Der „eingetragene Verein“ – ein Auslaufmodell im deutschen Profifußball?

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Zugegeben eine etwas reißerische Überschrift, der folgende Beitrag versucht hingegen zu erläutern, warum eine Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in naher Zukunft erforderlich werden könnte, oder besser: wird – und zwar ungeachtet der momentan diskutierten Anteilsveräußerung beim VfL Bochum. Dabei geht es mir nicht darum, ob ich eine derartige  Ausgliederung wünsche oder fähnchenschwenkend den Tag herbeisehne, an dem der VfL Bochum nicht mehr als e.V. am Ligabetrieb teilnimmt; es geht mir vielmehr darum, dass das bisherige Erfolgsmodell e.V. zukünftig (rechtlich) so nicht mehr möglich sein wird.

Ob Kuttenträger, Normalo, Ultra oder Althool: Alle sind Teil einer Gemeinschaft – und zwar zu gleichen Teilen. Das hat Charme und ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass das ein oder andere Vereinsmitglied die wöchentlichen Strapazen eines Heim- oder eines Auswärtsspiels auf sich nimmt. Man wird eins, man wird also Teil der Ostkurve (oder der Tribünen), ohne dass es auf belanglose Unterscheidungskriterien wie Herkunft, Geschlecht, „sozialem Status“ oder anderer belangloser Kleinigkeiten ankäme. Ich will ehrlich sein: Das ist vielleicht genau der Charme eines Zusammengehörigkeitsgefühl, der mich vor Jahren überhaupt zum Fußball, und speziell zu unserem VfL Bochum, gebracht hat.

Der eingetragene Verein – Was ist das?

Deutschland ist das Land der Vereine – nirgends in der Welt gibt es im Verhältnis zur Einwohnerzahl eine solche Masse an Vereinen. Man versammelt sich in Taubenzüchtervereinen, im „Klub der langen Menschen e.v.“, im „Zentralverband Naturdarm e.V.“ oder eben aber in unzähligen Sportvereinen wie dem VfL Bochum e.V. Das hat auch historische Gründe, war die Vereinsmeierei viel zu lange die einzige Möglichkeit in Deutschland, sich (insgeheim) politisch zu betätigen. Es hat aber (vor allem?) fiskalische Gründe, da der Gesetzgeber für den sog. Idealverein wie dem VfL Bochum zahlreiche Steuervergünstigungen bereithält.

Mit den Steuervergünstigungen ist dann auch der erste Knackpunkt angesprochen. Der Gesetzgeber gewährt eben jene Vergünstigungen nur dann, wenn diese Vereine  gemeinnützigen Zwecken dienen. Bildlich gesprochen: Wenn sich Menschen schon zusammenschließen, um in der Gemeinschaft ihren nicht-wirtschaftlichen Hobbys nachzugehen, dann soll der Fiskalstaat im Rahmen der Steuerveranlagung nicht genauso zuschlagen dürfen wie bei einem Unternehmen, das ausschließlich oder vorrangig wirtschaftlich tätig wird. Diese Gemeinnützigkeit oder aber eine andere Mildtätigkeit ist der einzige Grund, warum der Staat den Vereinen im Gegenzug Privilegien gewährt.

Der Profifußball im Visier der Finanzverwaltung

Bei einem eingetragenen Verein dreht sich also alles um die Gemeinnützigkeit. Nur wann liegt (noch) eine Gemeinnützigkeit vor und wann wird das Hobby, die Leidenschaft ‚Fußball‘, (schon) zu einer wirtschaftlichen Betätigung?

Eingetragene Vereine dürfen in einem gewissen Umfang auch wirtschaftlich tätig sein, eben wenn diese wirtschaftliche Tätigkeit dem ideellen Zweck dient. Tritt die wirtschaftliche Betätigung in den Vordergrund, so fehlen die Voraussetzungen für dieses sog. Nebenzweckprivileg. Bis jetzt – so hört man – hat die Finanzverwaltung immer mal wieder angedroht, den Vereinen den Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen, wenn der ideelle Zweck in den Hintergrund tritt. Bis jetzt ist es – jedenfalls im Profifußball – glücklicherweise nur bei der Drohung geblieben.

Das muss aber zukünftig nicht so bleiben. Und ganz ehrlich: die meisten Steuerrechtler gehen mittlerweile davon aus, dass es sehr bald es mit der Gemeinnützigkeit im Profifußball ein Ende hat. Übrigens: In anderen Sportarten wie dem Eishockey oder dem Handball hat man aus den vorgenannten Gründen schon längst die Profiabteilungen ausgegliedert. Lediglich bei Deutschlands heiliger Kuh, dem Fußball, haben die Finanzämter bisher beide Augen zugedrückt.

Ein prominentes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit scheint den Steuerexperten auch recht zu geben. Deutschlands größter Automobilclub wurde einst gegründet, um vorrangig Pannenhilfe zu leisten. Mit der Zeit ging der Verein aber immer mehr Tätigkeiten nach, die mit dem ursprünglich ideellen Zweck nichts mehr zu tun hatten. Es wurden Pauschalreisen, Ramschliteratur und Reiseversicherungen angeboten; ein Großteil der Einnahmen wurde durch die Angebote und nicht etwa durch die Mitgliedsbeiträge erwirtschaftet. Der Automobilclub konnte seine Gemeinnützigkeit erst in allerletzter Sekunde dadurch retten, dass er die wirtschaftlichen Betätigungen in eine gesonderte Gesellschaft ausgliederte. Wäre dies nicht erfolgt, der Verein wäre aus dem Vereinsregister mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gelöscht worden und hätte die zahlreichen Privilegien verloren.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Die rechtlichen und fiskalischen Folgen wären für den Verein evtl. desaströs: Es wäre im worst case möglich, rückwirkend für die letzten zehn Geschäftsjahre Steuernachzahlungen zu verlangen. Die Löschung aus dem Vereinsregister kann in ganz eng umgrenzten Ausnahmefällen sogar dazu führen, dass die Vereinsmitglieder für (zukünftige) Verbindlichkeiten des im Vereinsregister gelöschten Vereins haften; mittlerweile hat sich zwar durchgesetzt, dass dies nur in krassen Ausnahmefällen der Fall ist, eine gewisse Restbrisanz bleibt jedoch.

Zukünftig noch VfL Bochum e.V.?

Der Großteil der Profimannschaften in Liga 1 ist bereits ausgegliedert – die meisten übrigens aus den vorgenannten Gründen und eben nicht, weil man Investitionen Dritter anstrebt. Lediglich in Freiburg, in Mainz und in Herne-West wird auf das Vereinsmodell geschworen, wobei auch diese drei Vereine sich intensiv mit dem Erfordernis (nicht: der Möglichkeit) einer Ausgliederung auseinandersetzen.

Laut Satzung verfolgt der VfL Bochum „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke“; dies insbesondere „durch die Errichtung und den Betrieb von Sportanlagen sowie die Förderung und Durchführung sportlicher Übungen und Leistungen“.

Das ist irgendwie schräg – oder wer würde von sich behaupten, er sei Fan des VfL, weil der Verein Sportanlagen „anne Castroper“ unterhält und sportliche Übungen durchführt? Der VfL ist, wie jeder andere Profiverein in Deutschland auch, mittlerweile ein Wirtschaftsunternehmen geworden, das haushalten und investieren muss, um im sportlichen Wettbewerb zu bestehen.

Gefällt mir die Tendenz der Kommerzialisierung? Nein! Finde ich es gut, dass Spieler wie Tauschware angeboten und transferiert werden? Nein! Zugebenermaßen fällt die Identifikation mit einer GmbH & Co. KG (oder einer anderen Gesellschaftsform) schwer, weil dieses Wir-Gefühl jedenfalls für mich verloren gehen könnte. Der Verein verlässt damit das Terrain, das mich vor Urzeiten zum VfL gespült hat: Diese naiv-schöne Vorstellung, wirklich jeder ist gleichberechtigtes Mitglied eines ‚höheren Ganzen‘.

Lässt sich diese Entwicklung (juristisch) aufhalten? Nein! So gut ich die Motivation der Initiative „echt VfL – nur ohne Ausgliederung“ rein emotional nachvollziehen kann: Die Ausgliederung haben weder Hochstätter, Engelbracht noch die Mitgliederversammlung wirklich in der Hand. Es ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit, da sich die rechtlichen Voraussetzungen des deutschen Profifußballs in den letzten Jahren erheblich geändert haben. Die Gemeinnützigkeit im Profifußball wird fallen – vielleicht in drei Jahren, vielleicht erst in zehn Jahren -, aber sie wird fallen und da ist sich die überwiegende Mehrheit der Steuerrechtler einig.

Das muss mir nicht gefallen, ich kann es aber auch nicht dadurch verhindern, indem ich mich einer Ausgliederung verschließe. Im Herbst hat man die Möglichkeit, sich frühzeitig und geordnet auf das Kommende vorzubereiten. Sicherlich kann man auch passiv abwarten, bis die Finanzverwaltung den Verein vor vollendeten Tatsachen stellt. Klug wäre letzteres meines Erachtens jedoch nicht und würde bedeuten, dass man relativ hastig den Profibereich ausgliedern müsste.

Ob man Geschäftsanteile der ausgegliederten Gesellschaft auch an Dritte veräußern muss, steht auf einem anderen Blatt; hier will ich nicht vorgreifen, kann aber schon jetzt sagen, dass wir in ganz naher Zukunft Beiträge aus unterschiedlichen Blickwinkeln hierzu veröffentlichen werden.

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