance zwischen talentierten jungen Spielern und erfahrenen Leadern gefunden, die voran gehen. Die Leistungssprünge von Riemann und Losilla sind beispielhaft dafür. Innerhalb dieses stabilen Grundgerüsts schafft man es immer wieder, talentierten Nachwuchs wie ABK, Leitsch, Osterhage oder Masovic als starke Säulen zu etablieren. Der VfL muss schauen, was der Markt anbietet und seine eigene Idee bzgl. der mannschaftlichen Struktur darauf basierend immer wieder anpassen. Schafft man das wie in den letzten Jahren, ist man ideal aufgestellt, unabhängig vom Alter der Spieler.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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