Wir ham‘ die Schnauze voll!

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)
Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Was ist los bei unserem VfL? Nach den ersten zwei Spielen im Jahr 2018 bleibt einem fast die Spucke weg. Auf dem Platz eine Mannschaft, die völlig verunsichert ist und das Fußball spielen praktisch verlernt hat, ein Umfeld, dass sich seit Monaten gegenseitig zerfleischt, und noch viel schlimmer, in den handelnden Positionen Verantwortliche, die jegliche Krise leugnen und Unverständnis für die Fans zeigen. Mit welcher Selbstherrlichkeit sich ein Hans-Peter Villis bei Sky vor dem gestrigen Spiel hinstellt und ins Mikrofon sagt, er wäre im Oktober mit überwältigender Mehrheit entlastet worden und sehe aktuell gar keinen Anlass irgendwas zu ändern oder gar zurückzutreten.

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Herr Villis, niemand erwartet von Ihnen einen Hals-über-Kopf Rücktritt, aber genau diese Aussage sind es, die einem den Glauben nehmen, Sie hätten noch irgendeinen Bezug zur Basis. Der Laden ist kurz davor in die Luft zu fliegen, seit Oktober ist viel passiert. Butternudeln, Regionalexpress, Atalan, Bastians, Hochstätter und der Rücktritt von Engelbracht, um nur ein paar Punkte zu nennen. Mit solchen alibimäßigen Aussagen beruhigt man das Umfeld nicht, sondern heizt es weiter an. Im Handelsblatt bei einem Interview mag diese Art Gerede aus einer Medienschulung funktionieren, aber das hier ist der Ruhrpott, hier wird Klartext gesprochen. Vor allem in der Causa Hochstätter ist die Kommunikation des ganzen Vereins mehr als mangelhaft. Anstatt reinen Tisch zu machen, eiert man von Aussage zu Aussage. Eine Legendenbildung wird dadurch nicht nur begünstigt, sondern befeuert. Wieso wird nicht klar kommuniziert, warum Engelbracht und zwei Aufsichtsratmitglieder zurückgetreten sind?

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Dazu kommt die sportliche Situation, die derzeit brandgefährlich ist. Wir haben 23 Punkte, 17 brauchen wir noch für einen sicheren Klassenerhalt. Wo die herkommen sollen? Aktuell weiß ich es nicht. Ich sehe auch keine mindestens drei Mannschaften, die schlechter sind als wir. Die Installation von Rasiejweski war ein Fehler, das wird immer klarer. Seit Wochen herrscht Stagnation. Es sind zwar immer wieder Ideen zu erkennen. Diese scheinen allerdings alles andere als ausgereift und zu Ende gedacht. Einen Plan, wenn man dann doch in Rückstand gerät, erkennt man vorne und hinten nicht. Es gibt keine Struktur, an der sich die verunsicherte Mannschaft festhalten und klammern kann. Selbst tragende Säulen der Mannschaft spürt man die Verunsicherung an. Im Jugendfußball mögen die ganzen Experimente funktionieren, in der zweiten Liga, die so eng beieinander ist, werden nur kleinste Unstimmigkeiten aber brutal bestraft. Dazu bekommt man immer mehr das Gefühl, dass Rasiejewksi mit seinem Latein komplett am Ende ist. Es ist nicht zu bestreiten, dass sich unser Chef-Trainer Gedanken macht, jedoch verpuffen diese Spielideen meist sobald der Gegner seine Taktik adaptiert. Der Plan B endet meist in einem Wirrwarr auf dem Feld mit Aktionen, die einem Himmelfahrtskommando ähneln. Bei seinen Vorgängern, vor allem bei Verbeek, hatte man das Gefühl, dass die Mannschaft dort jederzeit agieren kann, einen Lösungsansatz an die Hand bekommt und eine Drangphase entwickeln kann. Bei Jens Rasiejewski kam dies dann, wenn es auf dem Feld von einzelnen Spielern initiiert wurde. Die Aussagen auf der Pressekonferenz nach dem gestrigen Spiel untermauern den Eindruck. Sicherlich mag es sein, dass sowohl Duisburg als auch Bielefeld anders gelaufen wären, wenn man die Chancen in den Anfangsphasen der Spiele genutzt hätte. Aber hätte hätte Fahrradkette – wir leben hier nicht im Konjunktiv, sondern in der tristen Realität. Und die heißt Abstiegskampf in Liga 2.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Zu guter Letzt die Mannschaft. Die Wutrede von Fabian nach dem Spiel sollte jedem, wirklich jedem Fan, zu Denken geben. Ja, das sind Profis, aber ausblenden kann so eine Scheiße, wie sie gerade bei uns im Verein läuft, niemand. Und die Spieler können am wenigsten dafür, was gerade im Management alles verbockt wird. Fabian hat absolut recht, wenn er sagt, dass es hier um den VfL Bochum geht und um nichts anderes. Bei aller Wut und allem Unverständnis für Rasiejewski, Hochstätter und Villis – Das ist immer noch UNSERE Mannschaft auf dem Platz! Es bringt niemanden etwas, wenn wir am Ende absteigen, niemanden. Die zweite Liga hört nicht auf zu spielen, nur, weil wir hier uns gegenseitig die Köppe einschlagen. Wenn wir am Ende absteigen und komplett in der Versenkung verschwinden, hat keiner gewonnen. Der Mannschaft dürfen wir nicht die Unterstützung entziehen. Wenn die Mannschaft spielt, muss der Protest 90 Minuten lang ruhen. Und von Schuld freisprechen kann sich am Ende kein Fan, der die Mannschaft durch Pfiffe immer weiter verunsichert hat. Man kann gegen die Leute oben wettern, aber bei allem Trubel im Umfeld, die Mannschaft braucht UNS ALLE!

Um es auf den Punkt zu bringen: Wir ham‘ die Schnauze voll. Wer hätte im Juni, als man den Aufstieg als Ziel ausgerufen hat, gedacht, dass man das in dieser Saison rufen wird?

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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