Kommentar: Bochumer Herbst mal anders

Foto: David Matthäus Photography
Danilo Soares wie wir ihn am liebsten sehen: Jubelnd! Foto: David Matthaeus Foto

Das zweite Fluchtlichtspiel innerhalb von einer Woche – wieder Bundesligafeeling – diesmal gegen den Bundesligaabsteiger 1.FC Nürnberg. Auch wenn es der ungeliebte Montag war, schafften es rund 16.000 Zuschauer an die Castroper – und das trotz ungemütlichen 8 Grad und Dauerregen. Die gute Leistung gegen den Rekordmeister aus München trieb sicherlich den ein oder anderen mehr ins Stadion.

Gespannt war man, ob unser VfL Bochum die starke Leistung gegen den FC Bayern München auch in der Liga bestätigen konnte. Von einem Schicksalsspiel zu sprechen wäre vielleicht etwas viel gewesen, richtungsweisend war es allemal. Es ging schlicht und einfach darum, den Anschluss an das rettende Ufer nicht zu verlieren und das bisschen Euphorie und gute Gefühl trotz der prekären tabellarischen Situation als Katalysator zu nutzen und das Umfeld mitzunehmen.

Und das gelang unserer Mannschaft. Man biss sich ins Spiel, zeigte Einsatz und Moral. Vor allem ein Danilo Soares zeigte in der ersten Hälfte eine wahnsinnig gute Leistung. Sein Tor war eine pure Willensleistung. Aber nicht nur durch den Treffer fiel er auf. In Kombinationen mit Tesche und Blum trieb er über links das Spiel an  – so leitete er unter anderem auch die Szene vor dem 3:0 mit einem starken Pass auf Blum ein. Blum ist so oder so neben Ganvoula der belebende Faktor unserer Offensive. Was er da an PS auf den Rasen bringt, ist extrem stark. Vor allem schafft er es, aktuell auch wesentlich besser als am Anfang der Saison, defensiv stark mitzuarbeiten.

Stabilisator Tesche – Foto: David Matthäus Photography

Auch Robert Tesche muss man extrem lobend hervorheben. Es ist nun schon das zweite Mal nach Februar 2018, dass Tesche in größter Not in die Mannschaft eingebaut wird und als wesentlicher Stabilisator wirkt. Der gebürtige Ostwestfale ist dabei kein großer Show-Fußballer, aber schafft es durch sein exzellentes Stellungsspiel die Mannschaft vor allem defensiv enorm zu stabilisieren. Schade ist es für Vitaly Janelt, für den es dadurch sicherlich deutlich schwieriger wird, auf Spielzeit zu kommen. Nur um persönliche Befindlichkeiten kann es aktuell nicht gehen, Tesche ist kurzfristig gesehen wichtiger für die Mannschaft.

Auch wenn er oft bei vielen Fans zur Disposition steht, muss man Manuel Riemann als Führungsspieler auf und vor allem auch neben dem Platz erwähnen. Die Schmähgesänge gegen den 18-jährigen Torhüter der Nürnberger waren komplett daneben. Vor allem in unserer sportlichen Situation würde ein gewisser Demut dem ein oder anderen gut tun. Dass sich Riemann schützend vor den jungen Kollegen stellte und die Ostkurve aufforderte, die Gesänge gegen Willert zu unterlassen, zeugt nicht nur von großem Sportgeist, sondern auch davon, dass er verstanden hat, dass man sich in der aktuellen Situation gefälligst um seinen eigenen Scheiß zu kümmern hat.
Aber auch rein sportlich hat Riemann, so mein rein subjektiver Eindruck, sich gerade wahnsinnig stabilisiert und wirkt gefestigter als je zuvor. Er führt die Mannschaft von hinten heraus, hat seine Vorderleute im Griff, dirigiert vor allem den 17-jährigen Bella-Kotchap immer wieder clever und gibt der Mannschaft so Sicherheit.

Insgesamt muss man aber der ganzen Mannschaft ein Lob aussprechen. „Work like a Team“ war nicht nur der neue Slogan unseres Hauptsponsors, sondern scheint seit letztem Dienstag auch der Leitspruch unserer Elf zu sein. In der Summe war es eine wirklich starke Leistung.

Foto: David Matthäus Photography

Der Peak nach oben darf jetzt keine Eintagsfliege sein. Ein gutes Gefühl hatte man schon nach dem ersten Saisonsieg, doch diesmal bin ich vorsichtig optimistisch, dass das Bayern-Spiel bei der Mannschaft das ausgelöst hat, was bisher gefehlt hat, um oft knappe Spiele für sich zu entscheiden. Vor allem auf mentaler Ebene wirkt es so, als hätte die Mannschaft den nötigen Arschtritt bekommen und realisiert, zu was sie unter vollem Einsatz eigentlich in der Lage ist. Der Kader mag auf einigen Positionen nicht ideal zusammengestellt sein, hat aber in Summe genug Qualität für einen gesicherten Mittelfeldplatz. Schafft man es jetzt in den verbleibenden Spielen bis zur Winterpause eine ähnliche Einsatzbereitschaft auf den Platz zu bringen, könnten wir uns bis Weihnachten in einer gesicherten Tabellensituation befinden und ein ruhiges Fest haben. Ich betone das „könnte“ – aber der Himmel klart auf. Ist der Bochumer Herbst diesmal anders als sonst – ein goldener?

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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