Torschau: Wie verliere ich zwei Punkte in zwei Minuten?

Kreation: Patrick Schneider // Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Zum ersten Mal in dieser Spielzeit trat der VfL Bochum 1848 im heimischen Ruhrstadion an. Dort empfing er direkt den letztverbliebenden Gegner aus Nordrhein-Westfalen – DSC Arminia Bielefeld. Nach der Niederlage im ersten Saisonspiel sollten drei Punkte her, um keinen Fehlstart hinzulegen. Wie man in zwei Minuten zwei dieser Punkte verloren hat, schauen wir uns jetzt gemeinsam in der heutigen Ausgabe der Torschau an.

0:1, Andreas Voglsammer (54.)

Torwart Stefan Ortega ist im Ballbesitz und die Bochumer Offensivreihe ist nahe am gegnerischen Sechzehner postiert, sodass sich Vitaly Janelt dazu entschließt, den Torwart von links anzulaufen. Damit lenkt er das Spiel auf die eigene rechte Seite. Ortega spielt den Ball nämlich weit auf den leicht zurückfallenden Voglsammer, wodurch Jordi Osei-Tutu aus der Abwehrreihe herausrückt. Der Bielefelder Außenstürmer legt den Ball auf den nachgerückten Linksverteidiger Hartherz ab und sprintet wieder in Richtung Bochumer Tor und zieht seinen Gegenspieler mit sich. Hartherz kann nun ungehindert mehrere Meter überbrücken. Hier kommt das Problem der fehlenden Kompaktheit zu tragen. Im Mittelfeld entsteht einfach jede Menge Raum, wenn die Offensivreihe am gegnerischen Sechzehner und die Abwehrkette hinter der Mittellinie anzufinden ist. Vielleicht hätte Tutu, indem er Hartherz anläuft, einen Pass provozieren können, um im Anschluss mit seiner Schnelligkeit von hinten Druck auf Voglsammer auszuüben. So hätte man einen Spieler dem Angriff entnommen und aus dem 6 gegen 5 sogar eine 6 gegen 4 Überzahl gemacht. Eine solche Aktion ist jedoch ausschließlich mit seiner Schnelligkeit eine mögliche Option.

Nachdem Hartherz bereits 10m in der Bochumer Hälfte ist rückt der junge Rechtsverteidiger doch ein wenig auf ihn zu, wodurch in letzter Linie ein 3 gegen 3 entsteht. Der perfekte Augenblick für den Pass in die Spitze. In die Schnittstelle zwischen den Innenverteidigern ist Mittelfeldmann Edmundsson vorgerückt, der sich durch die tiefe Positionierung von Simon Lorenz bereits näher zum Tor befindet als Armel Bella-Kotchap. Nach Edmundssons Pass in den Rückraum auf den nachgerückten Cebio Soukou muss Bielefeld lediglich eine 3 gegen 2 Überzahlsituation im Bochumer Strafraum erfolgreich abschließen.

0:2, Fabian Klos (56.)

Diesmal ist es Sebastian Maier, der aus der vorrückenden Bochumer Offensivreihe Druck auf Ortega ausüben möchte. Der Torwart reagiert erneut mit einem langen Ball auf Voglsammer. In letzter Linie befindet die Abwehr des VfL sich ebenfalls wieder in Gleichzahl mit Bielefelds Angreifern (3 gegen 3) und Voglsammer hat klare Vorteile bei hohen Bällen gegenüber Tutu. Als erstes realisiert den Vorteil Fabian Klos, der im Rücken von Lorenz früher als der Bochumer Verteidiger Tempo aufnehmen und so an ihm vorbeiziehen kann, um die Voglsammers Kopfballverlängerung zu erreichen. Allein vor dem Tor vollendet der Stürmer der Arminia mit einem Schuss ins lange Eck.

1:2, Danny Blum (74.)

Elfmeter.

2:2, Silvere Ganvoula (79.)

Eine Balleroberung nach einem Bielefelder Einwurf ermöglicht es dem VfL auf die Abwehr der Arminia zulaufen zu können, nachdem der Gegner bereits ein Stück aufgerückt war. Der Pass von Simon Zoller auf Silvere Ganvoula überspielt nochmal drei weitere Spieler der Arminia und diesmal ist es der VfL mit einer 2 gegen 2 Situation in der letzten Linie. Ganvoula, der im Rücken seines Gegenspielers stand, dribbelt entgegen dessen Drehbewegung und erlangt so den nötigen zeitlichen Vorsprung für seinen Abschluss.

3:2, Simon Zoller (85.)

Ein Dribbling von Soares durch den linken Halbraum zieht vier Bielefelder auf sich, die zwar in Überzahl sind, jedoch keinen Zugriff auf den Bochumer Linksverteidiger haben. Er steckt auf den von der linken Außenbahn starteten Ganvoula durch, der den Ball am herausrückenden Innenverteidiger vorbei legen kann. In Nähe des Fünfmeterraums legt er auf Simon Zoller quer, welcher nur noch den Fuß hinhalten muss.

3:3, Anthony Losilla (Eigentor, 90.)

 

Der VfL ist vorgerückt und erwartet zusammen mit den Bielefeldern einen weiten Schlag von Manuel Riemann. Der Ball kommt jedoch auf gleiche Art postwendend zurück. Die Arminia hat zuvor geschickt über zwei Stationen den Ball vom linken Bochumer Halbraum in den rechten geschafft, wo mehr Raum vorzufinden war. Wer Raum hat, der hat Zeit einen kontrollierten Ball zu spielen. Der lange Pass erreicht den in die Tiefe startenden Pieper, welcher durch die erneut weitaus tiefere Positionierung von Simon Lorenz gegenüber seiner Abwehrkollegen frühzeitig in die Lücke zwischen den Innenverteidigern starten konnte. Die Bochumer Hintermannschaft kann von nun an nicht mehr vom Tor weg verteidigen, sondern nur noch nachrücken. In solchen Situationen haben die Angreifer einen Dynamikvorteil, der letzten Endes Anthony Losilla zum Verhängnis wird.

Nachruf: Die Bielefelder erwarteten den Ball bereits tief in der eigenen Hälfte. Zukünftig wäre es eine Überlegung wert, den Erwartungen nicht zu entsprechen und den Ball kurz auf einen Verteidiger zu spielen, anstatt des langen Schlages. So ließe sich in einer deutlichen Überzahl viel mehr Zeit von der Uhr nehmen.

Auch Analysen bieten einen Interpretationsspielraum. Ihr bewertet eine Szene anders? Teilt mir eure Meinung gerne über die Kommentarfunktion mit. Bis zur hoffentlich mit Bochumer Toren vollgepackten nächsten Woche!

Autor: Janik Aschenbrenner

In meinem Freundeskreis dreht sich alles um die Blau-Weißen, für die ich in meiner Jugend selbst die Schuhe schnüren durfte - so kommt es, dass der VfL auch mich nicht los lässt. Durch meine Affinität zur Spielanalyse und Trainingslehre bin ich ansonsten bei Konzeptfußball zu finden. Fußball ist für mich eine Kunstform, die ich mitgestalten möchte.
Twitter: @Janik_Asc / janik.aschenbrenner@einsachtvieracht.de

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