Von Schmerz und Freude

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)
Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Das Kalenderjahr 2018 neigt sich dem Ende. Ein Jahr, in dem es kaum mehr Höhen und Tiefen für einen Fan des VfL Bochum hätte geben können.

Exakt vor einem Jahr waren wir alle ratlos und besorgt. Was passiert da gerade bei unserem VfL? Finanzvorstand Wilken Engelbracht und zwei Mitglieder des Aufsichtsrates hatten überraschend zwei Tage vor Weihnachten das Handtuch geworden, die Anhängerschaft war wegen der Ausgliederung gespalten und Christian Hochstätter war für viele Fans nicht mehr tragbar. Wäre das ganze Chaos in Umfeld und Führungsetage nicht schon genug, stand unser Verein auch sportlich mit dem Rücken zur Wand. Dazu kam ein Trainer auf der Bank, der kein bisschen Überzeugung ausstrahlte oder Aufbruchstimmung erzeugte, sondern zu allem Trotz auch noch einen hässlichen und zugleich unerfolgreichen Fußball spielen ließ. 

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Als man dann mit drei Niederlagen gegen Duisburg, Bielefeld und Dresden aus der Winterpause startete drohte das Faß endgültig überzulaufen. Als Fan spürte man zu der Zeit Verzweiflung, Schmerz und eine gewisse Ohnmacht. Eine Ohnmacht, weil offensichtlich war und man als Fan fühlen konnte, dass es mit Jens Rasiejewski und Christian Hochstätter nicht mehr aufwärts gehen würde. Im Kopf haben zu der Zeit sicherlich nicht wenige schon den Gang in Liga drei durchgespielt. Auch wir.

Das Jahr 2018 beginnt für den VfL so richtig dann am 07.02.2018 um 21.03 Uhr mit einer Pressemitteilung. Einen Tag nach Hochstätters ominösen Aussagen auf einem Fan-Treff, dass der VfL ohne ihn nicht handlungsfähig sei, zieht der Aufsichtsrat die Reißleine und setzt ihn und Jens Rasiejewski für die Tür. Was am darauffolgenden Freitag gegen Darmstadt im Stadion los ist, ist kaum zu beschreiben. Eine Symbiose zwischen Fans und Mannschaft. Selbst als das Spiel nach dem Rückstand zu kippen droht, kommen keine Pfiffen von den Rängen. Rückblickend kann man mit Sicherheit sagen, dass der  2-1 Sieg gegen Darmstadt wohl einer der wichtigsten Dreier der letzten Jahre war.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Nicht wenige, auch wir, waren dann doch etwas überrascht, dass unser neuer Sportvorstand Sebastian Schindzielorz mit Robin Dutt einen Trainer vorstellte, von dem man nach seinen Funktionärsaufgaben als Fan annahm, dass er er nicht mehr auf einer Trainerbank Platznehmen wird. Letztendlich erwies Robin Dutt sich für unseren VfL als absoluter Glücksgriff. Trainer und Mannschaft brachten die turbulente Saison 2017/18 ruhig auf einem 6. Platz zu Ende. Das hätte auch absolut anders Enden können.

Auch die aktuelle Spielzeit läuft mehr als erfreulich. Wir spielen einen guten Ball, in der Mannschaft scheint es zu passen und der Anschluss nach oben ist da. Für den ganz großen Wurf dürfte es in diesem Jahr mit zwei absoluten Schwergewichten wie dem HSV und den Kölnern nicht reichen, aber vielleicht kann man ja doch noch ein Wörtchen um Platz 3 mitreden? Und falls nicht – jeder Platz weiter oben in der Tabelle beschert uns weiteres TV-Geld. Der VfL ist wieder wer und wird auch in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen – was letztendlich sicherlich auch einen Transfer von Simon Zoller ermöglicht hat. Wir sind gespannt, was diese Mannschaft im kommenden Jahr noch reißen kann! Wer hätte Anfang Februar gedacht, dass wir da stehen, wo wir jetzt sind? Wir nicht.

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Einen Wunsch haben wir dann allerdings doch noch. Es kommt bei uns in Bochum leider nicht selten vor, dass einige Fans in Extremen denken und Spieler sehr früh abschreiben oder nach schlechten Leistungen diffamieren. Natürlich darf man nach nach schlechten Leistungen kritisieren, aber einen Spieler beispielsweise als „Hüftsteifer als eine Mülltonne“ zu beschimpfen geht auf keine Kuhhaut. Einen Tom Weilandt hätten viele in diversen Foren vor der Saison am liebsten verschenkt – 7 Tore und 2 Vorlagen sind die Antwort – einen Patrick Fabian wollte auch keiner mehr in der Startelf sehen, weil er kein Zweitliga-Niveau hat. Und dann meldet er einen 22-Tore-Terrodde in bester Manier das ganze Spiel ab. Tut euch selbst den gefallen und tippt nicht alles in die Tasten, was man so in einem emotionalen Rausch nach einem Spiel im Kopf schwirren hat.

Einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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Bild: Pixabay, CC0 Creative Commons

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