Einsachtvieracht Scoutingbericht Nr. 7

Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Der Transfersommer 2019 neigt sich langsam aber sicher dem Ende – die ganz heiße Phase der Last-Minute-Transfers für die kommende Spielzeit 2019/20 steht vor der Tür. Mit dem Eindruck der ersten Spiele der Saison und identifizierten Lücken im Kader wollen wir unserem Vorstand Sport Sebastian Schindzielorz ein paar Namen auf den Zettel schreiben, die uns unserer Meinung nach helfen könnten.  Wir sehen dabei den dringendsten Handlungsbedarf auf folgenden Positionen: Rechtsverteidiger, Stürmer, Linksverteidiger und zentrales defensives Mittelfeld. 

Claudio Gentile: Nachdem mein Vorschlag vom letzten Scoutingbericht, Sarpreet Singh, für überschaubare 600.000 Euro von Wellington Phoenix zur zweiten Mannschaft der Bayern gewechselt ist, aber in der Vorbereitung sehr viel Spielzeit in der A-Mannschaft bekam und somit aktuell (selbst für eine Leihe) unerreichbar ist, möchte ich einen anderen Neuseeländer vom gleichen Verein in den Ring werfen, den ich auf diversen Kanälen schon öfters genannt habe: den 18-jährigen Liberato Cacace. Der Kiwi mit italienischen Wurzeln hat trotz seines noch jungen Alters schon 1,5 Jahre als Stammspieler bei den Profis hinter sich (33 Einsätze in der A-League) und ist auf der Linksverteidiger-Position zu Hause.

Liberato Cacace könnte als schneller und offensivstarker Linksverteidiger eine Option zu Danilo darstellen. Foto: Wiki Commons (CC BY-SA 4.0)

Trotz seiner nur „1,70m“ ist er körperlich extrem weit und wahnsinnig schnell. Er hat sehr gutes Gespür für Spieldynamiken und bringt Flanken mit extrem viel Schnitt vor das gegnerische Tor. Er ist kein Spieler, der nur an der Linie klebt, sondern ist oft bei seinen Offensivaktionen sehr diagonal orientiert. Bei der U20-WM in Juni war er im neuseeländischen Team einer der Leistungsträger. Auch wenn argumentiert werden kann, dass wir mit Kokovas und Römling bereits zwei Talente für die linke Seite haben, sehe ich beide in ihrer Entwicklung noch ganz deutlich hinter Cacace und (aktuell) nicht in der Lage, Soares auch nur im Ansatz zu ersetzen. Mit dem Neuseeländer hätte man so die linke Seite abgesichert und dazu noch eine weitere Option für die Offensive, wenn man auf dem Flügel Geschwindigkeit braucht.

 

Jens Hartenstein: Die Position des rechten Verteidigers ist eine der offensichtlichen Baustellen im Kader des VfL. Während Jordi Osei-Tutu insbesondere noch defensiv kräftig Lehrgeld zahlen muss, ist mit Baumgartner lediglich noch ein positionsfremder Spieler im Kader, der allerdings ebenfalls noch nicht den Nachweis erbringen konnte, das nötige Format für diese Position auf den Platz zu bringen. Es muss also ein Spieler her, der vor allem in der Lage ist die Defensive zu stabilisieren und dies möglichst konstant. Da der VfL die naheliegende, vereinsinterne Lösung mit Stefano Celozzi trotz eklatanter defensiven Schwächen der Konkurrenz anscheinend weiterhin kategorisch ausschließt, muss zwingend jemand Externes geholt werden.

Benno Schmitz (links) wurde bei RB Salzburg häufig auch als Denker im Mittelfeld eingesetzt. Foto: Wiki Commons (CC-BY-SA-4.0)

Ein möglicher Kandidat hierfür wäre Benno Schmitz. Schmitz bringt mit seinen 24 Jahren bereits reichlich Profierfahrung aus der österreichischen Bundesliga (RB Salzburg), wie auch aus der 1. (RB Leipzig) und 2. Bundesliga (1. FC Köln) mit. Zwar hat er insbesondere im Tempo Defizite, dafür steht der Spieler für defensiv abgeklärte Auftritte und ein solides Passspiel – nicht umsonst galt er in Salzburg als hoffnungsvolles Talent und konnte sich für einen Wechsel zum großen Bruder aus Leipzig empfehlen. Ein weiterer Pluspunkt: Schmitz konnte in Salzburg auch im defensiven Mittelfeld überzeugen und könnte somit in Zukunft ebenfalls eine echte Alternative zu Anthony Losilla darstellen. In Köln ist Schmitz nach der Verpflichtung von Kingsley Ehizibue nur noch dritte Wahl – eine Leihe samt einer Kaufoption im sechsstelligen Bereich scheint somit trotz eines Vertrages bis 2022 möglich.

Ein ähnliches Szenario wäre auch bei  Joshua Mees von Union Berlin denkbar. Mees war vor der Aufstiegssaison von der TSG Hoffenheim nach einer starken Saison beim SSV Jahn Regensburg für 500.000 Euro (Quelle: Transfermarkt.de) von Union verpflichtet worden. Seither ist Mees allerdings nicht über die Rolle des Ersatzspielers hinaus gekommen und durch die Verpflichtungen von Florian Flecker, Sheraldo Becker und Marius Bülter ist weitere, namenhafte Konkurrenz verpflichtet worden. Durch das Überangebot in Berlin scheint eine Verpflichtung denkbar und würde für den VfL einen Flügelspieler bescheren, der nicht nur in der Jugend als gelernter Mittelstürmer, sondern bereits auch in der 2. Bundesliga seine Torgefahr unter Beweis gebracht hat (43 Spiele, 12 Tore & 5 Assists). Mit einem ordentlichen Grundtempo ist Mees darüber hinaus für eine gute Ballbehandlung und viel Übersicht für seine Mitspieler bekannt. Durch seine Zeit bei Jahn Regensburg ist er auch im Gegenpressing bestens geschult worden und könnte somit eine echte Alternative für die offensiven Außenpositionen darstellen.

Matthias Rauh: Vom anderen Berlin, nämlich Hertha BSC Berlin, könnte man Pascal Köpke an die Castroper lotsen. Nach zwei sehr erfolgreichen Jahren in der zweiten Liga bei Erzgebirge Aue schloss sich der Sohn vom Bundestorwarttrainer für zwei Millionen Euro der Alten Dame an. Dort kam er lediglich auf acht Einsätze mit insgesamt 98 Einsatzminuten. Da sich die Situation für den 23-jährigen nicht gebessert hat, Hertha hat in diesem Sommer mit Lukebakio und Redan nachgerüstet, könnte man Köpke für ein oder zwei Jahre ausleihen. Mit 20 Treffern und 11 Vorlagen in 86 Spielen für die Erzgebirgler in der zweiten Liga sollte klar sein, dass Köpke eine sofortige Verstärkung wäre.

Claudio Gentile: Weiter geht’s mit meinen Kiwi-Spezies. Einen alten Bekannten, den ich bereits 2015 in diversen Foren und bei uns im Scoutingbericht #1 in den Ring geworden habe, möchte ich erneut vorschlagen –  Ryan Thomas. Der 24-jährige zentrale Mittelfeldspieler spielte von 2013 bis 2018 für PEC Zwolle, bevor er dann im Sommer 2018 für 2,75 Mio. EUR zum niederländischem Schwergewicht PSV Eindhoven wechselte. Kurz nach seinem Wechselt stoppte ihn allerdings eine schwere Knieverletzung und er verpasste die komplette Spielzeit 2018/19. Seit Mai steht er wieder auf dem Platz. Aufgrund der aktuellen Leistungsdichte im Kader von PSV dürfte es allerdings schwer werden, direkt auf viel Spielzeit zu kommen. Die Chance für den VfL auf eine Leihe? Doch was für ein Typ ist Ryan Thomas? Wurde er anfangs noch vermehrt auf der linken offensiven Außenbahn eingesetzt, spielte der Neuseeländer (17 Länderspiele / 3 Tore) in den letzten Jahren fast ausschließlich auf zentraleren Positionen. War er im zunächst noch häufiger auf der Zehn zu finden, sah man ihn in der letzten Spielzeit für Zwolle fast immer in der offensiveren Rolle einer Doppel-6 im klassischen 4-2-3-1. Hier kann er seine Stärken am besten ausspielen.

Ryan Thomas im Trikot seiner Heimat Neuseeland. Foto: Wiki Commons (Fyodor Smolov)

Er ist verhältnismäßig schnell, wendig und dribbelstark, für die Position auf den offensiven Außen fehlt ihm allerdings die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. Er hat einen extrem feinen Fuß, ein gutes Auge für den Mitspieler und haut teilweise zentimetergenaue Diagonalbälle über den Platz. Dazu ist er in der Rückwärtsbewegung stark. Am ehesten kann man ihn sich als eine Kreuzung aus der Technik und dem Passspiel eines Kevin Stögers und der Defensivarbeit eines Onur Bulut vorstellen und könnte damit ideal die Rolle des deeplying Playmakers neben Toto übernehmen, in der Eisfeld sich aktuell schwer tut.

Jens Hartenstein: Ein weiterer interessanter Spieler, der im zentralen Mittelfeld zuhause ist, ist Vasilije Janjicic. Der gebürtige Schweizer steht beim HSV auf dem Abstellgleis, hat mit seinen 20 Jahren allerdings in der abgelaufenen Saison bereits Erfahrung im Profiteam (27 Spiele) sammeln können. Laut unseres HSV-Experten Sebastian Hettmann hat Janjicic insbesondere in der Defensive seine Stärken, stellt dabei klug die Räume zu und verfügt über ein solides Passspiel, wobei ihm die Torgefahr allerdings gänzlich abhanden geht. Er wäre eher ein Transfer mit Blick in die Zukunft und könnte bei uns Tesche, der ohnehin bislang noch nicht zum Einsatz kam, ersetzen und künftig dazu beitragen, die Defensive wieder zu stabilisieren.

Thorsten Amberge: Wieso nicht einen erfahrenen Mann für den Angriff holen? Einen Angreifer, der weiß, wo das Tor steht, obwohl er sich im Spätherbst seiner Karriere beendet? Genauso ein Mann, ist kein Geringerer als Alexander „Fußballgott“ Meier, der seit seinem Abgang beim FC St. Pauli im Sommer vereinslos ist und möglicherweise das Mosaiksteinchen sein könnte, was uns im Angriff noch fehlt.

Natürlich ist ein Spieler mit 36 Jahren kein Mann für die Zukunft, aber für den Rest der Saison könnte er uns vorne helfen, erst Recht, wenn Ganvoula in ein Formtief haben sollte oder längerfristig pausieren müsste. Im Angriff sind wir dünn aufgestellt, das ist bekannt. Meier, der trotz seiner 1,96 m nicht als kopfballstark gilt, aber über eine sehr gute Schusstechnik verfügt, hatte auch in Hamburg zuletzt eine gute Quote mit sechs Toren in 16 Spielen.

An ein Karriereende denkt Meier noch lange nicht, wie zuletzt zu hören war – da er von einem Karriereende in den USA träumt, trainiert er zurzeit bei Philadelphia Union mit, wo sein alter Weggefährte aus Frankfurter Zeiten, Oka Nikolov Co-Trainer ist. Sollte sich da aber nichts ergeben, fände ich eine Lösung mit Meier durchaus charmant und würde seine Verpflichtung als gewinnbringend für unsere Offensive erachten, gleichwohl sie vielleicht etwas fantasielos erscheint.

Stefan Zils: Für die Position des Rechtsverteidigers käme eventuell noch Robert Bauer infrage. Bei Bremen auf der Abschussliste, könnte er zum Ende der Transferperiode auch in die Hände eines finanziell mittelmäßig ausgestatteten Zweitligisten fallen. Er passt nicht ganz in das Anforderungsprofil, welches der VfL für diese Position gesetzt hat, aber als Mentalitätsspieler mit einer eher defensiven Ausrichtung könnte er zur Stabilität beitragen. Zudem wäre er ohne großen Qualitätsverlust auch links einsetzbar und auch das defensive Mittelfeld ist ihm nicht fremd. Ich bin selbst etwas zwiegespalten, einerseits ist er ein guter Spieler mit gutem Arbeitswillen und großer Laufstärke, andererseits wäre mir generell ein Spieler lieber, der für einen größeren Offensivdrang bekannt ist.

Stephan Kottkamp: Auf der Suche nach geeignetem Personal für den Sturm lohnt sich ein Blick in die Nachbarstadt. Im Dortmunder Ortsteil Aplerbeck spielt beim dortigen Oberligisten ASC 09 ein hochveranlagter junger Mittelstürmer. Der 21-jährige Maximilian Podehl wechselte vor drei Jahren von der A-Jugend von Eintracht Dortmund nach Aplerbeck und spielte trotz seines jugendlichen Alters von Beginn an für das Oberligateam. In den drei Jahren seitdem absolvierte er insgesamt 90 Partien und erzielte dabei sage und schreibe 54 Tore. In der Saison 17/18 wurde er mit 22 Treffern sogar Torschützenkönig des Dortmunder Amateurfußballs.

Herausragende Werte, die viel über das Potential des 1,78 Meter großen Mittelstürmers aussagen. Hört man sich im Umfeld des ASC 09 um fallen immer wieder die Adjektive flink und athletisch bei der Beschreibung von Podehl. Zudem wird ihm ein ausgeprägter Killerinstinkt nachgesagt. Die Lokalpresse nennt ihn den Überflieger des Dortmunder Amateurfußballs. Ein interessanter Spieler ist er allemal. Nach drei Jahren mit überragenden Leistungen in der Oberliga, in denen Maxi Podehl mit seinen Treffern maßgeblich daran beteiligt war, dass der ASC am Aufstieg in die Regionalliga schnupperte und letztlich nur mit einem Punkt scheiterte, wird es Zeit für den nächsten Karriereschritt. Warum nicht beim VfL Bochum!?

Zugegeben: Der Sprung von der Oberliga in die 2. Bundesliga ist enorm. Doch mit Christopher Antwi-Adjei, der vom Oberligisten Sprockhövel zum SC Paderborn wechselte und in der 2. Liga für Furore sorgte, gibt es ein Beispiel dafür, dass dieser Sprung gelingen kann. Dass Maximilian Podehl direkt die etablierten Silvere Ganvoula oder Simon Zoller verdrängt, ist sehr unwahrscheinlich. Dass man mit dem gebürtigen Dortmunder aber einen talentierten Mittelstürmer verpflichten würde, den man langsam und behutsam an den Profifußball heranführen kann, ist absolut sicher. Ganz abgesehen davon, hat der VfL in der Vergangenheit auch Stürmer aus höheren Klassen verpflichtet, die das Tor selten getroffen haben und ruckzuck wieder verschwunden waren. Also, lieber Sesi, trau dich und fahr mal nach Aplerbeck, bevor es andere Scouts tun.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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