Die Vertragsverlängerung mit Jens Rasiejewski bereits zwei Wochen vor der Winterpause hat in den Foren die Wogen hochschlagen lassen. Auch in der einsachtvieracht-Redaktion gab es geteilte Meinungen. Wir lassen ausgewählte Autoren als Vertreter beider Parteien zu Wort kommen.
Die Situation braucht klare Verhältnisse, keine „lame duck“ (Tobias Wagner)
Die Verlängerung mit Jens Rasiejewski bis zur nächsten Saison war in der aktuellen Situation richtig. Im engen Mittelfeld der zweiten Liga können sechs Punkte aus den letzten zwei Spielen vor der Winterpause den Unterschied zwischen Platz 4 und Platz 16 ausmachen. Um für diese Spiele bestmöglich gewappnet zu sein, braucht es klare Verhältnisse. Einem Trainer, über dem das Damoklesschwert der baldigen Entlassung schwebt, fehlt die Autorität, das Maximum eines jeden Spielers einzufordern. Dies ist grad beim nicht nur mit Musterprofis bestücktem Kaders unseres VfL Bochum ein wichtiges Argument.
Doch auch sonst hat Jens Rasiejewski das Vertrauen verdient. Nach der übereilten Totalrenovierung von System und Ausrichtung durch Ismail Atalan setzte er wieder stärker auf das System und die Ideen von Verbeek und gab der Mannschaft Stabilität. Durch seine Zeit als Jugendkoordinator und Trainer der U19 kennt er die Spielphilosphie des VfL und ist eng mit dem Talentwerk verzahnt. Der Totalverlust der offensiven Durchschlagskraft gegen die Kellerkinder aus Kaiserslautern und Fürth hing stark mit dem Ausfall der Alleinunterhalter Kevin Stöger (Rotsperre) und Robbie Kruse (Verletzung, Länderspielstrapazen) zusammen. Mit den beiden fuhr unser VfL zuletzt zwei Siege ein.
Gegen Rasiejewski werden vor allem zwei Vorwürfe vorgebracht:
- Er gleicht einem Puzzlespieler, der willkürlich System und Ausrichtung von Spiel zu Spiel umwirft.
- Er ist farblos und langweilig.
Der erste Vorwurf ist jedoch nur bedingt richtig. Wie Verbeek setzt Rasiejewski auf ein asymmetrisches System, das nur bedingt in einer Zahlenfolge gefasst werden kann. Je nach Spielsituation und Aufstellung des Gegners kann es als 4-2-3-1/4-3-3, 4-4-2/4-1-3-2 oder 5-3-2/3-5-2 aufgefasst werden. Diesem System ist er in allem seinen Spielen treugeblieben. Die Verwirrung entstand auch, da die Sportseiten und -zeitungen diese Asymmetrie in ihren Standardgrafiken nicht abbilden können.
Auch die Aufstellung von Celozzi im Zentrum und Losilla in der Abwehr ist nicht neu. Beide Spieler wurden dort bereits eingesetzt und können diese Positionen ohne Probleme spielen. Mit Jan Gyamerah (Außenverteidiger) und Luke Hemmerich (Wingback, Flügelläufer) gibt es auf den Positionen Celozzis auch starke Alternativen. Viel mehr war Rasiejewski gezwungen, auf die Verletzungen/Sperren von Vitaly Janelt, Kevin Stöger, Tim Hoogland und Thomas Eisfeld in Mittelfeld und Abwehr zu reagieren. Nur die Nominierung von Danilo Soares als Zehner war im Nachhinein ein Reinfall, wobei der Brasilianer mit seiner Zweikampfreichweite und Technik durchaus ein interessantes Profil für diese Position aufweist.
Das zweite Argument würde ich gar ins Gegenteil umkehren. Im aktuellen Chaos tut dem VfL etwas Ruhe durchaus gut. Wir müssen nicht durch große Sprüche weiter auf uns aufmerksam machen. So lange er die Profis mit seiner Art erreicht, bin ich zufrieden. Seine Position gegenüber der Mannschaft wurde auf jeden Fall durch die Entscheidung gestärkt. So wie es aktuell aussieht, zahlt sich dies aus!
Der VfL lernt in der ,,Wie-Frage“ nicht aus seinen eigenen Fehlern (Timo Janisch)
Ich gebe Tobias in sportlicher Hinsicht größtenteils Recht. Rasiejewskis Bilanz liest sich tatsächlich besser, als sie sich anfühlt, was vor allem den Auftritten in Kaiserslautern und gegen Fürth geschuldet sein dürfte. Zwar bin ich der Meinung, dass der Mannschaft etwas mehr personelle Konstanz in den Spieltagsformationen gut tun würde, aber da hat man sich zuletzt in die richtige Richtung bewegt.
Kurzum: Dass man mit Jens Rasiejewski weiterarbeiten will, scheint mindestens nachvollziehbar und ist zum jetzigen Zeitpunkt definitiv kein klarer Fehler. Aber: wie man mit ihm verlängert hat, vor allem der Zeitpunkt der Entscheidung und Verkündung, erscheint mir nicht schlüssig.
Vielleicht ist das eine sehr persönliche Wahrnehmung der Dinge, aber warum stattet man einen Interimstrainer nach der ersten guten Leistung sofort mit einem festen Vertrag aus, obwohl man zuvor mehrere schwache Spiele am Stück abgeliefert hat? Schlüssige Argumente gibt es dafür kaum. Man möge argumentieren, um Sicherheit und Konstanz auszustrahlen und dies vor allem den Spielern vorzuleben. Doch nach den chaotischen Vorwochen- und Monaten müssen Fussballprofis mit dieser Ungewissheit auch zwei weitere Wochen leben können.
Stattdessen beraubt man sich selbst um 180 Minuten weiterer Evaluationszeit. Es gab keinerlei Notwendigkeit, die Entscheidung über die Trainerfrage vor Ende des 18. Spieltages zu fällen. Blöd gesagt: Wären beziehungsweise würden gegen Regensburg und St. Pauli zwei weitere Auftritte wie auf dem Betzenberg gefolgt beziehungsweise folgen, lösen sich die Argumente pro Rasiejewski in Luft auf. Einmal mehr, dass unsere sportliche Leitung unprofessionell wirkt – und wir sind genauso leid das zu schreiben, wie ihr es zu lesen.
Ebenfalls sauer aufgestoßen ist mir die Pressemitteilung zur entsprechenden Causa. Dort wird sinngemäß gesagt, dass sich die Mannschaft nicht nur defensiv (was nicht zu bestreiten ist), sondern auch offensiv stabilisiert hätte und eine klare Spielanlage erkennbar wäre. Also genau das, was man bis zum Union-Spiel nicht hat ausmachen können.
Es entsteht der Eindruck – Stichwort sehr persönliche Wahrnehmung – als würde man sich nach einer erfolgreichen Partie im Vorstand gegenseitig auf die Schultern klopfen und die gruseligen Auftritte ganz schnell vergessen. Die bei Rasiejewski gelobte sachliche und analytische Arbeit ist hier zumindest in der Außendarstellung nicht zu erkennen. Zudem: Erst vor wenigen Monaten hat man zu einem umstrittenen Zeitpunkt eine Trainerfrage beantwortet, der Ausgang ist bekannt. Aus diesem Fall wollte man eigentlich gelernt haben.
Was klingt wie eine kleine Hasstirade soll bitte nicht als eine solche verstanden werden. In sportlicher Hinsicht – und das ist grundsätzlich und gerade aktuell die Hauptsache – teile ich die von Tobias vorgebrachten Argumente. Die Kritik an der Art und Weise, wie die Dinge gelaufen sind, ist lediglich ergänzend zu verstehen. Und aus meiner Sicht doch nicht zu ignorieren.
Zu Beginn: Danke für die hier immer offenen Sichtweisen und Diskurse!
Ich muss beiden Autoren zustimmen, wenn auch mit etwas mehr inhaltlichen Sympathien für Timos Sichtweise. Tobias Argumente, wie Puzzlespieler und Farblosigkeit, sind glaube ich, mehr den Auftritten der Mannschaft in Kaiserslautern und gegen Fürth geschuldet. M. E. kann die Ursache hierfür nicht bei den genannten Ausfällen suchen, da man bei der Qualität und ebenfalls überall genannten Quantität des Kaders, durchaus Alternativen hat (zumal man auch erfolgreiche Nachwuchsarbeit betreibt). Stabilität in der Defensive gegen den Tabellenletzten (Kaiserslautern) und -vorletzen (Fürth) ist schön und gut, aber halte ich persönlich auch nicht für herausragend.
Wie mehrfach in diversen Publikationen zu lesen war, ist es eine Sache der Außendarstellung wie diese Verlängerung zustande gekommen ist, also Zeitpunkt und die angesprochene Begründung in der Pressemitteilung. Ich bin nach wie vor der Meinung, das die Leistungen der letzten Monate nur zu geringen Teilen von einem Trainer beeinflusst wurden, sondern mehr durch die „Geräusche“ der sportlichen Leitung. Ich bin mir fast sogar sicher, dass die objektiv schlechten Leistungen gegen die o. g. Mannschaften mit dem vorher beschäftigten „unerfahrenen“ Trainer auch nicht schlechter gewesen wären. Aber das ist müßig, stattdessen diskutieren wir, ob der Zeitpunkt der Vertragsverlängerung eines nicht mehr erfahrenen Trainers der richtige Zeitpunkt war. 🙂
Ich hoffe das wir, bei der Ausgeglichenheit der zweiten Bundesliga, nicht in einigen Wochen wieder über den Zeitpunkt einer Trainerentlassung/Verpflichtung diskutieren, sondern den Rest der Saison genießen können.