Verdammt lang her: Wenn der Duft von frisch geschnittenem Rasen an einem warmen Sommertag in die Nase zieht, dürfen wir dem ersten Spieltag der Fußball-Bundesliga entgegen fiebern. Endlich wieder, nach fast 12 Jahren Abstinenz. Bis dahin liegt ein langer Sommer mit einer Europameisterschaft vor uns und somit viel Arbeit für Sebastian Schindzielorz, der unseren Kader verstärken und sinnvoll ergänzen sollte. Der Traum vom Aufstieg mündet in den nächsten Traum: Klassenerhalt.
Damit dieser Traum wahr wird, gilt es, den derzeitigen Kader zu analysieren, mögliches Verbesserungspotential auf der einen oder anderen Position abzuleiten und Spielerprofile bereitzustellen, die unser Cheftrainer Thomas Reis benötigt. Grundsätzlich hat es natürlich jeder Spieler der Aufstiegsmannschaft verdient, die Lorbeeren der Arbeit der vergangenen Saison zu ernten. Leider erreicht man im Fußball mit Romantik nur zu selten seine Ziele.
Alles fügte sich zusammen und das Potential wurde abgerufen
In der Inventur des Kaders (Teil 7): Neuer Sommer, neues Glück, wurde das große Glück bereits heraufbeschworen
Die Beispiele aus Braunschweig, Paderborn und zuletzt Bielefeld zeigen, dass man nicht das große Budget benötigt, sondern nur eine Idee, dessen Umsetzung und eine Portion “Glück”. Diese große Portion Glück gepaart mit dem Potential, welches unsere Mannschaft seit Jahren andeutet, keine größeren Verletzungen und eine Überraschungsmannschaft aus Bochum könnte den Beispielen folgen. – Die Inventur des Kaders (Teil 7): Neuer Sommer, neues Glück
Das Potential für den Klassenerhalt ist ebenso vorhanden. Der derzeitige Kader bietet viele Variationsmöglichkeiten und vereint Spieler, die flexibel einsetzbar sind und die notwendige Qualität für die Bundesliga mitbringen. In den vergangenen Jahren formte unser Sportvorstand eine nachhaltige Kaderstruktur, die er nun gezielt ergänzen kann.
Generell kann das Trainerteam auf Ausfälle reagieren und taktische Varianten probieren. Trotz der guten Basis im Kader, wird es das Ziel des Sommers sein, mehr Breite und Qualität in den Kader zu bekommen, um auf Formschwankungen reagieren zu können. Und das natürlich möglichst kostenfrei.
Tor: Der Leistungsträger als Mosaikstein für den großen Traum
Manuel Riemann wird weiterhin die Rückennummer 1 tragen und die Kommandos aus dem Tor heraus geben. Durch seinen Ehrgeiz, Mut und mit konstant guter Form kann er einer der entscheidenden Faktoren im Abstiegskampf werden. Rafał Gikiewicz für Union Berlin und Stefan Ortega Morena für Arminia Bielefeld konnten ihren Teams in den vergangenen beiden Jahren dieselben Tugenden bieten und sich in den Fokus hechten. Gleiches darf durchaus von unserem Leistungsträger im Tor erwartet werden.
Gleichwohl spannender wird es, wie man hinter Manuel Riemann plant. Patrick Drewes spielte zuletzt als Riemann-Vertreter und hat solide Leistungen abgeliefert, spielerisch hat er jedoch noch Luft nach oben. Der auslaufende Vertrag könnte daher für den VfL als Chance zur Verbesserung dienen.
Paul Grave durfte in dieser Saison mit den Torhütern trainieren, jedoch keine Spielzeit sammeln. Traut man Grave die Position hinter Riemann zu? Kommt mit Tjark Ernst das nächste Talent in die erste Mannschaft? Oder schaut man sich auf dem, zumeist, gut gefüllten Transfermarkt für Torhüter um und verpflichtet einen erfahrenen Vertreter?
Da Spielzeit für einen Torhüter enorm wichtig aber schwerer zu bekommen ist, sollte Grave dringend verliehen werden. Seinen Platz als dritter Torhüter nimmt Tjark Ernst ein. Schindzielorz wird auf dem Transfermarkt einen erfahrenen, vertragslosen Torhüter aufnehmen und die Position hinter Riemann somit kurzfristig besetzen. Ähnliche Konstellationen gab es in den vergangenen Jahren im Bereich von Peter Greiber (fast) immer. Grave und Ernst gehört hoffentlich die Zukunft. Bis der Tag kommt, werden sie kontinuierlich aufgebaut und an den Profifußball heran geführt.
Innenverteidigung: Die Goldjungen stellen sich ins Schaufenster
Mit ihrer Dynamik und ihrem Spielverständnis haben sich Armel Bella-Kotchap und Maxim Leitsch nicht erst in der vergangenen Saison in die Notizbücher vieler Vereine gespielt. Es ist genau das eingetreten, was man so sehr gehofft hatte: Beide sind über die gesamte Saison fit und finden zueinander.
Maxim Leitsch ist vermutlich der Spieler im Kader des VfL Bochum, der mit Armel Bella-Kotchap so ziemlich das größte Entwicklungspotential im Kader hat. Schnelligkeit, Zweikampfführung, Stellungsspiel und sicheres Passspiel machen Leitsch zu jemandem, der, wenn er verletzungsfrei bleibt, sicherlich bei vielen Vereinen der Bundesliga auf dem Zettel steht. Ähnliche Attribute verkörpert auch Bella-Kotchap, wobei dieser körperlich robuster scheint. – Die Inventur des Kaders (Teil 7): Neuer Sommer, neues Glück
Die beiden Jungnationalspieler der deutschen U21 sind auch in der ersten Liga gesetzt und vereinen die Tugenden, die sich fast jeder Trainer in seinen Reihen wünscht. Sofern nicht bereits in diesem Sommer ein unmoralischen Angeboten für einen oder gar beide eingeht, wird die Innenverteidigung weiterhin gesetzt sein.
Hinter den beiden Youngstern lauern mit Saulo Decarli und Vasilios Lampropoulos zwei gestandene Spieler, die zuvor, in unterschiedlichen Zeitfenstern, Stammspieler waren. Grundsätzlich könnte man sich vorstellen, dass der VfL bei einem Wunsch oder einem Angebot Optionen auslotet, um sich auf der Position zu verändern. Das Tempodefizit von Lampropoulos könnte in der ersten Liga zum Verhängnis werden. Aufgrund der zuletzt mangelnden Spielpraxis und seiner Verletzung dürfte es Zeit benötigen, um das Stellungsspiel in Spielsituationen wieder zu erlangen. Und Zeit ist in der Bundesliga knapp.
Decarli hat zuletzt den dritten Innenverteidiger gegeben und könnte dies auch durchaus in der ersten Liga verkörpern. Die Erfahrung, die er in Belgien sammeln durfte, könnte in der Kabine helfen. Die Robustheit und Sicherheit im Spielaufbau gingen ihm vor seiner Verletzung etwas ab. Ähnlichkeit zur Situation bei Lampropoulos lässt die Positionen hinter Bella-Kotchap und Leitsch zur zweiten Lücke im Kader werden.
Außenverteidigung: Mit Variabilität und Dynamik zum Klassenerhalt
Als Danilo Soares zum Verein stieß, war er der gesuchte Linksverteidiger. Für die zweite Liga stellte Soares einen so herausragenden Spieler dar, dass wir unser Glück kaum fassen konnten, als er seinen auslaufenden Vertrag im letzten Sommer verlängerte.
Danilo Soares größte Stärke ist seine Komplettheit. Es gibt keine Dimension in seinem Spiel, die als Schwäche bezeichnet werden kann. Defensiv beeindruckt er mit seiner Aggressivität und Bissigkeit sowie seinem Timing beim Herausrücken und bei Tacklings. (…) Danilo jedoch ist ein Meister darin, seine Bewegungen so zu timen, dass er stets gut in den Zweikampf kommt. Dabei kommt ihm sein tiefer Körperschwerpunkt entgegen, der ihm ermöglicht, mit kleinen, schnellen Schritten sich stets neu auszurichten und zu positionieren. (…) Doch auch offensiv hat Danilo einiges zu bieten. Seine Geschwindigkeit, Technik und Übersicht werden von Global Soccer Network (GSN) als stark bewertet. (…) Schon in seiner Zeit bei Ingolstadt feierten die Taktikexperten von Spielverlagerung, Deutschlands größtem Taktikblog, seine Kreativität und Vielseitigkeit bei Aktionen in die Spitze. – Danke Danilo – Eine Ode zur Verlängerung unseres Linksverteidigers
Und wenn das noch nicht Beschreibung genug ist, dann kam der Mann bei uns auch schon selber zu Wort. Kurzum: Soares ist hinten links gesetzt.
Cristian Gamboa kam als Notnagel für die vakante Position auf der rechten, defensiven Außenbahn und erwies sich in den vergangenen Monaten als Verkörperung dessen, was wir im Ruhrgebiet früher so liebten: Laufen, kratzen, beißen und niemals aufgeben. In Liga 2 war das zeitweise ein absolutes Faustpfand. Auch in der Bundesliga weiß man, was man von Gamboa erwarten darf.
Mit Herbert Bockhorn kann ein anderer Spielertyp mit Offensivdrang die Position des Rechtsverteidigers ebenso bekleiden. Bockhorn agierte unter Thomas Reis auch als Linksverteidiger und Linksaußen, so dass er beide Seiten im Notfall gleichermaßen bespielen könnte. Zweifel bestehen, ob Bockhorn das Spielverständnis auf einem höheren Niveau hat. Einen Versuch ist es in bestimmten Spielsituationen jedoch alle Male wert.
Maxim Leitsch und Gerrit Holtmann haben den Linksverteidiger bereits gespielt und können als Notnagel fungieren. Dennoch wäre es sinnvoll, nach einem weiteren Außenverteidiger Ausschau zu halten, der entweder beide Defensivseiten oder eine andere Position bekleiden kann, um möglichst variabel Einsätze sammeln zu können.
Moritz Römling sammelte in der Rückrunde nachhaltige Profierfahrung als Stammspieler beim Wuppertaler SV und wird sich in der Vorbereitung vermutlich zeigen dürfen. In 17 Spielen traf unser Eigengewächs einmal und bereitete drei Treffer vor. Bis zum Bundesligastart könnte er jedoch wieder als Leihspieler den Weg in die Regionalliga oder 3. Liga finden, um weitere Spielpraxis zu erhalten.
Defensives Mittelfeld: Frischzellenkur hinter dem Herzstück
Über den Glücksfall Robert Tesche für den VfL Bochum werde ich so wenige Worte wie möglich verlieren, um nicht ins Schwärmen zu geraten: Im Herbst seiner Karriere erfährt Tesche endlich die Art Anerkennung, die ihm lange verwehrt wurde. Ein fantastisches Puzzlestück für die Mannschaft, der vermutlich nochmal richtig Bock hat, es allen in der Bundesliga zu beweisen und auf der Alm groß aufzutrumpfen.
Daneben steht mit Anthony Losilla das Herz der Mannschaft. Wenn man das Sprichwort von Topf und Deckel verwenden mag, passt es bei Tesche und Losilla wie die Faust aufs Auge.
Hinter den beiden wird es jedoch eng. Erhan Masovic hat wenig Einsatzzeiten erhalten, auch aufgrund der verschwindend geringen Ausfallzeiten von Tesche und Losilla. Beim letzten Saisonspiel und seinem einzigen Spiel über 90 Minuten gegen den SV Sandhausen agierte Masovic als Tesche Ersatz und lieferte eine saubere Partie ab. Mit weniger Esprit im Spielaufbau als Tesche, dafür mit gutem Einsatz absolvierte der Serbe die Partie. In der ersten Liga stellt Masovic vermutlich bestenfalls eine späte Einwechseloption dar, um einen Spielstand über die Zeit zu bringen. Eine Leihe könnte durchaus Sinn machen.
Raman Chibsah kam im letzten Sommer als Unbekannte aus Italien und die Hoffnungen waren groß, dass der erfahrene Mann aus Accra sich seinen Stammplatz erkämpft. Sicherlich muss man einem Spieler immer eine Eingewöhnung zugestehen, so dass es spannend sein wird, ob er sich in der Sommervorbereitung spielstärker zeigt als während seiner Auftritte während der Saison. Oftmals zu hektisch öffnete Chibsah immer wieder Räume im Mittelfeld. Sollte man der Meinung sein, dass er dieses Manko nicht abstellen kann, wäre hier eine Trennung denkbar. Sollte es keine Interessenten für Chibsah oder kostengünstige Alternativen geben, wäre aufgrund der angespannten finanziellen Situation auch ein Verbleib und eine neue Bewertung der Situation im Winter möglich.
Die Leihe zum Wuppertaler SV startete für Lars Holtkamp mit einem Innenbandriss und daher mit einem verspäteten Start. Nachdem er wieder genesen war, konnte Holtkamp sich nach einer Eingewöhnungsphase jedoch in die Startelf als Sechser vor der Abwehr spielen und wertvolle Erfahrung sammeln. Eine weitere Leihe wäre sicherlich sinnvoll.
Flügel: Tempo, Tempo, Tempo
Die offensive Außenbahn besticht durch Tempo. Herbert Bockhorn, Danny Blum und vor allem Gerrit Holtmann setzten ihr Tempo als Waffe ein und konnten sich oftmals die entscheidenden Meter im Sprint gegenüber den Außenverteidigern sichern.
Gerrit Holtmann war im vergangenen Sommer sicherlich einer der Transfers, der unsere Mannschaft nachhaltig verbessert hat. Technisch nicht immer perfekt, erarbeitet sich Holtmann jedoch quantitativ viele Situationen, in denen er in Abschlussposition kommt oder seinen Nebenmann einsetzen kann. Durch seine Stockfehler oder Unkonzentriertheiten sind jedoch einige gute Angriffe im Keim erstickt – Im Schnitt verlor Holtmann 2,6 Bälle pro Spiel, das entspricht Platz 17 aller Spieler der zweiten Bundesliga (whoscored). In anderen Szenen konnte er dafür Überraschendes herbeiführen und zum Torerfolg kommen. Kurzum: Holtmann hat noch Potential und kann zu einer entscheidenden Waffe in der kommenden Saison werden.
Aufgrund einer unnötigen roten Karte und Wadenproblemen, absolvierte Danny Blum in dieser Saison lediglich 22 Partien. Seinen Einfluss auf das Spiel hat er jedoch nicht verloren und er besticht stets durch Torgefahr. Durch seinen starken linken Fuß kann Blum aus vielen Lagen eigenständig Torchancen kreieren. Die notwendige Aufmerksamkeit der Verteidiger nutzt er dabei gerne aus und kann auch für seine Nebenleute Chancen und Räume kreieren. Seine automatische Verlängerung aufgrund des Aufstiegs bot die Chance, den Spieler zu binden.
Herbert Bockhorn erwies sich als der erhoffte variable Spieler, der auf der Außenbahn defensiv wie offensiv im Grunde überall aushelfen kann. Die Eingewöhnung verlief bei ihm schnell und er konnte seine Stärken im Dribbling und der Defensive ausspielen. Für die Offensive Außenbahn fehlt ihm derzeit noch die Qualität im Abschluss, wodurch er vermutlich in der kommenden Saison die besten Chancen auf einen Platz in der Startelf als Rechtsverteidiger haben dürfte. Auch wenn der Gegner mit starken Außenbahnspielern agiert, könnte die Dopplung dieser Seite mit Bockhorn und Soares oder Gamboa ein Stilmittel sein.
Neben den drei genannten Speedstern, gehören Milos Pantovic und Tom Weilandt zu einer anderen Gattung an Spielertyp. Pantovic ist eher kleinräumig kombinativ unterwegs, Weilandt ist gerne länger am Ball und sucht dribbelnd nach Lücken beim Gegner. Dass Thomas Reis diese Spielertypen für seine Spielidee eher selten nutzt, lässt den Schluss zu, dass beide Spieler durchaus Kandidaten für einen Abgang sind. Wenngleich sich der Vertrag von Pantovic jüngst automatisch verlängerte, ein Platz als Flügelspieler Nummer 4 oder 5 dürfte ihm vermutlich zu wenig sein. Tom Weilandt konnte leider erneut nicht auf sich aufmerksam machen und die Wege werden sich im Sommer vermutlich trennen. Der Aufstieg von Hansa Rostock könnte für den gebürtigen Rostocker eine Chance darstellen, wieder öfters mit seinem Labrador Amy am Strand spazieren zu gehen und in einer Mannschaft gebraucht zu werden.
Tarsis Bonga durfte zuletzt einige Einsätze verbuchen, wird in der ersten Liga aber keine großen Chance auf nachhaltige Einsatzzeiten haben. Demnach ist eine Leihe durchaus wahrscheinlich. Der Vertrag von Baris Ekincier läuft noch über ein Jahr, dennoch hat auch er keine Chancen auf Einsätze und ein Abgang wäre für beide Seiten am sinnvollsten.
Ersatz für die möglichen Abgänge und ein Paradebeispiel für den Spielertypen, den Thomas Reis auf der offensiven Außenbahn bevorzugt ist Christopher Antwi-Adjei. Unsere Neuverpflichtung vom SC Paderborn ist schnell und liebt es, konsequent das Tor zu attackieren. Technisch ist Antwi-Adjei nicht unbedingt ein Feingeist und einige Ballverluste sind wahrscheinlich. Wichtig ist jedoch, dass der gebürtige Hagener ebenso wie Holtmann und Blum mit Tempo den Konter laufen und die Zuspiele von Robert Zulj gewinnbringend verarbeiten kann. In der vergangenen Saison traf Antwi-Adjei in 31 Spielen vier Mal und kam somit auf die identische Anzahl an Treffern wie Holtmann und Blum.
Offensives Mittelfeld: Kreativität statt Geld aus den Emiraten
Im Zentrum spielte Robert Zulj eine absolut herausragende Saison und könnte uns das geben, was zuletzt Zvjdezdan Misimovic in Bochum vollbrachte: Die Symbiose aus Spielfreude, Torgefährlichkeit, Kreativität und daraus resultierend das besondere Etwas. Unter anderem 15 Tore und 13 Assists belegen, dass Zulj in dieser Saison statistisch der beste Bochumer war. Mit einer Wertung von 7,67 war Zulj damit zugleich der notenbeste Spieler der gesamten 2. Bundesliga bei whoscored.com. Diese besonderen Momente wird unsere Mannschaft vor allem in der ersten Liga benötigen, wenn es darum geht, aus Ballgewinnen die schnellen Spieler in Position zu bringen und den Gegner unsortiert zu erwischen. Ein Mittel, welches in dieser Saison vorzüglich klappte. Neuerliche Gerüchte um einen Abgang zu einem zahlungskräftigen Verein aus den Emiraten treiben bei manchem VfL-Fan natürlich Sorgenfalten auf die Stirn. Es wird von einer niedrigen Ausstiegsklausel von 350.000 Euro berichtet. Eine Summe, die natürlich Interessenten auf den Plan ruft und mit der Sebastian Schindzielorz sehr kreativ werden muss, um einen adäquaten Ersatz zu finden. Vermutlich würde ein Abgang mit einem Systemwechsel einhergehen.
Hinter Zulj stand mit Thomas Eisfeld unser bisheriger Maestro im Schatten. Eisfeld konnte in dieser Saison erneut einige Glanzlichter setzen, sich jedoch erneut nicht nachhaltig durchsetzen. In 22 Spielen konnte er zwei Tore und vier Vorlagen zum Aufstieg beisteuern und agierte zeitweise aus einer tieferen Position heraus, aus der er mit seinem Passspiel das Spiel besser greifen und lenken konnte. Der Transfer in der Bundesliga wird ungleich schwerer, da Eisfeld körperlich vermutlich zu leicht für das zentrale Mittelfeld sein wird und der Test in der zweiten Liga ihn dahingehend nicht gestärkt hat. Der auslaufende Vertrag wird vermutlich nicht verlängert und Eisfeld kann sich anderenorts beweisen.
Sturm: Variabilität und diverse Spielertypen
Endlich als Mittelstürmer eingesetzt, zeigt Simon Zoller, dass er als pressender Stürmer für den Gegner äußerst unangenehm ist. Seine 15 Tore und 10 Vorlagen in 32 Spielen sind herausragend und ein großer Baustein für den Aufstieg. Die Werte zu wiederholen wird in der ersten Liga ungemein schwer, jedoch hat Zoller genug Erfahrung und die passenden Fähigkeiten, um mit seiner Dynamik und Geradlinigkeit auch in Liga 1 für uns Torgefahr zu entwickeln. Seine Variabilität könnte von Vorteil sein, sollte Reis taktisch anders planen oder ein weiterer Stürmer zum VfL hinzukommen. Selbst in einem Zwei-Mann-Sturm oder erneut als Rechtsaußen ist Zoller in der Bundesliga bedenkenlos einsetzbar, wenngleich er als Einzelkämpfer in vorderster Front am wertvollsten erscheint.
Seine tolle Saison 2019/2020 konnte Silvère Ganvoula nicht bestätigen. Im Gegensatz zu Zoller ist Ganvoula eine gute Option, um mit körperlicher Präsenz im Sturm aufzuwarten. Durch seine Robustheit, Schnelligkeit und den damals vorhandenen Torriecher, wäre Ganvoula in der Bundesliga ein fantastischer Mittelstürmer für den VfL. Wäre, denn gezeigt hat er sich nach Einwechslungen zuletzt zumeist extrem glücklos und wirkte häufig frustriert ob der vergebenen Chancen. Ob unser Kongolese daher über den Sommer hinaus noch beim VfL spielen wird, bleibt abzuwarten. Für den Teamgeist könnte ein frustrierter Ganvoula in der kommenden Saison im Abstiegskampf belastend sein. Wahrscheinlich ist man für eine entsprechende Ablöse durchaus gesprächsbereit.
Soma Novothny hat in seiner jungen Karriere bereits viele Stationen erlebt. In dieser Saison konnte sich unser Ungar in 14 Spielen präsentieren. Eines seiner zwei Tore gelang ihm beim Startelfdebüt gegen Würzburg. Leider zeigte er in den darauffolgenden Einwechslungen nicht mehr viel Potential, so dass ein vorzeitiges Ende oder eine Leihe nicht verwunderlich wären.
Luis Hartwig ist ebenso wie unsere anderen Jungspunde ein Kandidat für eine Leihe. Vermutlich jedoch erst in der Rückrunde, um ihm vorab durch stetiges Training im Profikader mehr Rüstzeug auf den Weg zu geben und seine Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken.
In welchen Grundformationen wird der VfL voraussichtlich agieren?
Thomas Reis setzt auf Kompaktheit im Zentrum und Geradlinigkeit im letzten Drittel. Zuvor darf der Spielaufbau variabel über die Außenverteidiger oder das Zentrum erfolgen. Gerne trifft man den Gegner nach gewonnenen Bällen mit schnellen raumgreifenden Bällen im Konter.
Die Grundordnung des 4-2-3-1 wird voraussichtlich auch in der kommenden Saison die Basis darstellen. Riemann im Tor, Leitsch und Bella-Kotchap werden von Danilo Soares und Cristian Gamboa flankiert. Tesche agiert als tiefer Spielmacher hinter Losilla als ballerobernder Spieler und Zulj als Freigeist. Holtmann und Blum sind die geradlinigen Außenstürmer, die mit Tempo versuchen, hinter die gegnerische Abwehrreihe zu kommen. Zoller presst den Gegner im Spielaufbau an und agiert als variabler Stürmer, um nicht ausrechenbar zu sein und aus verschiedenen Positionen zum Abschluss zu kommen.
Eine Abwandlung zum 4-4-2 mit Zulj als zweiter, freier Spitze oder zweiten, konterstarken Stürmer wie Antwi-Adjei sowie defensivorientierteren Außenbahnspielern (Holtmann und Bockhorn) könnte gegen spielerisch überlegende Gegner ein probates Mittel darstellen.
Bei einem Abgang von Robert Zulj, wäre es denkbar, dass eine Umstellung auf ein 4-3-3 Sinn ergibt, um mit zwei dynamischen Achtern vor Tesche die Räume zu schließen und im Angriff mit zwei klassischen Flügelstürmern und Zoller überfallartig und geradlinig zum Tor zu gelangen. Diese Achter, neben Losilla, müssten dann jedoch noch verpflichtet werden.
Eine Abwandlung der Grundordnung ist aus taktischer Sicht ebenfalls sehr spannend. Mit den vorhandenen Spielertypen könnte ein 3-5-2 durchaus Variabilität und Überraschungsmomente schaffen. Leitsch und Bella-Kotchap als dynamische und zweikampfstarke Verteidiger im offenen Feld können mit einem weiteren dynamischen Spielertypen durchaus große Räume verteidigen, so dass Danilo Soares offensiver agieren könnte. Herbert Bockhorn als Rechtsverteidiger verspricht mehr Offensivdrang als Gamboa. Tesche und Losilla decken wie gewohnt das Zentrum ab, während Zulj in die Räume stößt, die ein abkippender Holtmann bietet.
Die neutrale Sicht auf den Kader – Exklusive Übersicht der GSN Indizes
Für eine externe Sicht haben wir bei unseren Kollegen vom Global Soccer Network (GSN) nach der Kadereinschätzung gefragt. Deren GSN Index fasst die Stärke eines Spielers über 4 Säulen zusammen.
Also generell ist es so, dass der GSN-Index auf vier Säulen basiert. Die erste Säule ist der klassische Scouting-Part, quasi als Basis. Dabei werden die Fußballer von Scouts in 130 Kategorien bewertet […] Dann haben wir als zweite Säule den Performance-Score, zu allem was auf dem Spielfeld passiert. Jeder gespielte Pass, jeder Torschuss, zig andere andere Spielereignisse sowie die neueren Metriken wie expected Goals und expected Assists fließen dabei ein. Dabei werden die Aktionen in den Kontext gesetzt und positionsbezogen angepasst, da du natürlich als Innenverteidiger andere Anforderungen hast als als Stürmer. Die dritte Säule ist das Spielniveau, bei dem wir uns aus dem Schach das ELO-Rating abgeschaut haben, um die individuelle Stärke einzelner Wettbewerbe und Mannschaften zu quantifizieren. Das bedeutet, dass jede Mannschaft einen Zahlenwert hat, die ihre aktuelle Stärke repräsentiert. Das gleiche gilt für eine Liga. Je höher das Spielniveau des Teams und der Liga des Spieler, desto höher der Index. Die vierte Säule ist das spielerische Potenzial, also wo kann sich ein Spieler hin entwickeln. Dazu haben wir einen Algorithmus, der die bestmögliche Entwicklung vorhersagen soll.
Dustin Böttger, CEO von GSN in unserem Interview
Die Übersicht der aktuellen sowie möglichen GSN Indizes zeigt die folgende Tabelle:
Die Tabelle wurde in unserer Redaktion sehr kontrovers diskutiert. Zeichnet sie doch ein anderes Bild der Stärken der Spieler als unsere und die breite öffentliche Wahrnehmung. Silvère Ganvoula vor Simon Zoller, Saulo Decarli vor Maxim Leitsch, Thomas Eisfeld vor Robert Tesche und Milos Pantovic vor Gerrit Holtmann, Danny Blum und Herbert Bockhorn haben wohl die wenigsten gesehen. Es zeigt aber auch wie das aktuelle Spielsystem des VfL, dass auf einen ruhigen Aufbau (Tesche) mit Tempoverschärfungen über die Flügel (Holtmann, Blum, Bockhorn) sowie ein intensives Pressing (Losilla, Zoller) setzt, bestimmte Stärken betont, während es andere Stärken verdeckt (z.B. Ganvoulas Physis oder Eisfelds Spielorganisation in kleineren Räumen) bzw. bestimmte Schwächen wie Tempodefizite hervorhebt.
Nichtsdestotrotz kann der GSN Index helfen, bestimmte Spieler erneut zu reflektieren. Silvère Ganvoula kann als Stoßstürmer vor zwei engen Flügelspielern perfekt eingebunden werden, wenn man ihn erneut motiviert bekommt. Dazu sollten allein die Sichtbarkeit in der ersten Liga und die Namen der Gegner beitragen. Saulo Decarli und Thomas Eisfeld haben bereits auf hohem Niveau (Brügge, Arsenal London) gespielt und könnten einspringen, wenn die Jungen mal eine Pause brauchen. Erhan Masovic hat sehr großes Potenzial, das weiterentwickelt werden sollte.
GSN kann mithilfe von Algorithmen aus historischen Daten auch die optimale Startelf sowie die zugehörigen Formation berechnen. Dabei werden die GSN Indizes mit Informationen zur Interaktion von Spielern (z.B. Pässe und temporäre Positionswechsel) angereichert. Die beste Formation für den Zweitligakader wäre laut GSN das folgende 4-2-3-1: Riemann – Soares, Leitsch, Bella-Kotchap, Gamboa – Tesche, Losilla – Holtmann, Zulj, Pantovic – Ganvoula. Auch hier finden sich kontroverse Personalien, bis auf Pantovic und Ganvoula ist diese Elf jedoch die Stammelf der letzten Saison. Mit Pantovic hätte Ganvoula jemand, der einrückt und seine Ablagen aufnimmt, wodurch in der Tiefe Räume für Holtmanns Sprints entstehen. Einen Versuch wäre diese Elf, auch aufgrund Pantovics Defensivstärke, in der ersten Liga sicher wert.
Welche Art von Neuzugängen benötigt der VfL Bochum?
Thomas Reis wird weiterhin den Ball haben wollen und benötigt dafür passsichere Spieler. Die Spielertypen sollten bestenfalls dynamisch und flexibel sein, um verschiedene Positionen im Notfall ausfüllen zu können und somit die Kadergröße zu begrenzen und das Budget nicht unnötig zu belasten.
Im Tor gilt es, einen geeigneten Vertreter für Manuel Riemann zu finden. Vermutlich wird sich auf dem Transfermarkt ein ablösefreier Kandidate finden.
Davor gilt es, einen weiteren Innenverteidiger zu finden, der Leitsch oder Bella-Kotchap vertreten kann. Decarli und Lampropoulos geht zuweilen die Dynamik und Schnelligkeit ab, so dass ein neuer Innenverteidiger diese Attribute verkörpern sollte. Darüber hinaus wäre es enorm hilfreich, wenn dieser Innenverteidiger als Backup für Danilo Soares agieren könnte. Im Notfall kann auch Leitsch dies spielen, hat dies in den bisherigen Auftritten jedoch eher defensiv interpretiert. Der neue Mann sollte daher mehr Offensivdrang als Leitsch verkörpern, wenn er links hinten agiert. Passenderweise sind zuletzt Gerüchte um Anthony Jung aufgekommen, der in den vergangenen Jahren sowohl als Linksverteidiger und linker Schienenspieler, zuletzt aber vor allem als linker Innenverteidiger in einer Dreierkette beim dänischen Meister Bröndby IF gespielt hat.
Natürlich wäre alternativ ein beidseitig einsetzbarer Außenverteidiger oder gar Flügelverteidiger ein Mosaiksteinchen, um dem Trainerteam eine Option mehr an die Hand zu geben. Mit einer Verpflichtung von Jung könnte man die Lücke jedoch geschickt schließen. Die Flexibilität des Spielers erlaubt es, das Budget nicht unnötig zu belasten und dennoch zwei Positionen mit einem Spielertypen zu verstärken.
Im zentralen Mittelfeld bedarf es, für die erste Liga Qualität zu holen. Es ist das Herzstück des Bochumer Spiels, in dem die Angriffe beschleunigt und die Bälle gewonnen werden. Tesche und Losilla blicken auf eine starke Saison zurück, sie werden aber keine 34 Spiele in der Bundesliga ohne Formschwankungen agieren. Dafür ist die Aufgabe zu kräftezehrend und es wird durchaus auch die ein oder andere gelbe Karte mehr zu erwarten sein, um Tempodefizite mit einem taktischen Foul auszugleichen. Demnach sollte ein robuster und spielstarker Mann Vorrang haben, um Tesche adäquat ersetzen zu können. Darüber hinaus wäre ein spielstärkerer und dynamischerer Antreiber sinnvoll, um dem Spiel mehr Facetten zu geben. Zieht man den Vergleich mit Arminia Bielefeld, so hat der Club aus Ostwestfalen sein funktionierendes Herzstück um Arne Maier sinnvoll erweitert. Ähnliches ist absolut notwendig für den VfL, um in Liga 1 bestehen zu können.
Die gehandelten Janik Haberer und Eduard Löwen würden dem VfL dahingehend Qualität in Spitze und Breite verleihen. Beide Spieler sind Randfiguren in ihren jetzigen Vereinen, hatten zuvor jedoch ihre Qualität bereits unter Beweis gestellt. Sollten diese per Leihe oder preislich machbar sein, sind das wunderbare Optionen, um zwischen den beiden Strafräumen mit Dynamik und einer gesunden Aggressivität zu agieren. Haberer wäre, im Gegensatz zu Löwen, passsicherer und kreativer.
Zusätzlich zu dem bereits verpflichteten Christopher Antwi-Adjei ist ein weiterer Flügelstürmer durchaus sinnvoll. Der neue Mann bietet durch seine technischen Fertigkeiten bestenfalls eine weitere Option, um die Statik des Spiels mit einem Wechsel ändern zu können. Qualitativ dürfte ein Upgrade gegenüber Tom Weilandt und Milos Pantovic jedoch notwendig sein.
Die Planung im Angriff sieht vermutlich Simon Zoller als pressenden Stürmer vor. Da dieser jedoch auch auf die Flügel wechseln kann, wäre ein weiterer Angreifer notwendig, der mit Athletik und Robustheit das Tor attackieren kann. Mit Christopher Antwi-Adjei könnte man diese Art Spieler eventuell schon geholt haben, so dass ein neuer Stürmer eher den Typus Zielspieler verkörpern könnte. Es steht und fällt mit der Entscheidung, ob Silvère Ganvoula im Verein verbleibt oder sich verändern möchte.
In Summe wären dies ein variabler Abwehrspieler, zwei zentrale Mittefeldspieler, ein Flügelspieler sowie ein Angreifer. Mit diesen Transfers muss sowohl die Breite als auch die Qualität im Kader erhöht werden, um die eingespielte Mannschaft sinnvoll zu ergänzen. Laut WAZ plant man mit vier bis sechs Neuzugängen. Die Vermutung liegt nahe, dass einige diese Neuzugänge in diesem Jahr früh beim VfL eintreffen werden, um die Integration schnellstmöglich abgeschlossen zu haben. Bei weiteren Verstärkungen möchte der VfL abwarten, welche Spieler gegebenfalls noch abgegeben werden könnten, um mehr Spielraum zu schaffen. Sollten sich spät im Transferfenster Möglichkeiten auftun, wird man beim VfL immer ein offenes Ohr dafür haben. Laut Schindzielorz will man sich hierfür noch Spielraum für den Juli und den August offen halten.
„Wir werden fit sein!“ – Thomas Reis gegenüber der WAZ
Die Neuzugänge werden eins definitiv sein: Lauf- und spielfreudig. Mit dieser Kombination kann man auch in der Bundesliga mit geringen Mitteln einen großen Effekt erzielen und konkurrenzfähig sein. Dann kommt es darauf an, ob man von Sperren und Verletzungen verschont bleibt und diese ausgleichen kann sowie auf Formschwankungen ausreichend reagieren kann. Es steht also ein weiterer, arbeitsreicher Sommer für unseren Vorstand Sport bevor. Die Arbeit auf dem Rasen folgt. Bundesliga, der VfL ist wieder da!
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