Dankbarkeit für die kleinen Dinge

Sehnsuchtsort Ruhrstadion anne Castroper Straße. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)
Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Mit 2020 neigt sich ein Jahr dem Ende – ein Jahr in dem wir viele neue Perspektiven kennenlernen durften – oder eher mussten?

Die Treppen des Ruhrstadions wieder raufgehen und auf der Ost stehen können – was würde man heute dafür geben. Ja, es gab die Spiele im September, in denen man ein paar Tausend Leute ins Stadion lassen konnte – selbst dafür war man irgendwie dankbar, obwohl es wenig mit dem üblichen Stadionalltag zu tun hatte. Dankbarkeit für alltägliche Dinge – ein Gefühl, dass uns durch das Jahr 2020 begleitet hat. 

Irgendwann, hoffentlich ganz bald, stehen wir wieder gemeinsam auf der Ostkurve. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Unser VfL als inoffizieller Meister

Bei allen Widrigkeiten, die die Pandemie so mit sich brachte – sportlich hätte das Jahr 2020 für den VfL kaum besser laufen können. Waren die ersten Monate des Jahres bis zur Corona-Unterbrechung ein wahrer Krampf, zeigt der VfL danach ein völlig anderes Gesicht. Mit einer bis dato von dieser Mannschaft nicht gekannten Sicherheit und Präsenz auf dem Platz, entwickelte man sich zum Geisterspiele-Meister der Bundesliga. Stand man im Winter 2019/20 noch mit dem Rücken zur Wand, konnte man sich sich zum Saisonende hin einen Platz im oberen Mittelfeld sichern und mit überzeugenden Leistungen den Grundstein für die aktuellen Leistungen legen.  So kommt es nicht von ungefähr, dass unser VfL in der Jahrestabelle 2020 der zweiten Bundesliga mit 49 Punkten (14S – 7U – 8N)  und einem Torverhältnis von 45:31 auf Platz 1 steht.

Vorsichtiger Optimismus

Man ist vorsichtig geworden in unserer Stadt, was Prognosen angeht. Gerade, wenn es um den den ganz großen Wurf, nach 10 Jahren endlich wieder ins Oberhaus aufzusteigen, geht. Zu groß waren die Enttäuschungen in den letzten Jahren nach halbwegs guten Leistungen. Doch irgendwie ist es diesmal anders – kaum einer träumt wirklich, sicherlich auch bedingt durch eine Rationalität und einen gewissen Abstand, der sich zwangsläufig durch Corona und die fehlenden Stadionbesuche aufgebaut hat. Doch ein wohliger, wenn auch zurückhaltender, Optimismus breitet sich mehr und mehr aus. 

Thomas Reis gibt die richtige Richtung vor. Foto: David Matthäus Fotografie

Kontinuität in einer unvorhersehbaren Zeit

Passend dazu auch die Entwicklung auf dem Trainerstuhl. Tat man sich anfänglich schwer und war die Stimmung im Umfeld bzgl. Thomas Reis sehr gespalten – die typische Ungeduld, dass mit einem neuen Trainer doch alles schlagartig besser werden muss tat ihr übrigens – zeigt unser Coach immer mehr, dass er ein wahrer Glücksgriff für den VfL geworden ist. Seit Gertjan Verbeek gelang es keinem Trainer mehr in Bochum eine Mannschaft auf den Platz zu stellen, die eine derart deutliche Handschrift in ihrer Spielweise trug. Nüchterne Interviews, klare Aussagen auch in schwierigen Situationen, wenig nachtragend und allen Anschein nach eine große Akzeptanz innerhalb der Mannschaft runden das Gesamtbild ab, dass sich deutlich in den Ergebnissen auf dem Platz widerspiegelt. Wenn es einen Kritikpunkt an Thomas Reis gibt, dann dass die Wechseln des Öfteren für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar sind. Und trotzdem – es passt einfach zwischen dem VfL und Thomas Reis. Man kann nur hoffen, dass der VfL es schafft, sich auf eine längere Zusammenarbeit mit unserem Coach zu einigen. 

Lasst uns auch im neuen Jahr die Fahnen wehen lassen – unsere Jungs haben es mehr als verdient! Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

„Der Trainer ist unser Kapitän.“ – Danny Blum

Dass der VfL mit seinem Weiterkommen im DFB-Pokal das Jahr dermaßen dramatisch, spannend und irgendwie einfach grandios abschließt, passt ins Bild. Zu Hause vor dem Fernseher schreien, auf dem Sofa rumhüpfen und danach nicht wirklich einschlafen können, weil der Puls immer noch irgendwo im Nirgendwo ist. Wer hätte das mitten in der Corona-Pandemie erwartet? Jetzt mögen einige sagen „Es ist doch nur Fußball“ – doch da sind wir wieder am Anfang. Wenn uns 2020 eines ganz klar gelehrt hat, dann, dass eben nichts selbstverständlich ist. Und wie wertvoll so ein Abend voller positiver Emotionen für jeden Einzelnen ist, mag man kaum zu beschreiben. Dankbarkeit für diese kleinen Dinge. Danke für ein Lächeln zum Jahresabschluss an die Mannschaft.

In diesem Sinne einen guten Rutsch in das neue Jahr – bleibt gesund – und uns allen vielen Stadionbesuche im neuen Jahr!

Das einsachtvieracht-Team

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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