Auswärtssiege muss man sich erarbeiten

In einer Liga in der Jeder Jeden schlagen kann, bedarf es der richtigen Einstellung, um Siege zu erringen. Die gute Nachricht vorweg: Wir durften mit unseren Jungs den zweiten Saisonsieg feiern. Leider blieben auch nach dem Spiel in Darmstadt wieder einige Fragen, die uns leidgeprägten Fans vor allem in der ersten Halbzeit gestellt wurden.

In Darmstadt darf der Fußball noch Fußball sein

Das Merck-Stadion am Böllenfalltor lädt Gästefans geradezu ein! Tolle Parkmöglichkeiten an der Technischen Universität Darmstadt, nette Ordner und einen annehmbaren Fußmarsch quer über den Campus und durch einen Wald direkt zum Gästeeingang. Als die Tore um 12 Uhr öffneten, bot sich ein Einblick in die Kategorie „Nostalgie“. Keine gemauerten Toilettenanlagen, mobiler Bierstand und eine Tribüne, die Puristen schöner nicht finden können. Eine unüberdachte Gegengerade mit einem Stehbereich für Gäste, bei dem man wunderbar das gesamte Feld überblicken kann – und das aus jeder Perspektive! Hier muss man sich als Fan nicht wie ein Straftäter fühlen, der hinter Plexiglas eingesperrt wird. Das Unkraut wuchert noch auf der Tribüne und man ist dem Wetter ausgesetzt. Daher war es wichtig und gut, dass die Sonne schien! So wie es Alberto Colucci in seiner Fanhymne für die Lilien besingt! Bratwurst, Rindswurst oder Paprikawurst und ein Bier, welches unserem geliebten Fiege recht ähnlich schmeckt. Alles war angerichtet für einen tollen Fußballnachmittag in Hessen!

Die erste Halbzeit – Wie man nicht bei den Lilien auftritt

Grundformation in der ersten Halbzeit

Unser Chef-Trainer Ismail Atalan ließ unsere Jungs in einer 4-3-3 Grundordnung spielen, so wie es zuletzt gut geklappt hat. Felix Dornebusch durfte heute sein Bundesliga-Debüt feiern und vertrat Manuel Riemann im Tor. Alexander Merkel gab den Verbindungsspieler im Raum neben Sidney Sam, welcher heute sein Debüt für den VfL gab. Auffällig war die Abwehrkette, welche im Aufbauspiel asymmetrisch agierte und somit zu einer Dreierkette mit Bastians, Hoogland und Celozzi wurde, während Danilo Soares offensiver agierte, so dass Robbie Kruse als nach links hängende Spitze hinter Lukas Hinterseer spielen konnte. Sidney Sam hielt die rechte Außenbahn.

In der ersten Halbzeit hatte unsere Mannschaft erneut Probleme im Aufbauspiel. Die Pässe wurden zwar „gesehen“, jedoch nicht oder zu spät gespielt. Die fehlende Gedankenschnelligkeit im Passspiel führte dazu, dass Darmstadt gut verschieben konnte und die Räume eng hielt. Vor dem Spiel kann man gegen Darmstadt von drei Dingen ausgehen und das bereits seit Jahren und dem dritten Trainer: Die Mannschaft steht kompakt, agiert aggressiv gegen den Ball und ist bei Standards gefährlich. In der ersten Halbzeit spielten wir den Darmstädten in die Karten. Die Lilien fanden in die Zweikämpfe und hatten einige Ecken und Freistöße. Eine Ecke führte auch folgerichtig zum 1:0 durch Kapitän Aytac Sulu. Es sollte sich mittlerweile herum gesprochen haben, dass der Darmstädter Innenverteidiger seit Jahren der Fixpunkt bei Standards ist und einige Tore erzielen konnte. Warum Alexander Merkel hier als direkter Gegenspieler gegen Sulu beim Standard zum 1:0 steht, bleibt ein Rätsel. Kamavuaka blockte Merkel weg, wodurch Sulu einköpfen konnte. Bereits vor dem 1:0 hatte Mittelstürmer Artur Sobiech eine riesige Möglichkeit nach einem Standard, bei dem er komplett allein gelassen wurde und sich mit einer einfachen Körpertäuschung vom Gegenspieler löste.

Nach 30 Minuten passte Atalan das Pressing etwas an. Es gab durch Herausrücken der Mittelfeldspieler gegen den Ball fast durchgehend 4-4-2-Staffelungen, um im letzten Drittel mehr Druck aufbauen zu können. Fixiert wurde der Systemwechsel nach der Pause, als Diamantakos für Merkel den Platz betrat. Merkel blieb in Halbzeit eins wirkungslos und wirkte blass gegenüber Stöger, welcher heute wieder als ordnende Hand im Mittelfeld agierte und in Halbzeit zwei sogar neben Losilla spielte. Sidney Sam konnte einige Bälle gegen mehrere Gegenspieler behaupten und versuchte in die Tiefe zu kommen, ebenso wie Kruse – leider konnten unsere Außen zu selten durchbrechen. Lukas Hinterseer rieb sich in Zweikämpfen gegen Sulu und Höhn auf, konnte jedoch einige Bälle behaupten. Gut war Anthony Losilla, welcher erneut viele Bälle eroberte und die Räume vor der Abwehr eng hielt.

Die zweite Halbzeit als Fingerzeig für den Rest der Liga

Mit der Hereinnahme von Diamantakos änderte sich die Spieldynamik merklich. Der Grieche ging immer wieder in die Tiefe, wodurch auch Kruse mehr Platz erhielt und die Darmstädter mit unserer rochierenden Offensivabteilung immer mehr Probleme bekamen. Lukas Hinterseer konnte immer wieder auf den rechten Flügel ausweichen und Sam und Celozzi hatten mehr Platz, um gemeinsam durch Flanken oder Druckpässe in die Spitze einige gute Angriffe zu initiieren. Man merkte dem Spiel jetzt mehr und mehr an, dass die spielerische Klasse unserer Mannschaft stark am Selbstvertrauen hängt, denn nach dem 1:1 durch Dimitrios Diamantakos, welcher nach einem Eckball den Ball aus der Drehung unter die Latte drosch, konnten wir das Spiel dominieren und den Fußball zeigen, den wir alle so gerne sehen. Durch gute Kombinationen und sicheres Passspiel ließ unser Team die Darmstädter selten in Zweikämpfe kommen. Das 1:2 konnte Robbie Kruse nach einem tollen Angriff über die linke Seite erzielen, bei dem er sich gegen mehrere Darmstädter durchsetzte und nach einem Doppelpass mit Diamantakos im Sechzehner vor dem Ex-Bochumer Torhüter Heuer-Fernandes cool blieb. Nach der Führung erlaubte man Darmstadt noch einige Standards, welche hätten vermieden werden können und wodurch ein Ausgleich möglich gewesen wäre. Hier muss klüger verteidigt werden! Generell ist in der Umschaltbewegung defensiv noch Luft nach oben. Sicherlich sind Robbie Kruse und Sidney Sam als kreative Außenbahnspieler bekannt, jedoch trabte gerade Kruse in einigen Situationen zurück und ließ Soares mit zwei Gegenspielern im Rücken stehen. Ein systematisches Doppeln war nie zu erkennen. Bisher ist das Spiel gegen den Ball noch viel zu individuell geprägt.

Der Mann des Spiels bringt doppelten Grund zur Freude!

Eigentlich sollte hier der Name von Dimitrios Diamantakos stehen, welcher nach seiner Einwechslung das Spiel prägte und mit einem Tor und einer Vorlage drehte. Ausklammern möchte ich jedoch eine Aktion, welche oben im Spielverlauf fehlt: Der Elfmeterpfiff gegen Felix Bastians. Als sich Bastians in der 62. Minute zu einem seiner unnachahmlichen Läufe, mit Ball am Fuß in die Spitze, aufmachte, kam er nach einem Doppelpass zu Fall. Schiedsrichter Kempkes zeigte direkt auf den Punkt und der Gästeblock jubelte! Es bildete sich schnell eine Traube von Spielern und die Darmstädter waren aufgebracht über den Pfiff. Beim Stand von 1:0 war der Elfmeter hier zwangsläufig von enormer Wichtigkeit. Nach Rücksprache von Schiedsrichter Kempkes mit Felix Bastians nahm dieser den Elfmeter zurück. Ganz große Geste von Felix Bastians und toll, dass wir in Bochum für Fair Play stehen und dieser Gedanke über dem Spiel ragt! Ein Beispiel für viele junge und alte Amateur-Fußballer, die sich diesen Gedanken an das Fair Play hoffentlich zu Herzen nehmen. Auch Gästetrainer Torsten Frings fand lobende Worte für unseren Kapitän: „Ein Riesenkompliment an den Bochumer Spieler, der zugegeben hat, dass es kein Elfmeter war – das ist im Fußball sehr, sehr selten und da kann ich nur meinen Hut vor ziehen.“ (Quelle: VfL Bochum)

Felix Bastians dazu nach dem Spiel: „Das Bein kam raus, das reicht eigentlich auch um aus dem Tritt zu kommen, aber mein Gegenspieler hat mich nicht berührt. Der Schiedsrichter hat mich dann gefragt ob es eine Berührung gab. Wir als Verein haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir Respekt untereinander und füreinander leben wollen und deshalb habe ich ehrlich geantwortet. Ich bin einfach froh, dass Ehrlichkeit am Ende belohnt wurde und wir hier die drei Punkte geholt haben. Ansonsten hätte ich mir sicherlich von dem ein oder anderen etwas anhören dürfen. Dieser Sieg war definitiv sehr wichtig für uns. In der zweiten Halbzeit haben wir ein klasse Auswärtsspiel gemacht und Darmstadt komplett in die eigene Hälfte gedrängt. Das hatten wir uns für den ersten Durchgang schon vorgenommen, da ist uns da aber überhaupt nicht gelungen. Durch die Steigerung nach der Pause haben wir dann verdient gewonnen. Wir haben jetzt eine schwere englische Woche, in der wir viele Punkte machen können und auch wollen. Allerdings müssen wir uns weiter verbessern und noch mehr steigern.“ (Quelle: VfL Bochum)

Das Fazit zum Spiel

Wie so oft in dieser Saison mussten wir also erneut die zwei Gesichter des VfL Bochum ertragen. In Halbzeit eins wirkte es so, als wäre unsere Mannschaft überfordert. Sie war viel zu hektisch. In Halbzeit zwei kam man gut aus der Kabine und konnte den Fußball zeigen, den wir uns alle erhoffen und zu dem die Mannschaft zweifelsfrei in der Lage ist. Auf Dauer wird es jedoch zu kraftaufwändig, gerade in den anstehenden englischen Wochen, in jedem Spiel einen Rückstand hinterher zu laufen. Am kommenden Sonntag erwarten wir den FC Heidenheim an der Castroper Straße. Diese hängen derzeit in einem Formtief, werden von Trainer Frank Schmidt jedoch taktisch gut eingestellt werden und dürften unserem Team einiges abverlangen.

Wir Bochumer kommen natürlich stilecht in der Limousine zum Auswärtsspiel! VfL – Wir sind da! Jedes Spiel, ist doch klar! Zweite Liga, tut schon weh, scheiss egal! Bochum olé!

Autor: Sebastian Hettmann

Als ich zum ersten Mal bewusst im Ruhrstadion war, spielte der VfL Bochum in der Saison 2002/2003 gegen den Hamburger Sport Verein und ein direkt verwandelter Eckstoß sowie einige Anekdoten von meinem Großvater lassen mich seither den Rothosen die Daumen drücken. Ich kam allerdings nie wieder vom Ruhrstadion los und bin seitdem regelmäßig ins Ruhrstadion gegangen. Seit der Saison 2006/2007 fiebere ich als Dauerkarteninhaber im Block N2 bei Spielen unseres VfL mit.

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