„Ich bin ja nicht „nur“ Sportvorstand von einem Bundesligisten, sondern von meinem Heimatverein.“ – Im Gespräch mit Sebastian Schindzielorz

Der neue starke Mann für den Bereich Sport. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)
Sebastian Schindzielorz Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Sebastian Schindzielorz geht in seine erste Transferperiode als Vorstand Sport unseres VfL Bochum. Vor dem Trainingsauftakt zur kommenden Spielzeit hatten wir Gelegenheit mit unserem Sportvorstand  über die Kaderplanung, das Talentwerk, unsere Neuzugänge und seine eigene, persönliche Entwicklung zu sprechen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen des nächsten großen einsachtvieracht-Interviews. 

einsachtvieracht: Als Spieler galten Sie als harter Arbeiter im zentralen Mittelfeld und hatten den Spitznamen „Nähmaschine“. Wie sehen Sie ihre Arbeitsweise als Sportvorstand beim VfL?

Sebastian Schindzielorz: Es ist immer schwierig, über sich selbst und das, was man kann, zu sprechen. Ich würde mich als fleißig und engagiert beschreiben. Laufen, machen, versuchen, das Beste zu geben – das war tendenziell meine Spielweise auf dem Platz. Ich versuche heute noch bei den Dingen, die ich tue, mein Bestes zu geben und das maximale Ergebnis zu erreichen. Ob das immer gelingt, kann ich nicht versprechen.

einsachtvieracht: Was hat dazu geführt, dass Sie sich nach der Karriere Richtung Management und nicht Richtung Trainer-Beruf orientiert haben?  

Sebastian Schindzielorz: Ich habe mich nie so richtig als Trainer gesehen, wollte aber definitiv im Fußball bleiben, weil der Sport schon seit Kindsbeinen ein riesengroßer Bestandteil meines Lebens ist. Nach meinen Knieverletzungen habe ich überlegt, was ich parallel zur Reha machen kann. Da hat sich ein Fernstudium im Fachbereich Sportmanagement angeboten. Der weitere Weg ist bekannt: Sehr viel Praxiserfahrung in unterschiedlichen Bereichen, eins kam zum anderen und inzwischen bin ich im Vorstand des VfL.

„Ich bin ja nicht „nur“ Sportvorstand von einem Bundesligisten, sondern von meinem Heimatverein.“ – Sebastian Schindzielorz

einsachtvieracht: Wie empfinden Sie die Verantwortung, Sportvorstand eines Bundesligisten zu sein?

Sebastian Schindzielorz: Ich bin ja nicht „nur“ Sportvorstand von einem Bundesligisten, sondern von meinem Heimatverein. Die Historie ist bekannt. Ich bin seit 1988 mit dem Club verbunden. Das ist noch mal eine spezielle Situation. Ich spüre schon eine ganz besondere Verantwortung. Ich kenne hier sehr viele Mitarbeiter, zum Teil seit über 20 Jahren, und erlebe auch in meinem Familien- und Freundeskreis täglich, was dieser Verein für die ganze Stadt und die Bochumer bedeutet. Für mich ebenfalls.

einsachtvieracht: Kommt es Ihnen entgegen, dass ihre erste Station ihr Heimatverein ist? Ändert das etwas an ihrer Arbeitsweise?

Sebastian Schindzielorz: An meiner reinen Arbeits- und Herangehensweise würde sich auch bei einem anderen Club nichts ändern. Ich bin so wie ich bin. Aber es ist sicherlich nochmal eine besondere Situation. Und dazu noch eine schöne Story.

einsachtvieracht: Wagen wir einen Blick auf die kommende Spielzeit. Mit dem HSV und dem 1.FC Köln kommen zwei Schwergewichte in die 2. Bundesliga. Wie geht man damit als Sportvorstand um?

Sebastian Schindzielorz: Der HSV und der 1. FC Köln stehen mit der finanziellen Ausstattung weit über den anderen Vereinen. Das ist so und daran können wir auch nichts ändern. Was wir aber machen können: Auf uns selbst zu schauen und uns bestmöglich aufzustellen. Wir müssen uns weiterentwickeln, nicht nur und vor allem die Mannschaft, sondern auch als Verein. Eine gute Struktur und Hierarchien schaffen. Dass es auch mit kleinerem Budget möglich ist, oben mitzuspielen, haben wir in der vergangenen Saison am Beispiel Kiel gesehen. Nicht zu vergessen: Die von Ihnen genannten beiden „Großen“ müssen dazu auch in der Zweiten Liga ankommen. Heißt: Ihre Spiele spielen und vor allem erst einmal gewinnen. Ein Selbstläufer wird das trotz der finanziellen Rahmenbedingungen auch für den HSV und den 1.FC Köln nicht.

einsachtvieracht: Freut man sich als Verantwortlicher denn, dass zwei so große Vereine in die Liga kommen oder resigniert man innerlich eher vor deren Möglichkeiten?

Sebastian Schindzielorz: Ich freue mich auf die Spiele, besonders gegen den 1. FC Köln, meinen Ex-Club. Wunderbares Stadion, tolle Fankultur, schöne Herausforderung. Die Spiele gegen Köln und den HSV bedeuten neben zwei schönen Heimspielen auch zwei schöne Auswärtsfahrten. Wir freuen uns auf die Vergleiche und glauben, diese auch bestehen zu können.

„Wir müssen wirtschaftlich vernünftig handeln und den Verein auf allen Ebenen entwickeln.“ – Sebastian Schindzielorz

einsachtvieracht: Plant man denn das Budget für die kommende Spielzeit mit Blick auf die starke Konkurrenz zurückhaltender oder geht man trotzdem in die Vollen?

Sebastian Schindzielorz: Es geht ja nicht nur um das Budget der Lizenzspielerabteilung. Wir müssen wirtschaftlich vernünftig handeln und den Verein auf allen Ebenen entwickeln. Scouting, Vermarktung, Infrastruktur und Schuldentilgung – das sind alles Bereiche, die wir im Auge behalten müssen. Wir wissen, dass unsere Rahmenbedingungen nicht so sind wie z. B. in Hamburg oder Köln. Wir akzeptieren das und versuchen, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln das bestmögliche Ergebnis zu erreichen; wohlwissend, dass wir beim Etat im Mittelfeld der Zweiten Liga liegen. Für uns ist wichtig, dass wir ökonomisch verantwortungsbewusst handeln und im Rahmen des definierten Budgets unsere Möglichkeiten optimal ausschöpfen. Wir werden keine wilden Dinge tun, nur um z. B. die Etat-Lücke zum HSV um eine Million zu verkleinern.

Wir müssen uns Schritt für Schritt entwickeln und unsere Potenziale bestmöglich nutzen. Was um uns herum passiert, können wir nicht beeinflussen. Es geht nicht darum, auf die vermeintlich starke Konkurrenz zu gucken, sondern einzig und allein, auf uns und unsere gesamtheitliche Entwicklung zu schauen.

einsachtvieracht: Welche tabellarischen Ziele wollen Sie denn in der nächsten Saison erreichen?

Sebastian Schindzielorz: Wenn wir uns die letzten Jahre anschauen, sind wir auf den Plätzen 5, 9 und 6 gelandet. Nimmt man den Durchschnitt dieser Platzierungen heißt das, dass wir zu den besten 25 Mannschaften in Deutschland gehören. Ich finde, wir sollten untermauern, dass wir in diesen Kreis gehören.

„Stöger ist Stöger und Maier ist Maier.“ – Sebastian Schindzielorz

einsachtvieracht: Bisher wurden für die kommende Spielzeit Milos Pantovic und Sebastian Maier verpflichtet. Warum gerade die beiden?

Neuzgang Sebastian Maier bei der Vertragsunterzeichnung mit Sebastian Schindzielorz. Foto: VfL Bochum 1848

Sebastian Schindzielorz: Wenn wir uns die Statistik der letzten Saison anschauen, stellen wir fest, dass wir mehr Tore erzielen müssen. Milos hat, wenn auch „nur“ in der die Regionalliga, eine sehr hohe Torbeteiligung vorzuweisen. Seine Vita – U21-Nationalspieler, ablösefrei, gute Ausbildung bei Bayern München –  hat uns dazu bewogen, ihn zum VfL zu holen. Wir glauben, dass Milos für uns perspektivisch sehr wichtig sein kann.

Sebastian Maier soll dabei mithelfen, die Lücke zu schließen, die Kevin Stöger hinterlassen hat. Wobei ich klipp und klar sage: Stöger ist Stöger und Maier ist Maier. Wir haben bei Kevin Stöger nach der für ihn persönlich sehr guten Saison damit gerechnet, dass es Vereine geben wird, die ihm neben deutlich besseren finanziellen Rahmenbedingungen auch die Perspektiven der 1. Bundesliga anbieten werden. Basti Maier ist jemand, der durch seinen starken rechten Fuß auch beim Thema Standards helfen wird. Dort hatten wir nicht gerade die beste Quote der Liga. Wir glauben, dass es mit Basti sehr gut passt.

einsachtvieracht: Wie viel Vorlauf hat denn so ein Transfer in der Regel?

Sebastian Schindzielorz: Das ist natürlich unterschiedlich. Wir sind permanent dran und schauen, dass wir unsere Schattenmannschaften erstellen und bestmöglich vorbereitet sind für alle Eventualitäten, die auf uns zukommen könnten. Pantovic kennen wir jetzt seit ungefähr eineinhalb Jahren, auch durch die Arbeit der Scouts, die permanent nach solchen Spielern Ausschau halten.

Bei Basti Maier war es so, dass wir davon erfahren haben, dass Ablösefreiheit bestehen könnte, sodass dieser Transfer einen kürzeren Vorlauf hatte als beispielsweise der von Pantovic. Aber Basti ist natürlich speziell aus seiner Zweitligazeit (Anm. d. Red.: 1860, St. Pauli, Hannover) schon vorher bei uns sehr präsent gewesen.

einsachtvieracht: Wie eng ist denn in puncto Kaderplanung die Zusammenarbeit mit Robin Dutt?

Teil des Kompetenzteams für Transferfragen: Cheftrainer Robin Dutt. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Sebastian Schindzielorz: Ich finde, dass jeder Cheftrainer sehr eng in die Kaderplanung involviert sein muss. Wir als Verein definieren die Strategie und die Philosophie – Robin Dutt unterstützt diese, da er die gleiche Philosophie vertritt. Deswegen sind wir vor einigen Monaten auch überhaupt erst zusammengekommen. Wir sprechen uns beinahe täglich ab. Er führt die Gespräche auf sportlicher Ebene, ich diejenigen, die den VfL auf der Geschäftsebene betreffen. Aus meiner Sicht läuft das sehr gut, die Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv, eng und vertrauensvoll.

einsachtvieracht: Mit Robert Tesche bleibt ein wichtiger Baustein der vergangenen Rückrunde. Was zeichnet Robert aus?

Sebastian Schindzielorz: Robert hat anfangs nicht so häufig gespielt. Trotzdem war ich in der ersten Hälfte der Saison schon überzeugt, dass er ein wichtiger Bestandteil des Kaders ist. Er ist ein angenehmer, ruhiger Typ, der, obwohl er nicht gespielt hat, zum Beispiel die Trainingsqualität immens angehoben hat. Er hatte zu dem Zeitpunkt schon einen hohen persönlichen Wert für die Kabine und war ungemein wichtig für das Mannschaftsgefüge.

Mit seiner Hereinnahme im richtungsweisenden Darmstadt-Spiel hatten wir dann eine größere Stabilität auf dem Platz. Rückblickend kann man sagen, dass es eine super Saison von Robert war und er uns auf vielen Ebenen geholfen hat.  Robert ist ein guter Spieler und ich freue mich, dass er bei uns einen Vertrag bis 2020 unterschrieben hat.

„Wir halten die Augen offen, sicher sind Positionen im Angriff und in der Abwehr denkbar. Aber wir sind da sehr flexibel.“ – Sebastian Schindzielorz

einsachtvieracht: Kann sich der Kader wieder spät, also bis zum Ende der Transferperiode, verändern?

Sebastian Schindzielorz: Das ist der ganzen Systematik des Transfermarkts geschuldet. Diesmal stehen 90% des Kaders relativ früh. Das Team kann sich einspielen und in der Struktur entwickeln. Erfahrungsgemäß ist es aber so, dass zum Ende des Transferfensters noch qualitativ hochwertige Spieler auf den Markt kommen, über die man jetzt möglicherweise noch gar nicht nachdenken könnte.

Einer der Gründe für die Variablität im Defensivverbund: Jan Gyamerah. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

einsachtvieracht: Mit Jan Gyamerah hat man einen Spieler, der in der Defensive variabel eingesetzt werden kann. Zugleich ist mit Patrick Fabian ein erfahrener Spieler im Kader, der leider körperlich gebeutelt ist und bei dem man immer damit rechnen muss, dass er verletzungsbedingt ausfällt. Tim Hoogland ist auch nicht der Jüngste. Deshalb würden wir uns vorstellen können, dass für die Innenverteidigung noch Bedarf besteht; gegebenenfalls auch auf den Flügeln. Milos Pantovic ist hier dazugekommen. Mit Kruse und Sam ist es dann recht eng, auch wenn Wurtz dort spielen könnte.

Sebastian Schindzielorz: Wir halten die Augen offen, sicher sind Positionen im Angriff und in der Abwehr denkbar. Aber wir sind da sehr flexibel. Toto Losilla kann zum Beispiel auch in der Innenverteidigung spielen, Thomas Eisfeld dafür dann im defensiven Mittelfeld. Thomas kann außerdem auf dem Flügel spielen, Basti Maier ebenso. Da kann man im Laufe der Saison sicher einiges ausprobieren und schauen, ob man im 4-2-3-1 oder im 4-4-2 spielt. Zum Thema Innenverteidigung: Hier darf man auch Tom Baack und Maxim Leitsch nicht vergessen.

einsachtvieracht: Also sollen etwaige Ausfälle über die Variabilität innerhalb des Kaders aufgefangen werden?

Sebastian Schindzielorz: Der Markt gäbe sicher noch den einen oder anderen Innenverteidiger her, bei dem wir alle „Hurra“ schreien und ihn würden verpflichten wollen. Aber wir sind nicht speziell auf der Suche nach einem Spieler für diese Position. Zumal Maxim schon angedeutet hat, dass er das Zeug zum Zweitligaspieler hat. Wir sind bei ihm auch auf einem guten Weg, ihn körperlich zu stabilisieren.

einsachtvieracht: Mit dem Kader sind Sie zum Trainingsauftakt also zufrieden?

Sebastian Schindzielorz: Ja, zum jetzigen Zeitpunkt bin ich mit dem Kader zufrieden. Das Transferfenster ist noch fast zwei Monate geöffnet und wir haben bis auf Stöger, Stand heute, den kompletten Stamm der letzten Spielzeit zusammengehalten. Aber wir lehnen uns nicht zurück, sondern schauen, was der Markt hergibt. Wenn sich aus sportlicher und finanzieller Sicht spannende Möglichkeiten ergeben, die in die Kaderstruktur passen, werden wir noch was machen.

einsachtvieracht: Eine gewisse Zeitung mit vier Buchstaben hat berichtet, dass Robbie Kruse und Lukas Hinterseer Ausstiegsklauseln in ihren Verträgen haben. Existieren diese Klauseln?

Sebastian Schindzielorz: Ganz generell kann man sagen: Die Verträge schließen der Verein und die Spieler ab. In diesen Verträgen stehen auch Punkte, die nur die beiden Parteien etwas angehen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Ich kann aber auch verstehen, dass diese Themen die Fans interessieren. Wir sind, wie mit allen Spielern, auch mit Robbie und Lukas im engen Austausch und sie wissen, was wir hier vorhaben. Wir planen mit ihnen für die kommende Spielzeit. Wir brauchen Kontinuität im Kader, damit sich die Mannschaft und ihre Spielweise entwickeln kann. Auch für die Identifikation der Fans mit der Mannschaft ist Kontinuität wünschenswert.

Könnte Begehrlichkeiten geweckt haben. Hat Lukas Hinterseer eine Ausstiegsklausel? Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Aber: Die Fußballwelt ist eben kein Wunschkonzert. Wir können zwar viele Dinge beeinflussen, aber längst nicht alle. Wichtig ist, dass wir in jedem Fall als Verein das Heft des Handelns in der Hand haben. Das hilft dabei, dass wir uns insgesamt als Verein kontinuierlich weiterentwickeln und uns auch für die Zukunft vernünftig aufstellen.

einsachtvieracht: Apropos Aufstellen: Die Scouting-Abteilung beim VfL ist in der Breite vielleicht etwas schwächer besetzt als bei anderen Vereinen. Können Sie uns einen kleinen Einblick geben, wie das Scouting beim VfL funktioniert?

Sebastian Schindzielorz: Es ist, wie alles beim VfL, eine Frage des Budgets. Wir können keine Scouting-Abteilungen mit 15 Mitarbeitern aufstellen. Robin Dutt ist gut vernetzt, genauso wie Heiko Butscher. Ich versuche ebenfalls, mein eigenes Netzwerk zu nutzen. Wir sprechen viel mit Leuten aus der Branche. Perspektivisch sehe ich es aber auch so, dass das Scouting ein Bereich ist, den wir strukturell ausbauen sollten.

einsachtvieracht: Versucht man denn gezielt Nischen zu finden in puncto Spielerverpflichtungen?

Sebastian Schindzielorz: Wir sind als vergleichsweise kleiner Verein darauf angewiesen, Dinge anders zu machen, Nischen zu finden und kreativ zu sein. Wir haben finanzielle Rahmenbedingungen, die es uns nicht immer erlauben, einfach auf den Markt zu gehen und unsere Wünsche eins zu eins zu erfüllen. Wir setzen uns im Team oft zusammen und suchen nach passenden, kreativen Lösungen.

„Wir sind aktuell in der Lage, über kleine Ablösesummen nachzudenken.“ – Sebastian Schindzielorz

einsachtvieracht: Wäre der VfL Bochum denn in der Lage Ablösen zu zahlen?

Sebastian Schindzielorz: Wir sind aktuell in der Lage, über kleine Ablösesummen nachzudenken. Aber die Ablösesumme ist ja nicht separat zu betrachten. Wir müssen auch darauf achten, dass das Gehaltsgefüge nicht gesprengt wird.

einsachtvieracht: Eine ehemalige Identifikationsfigur des Vereins hat per Interview verlauten lassen, dass er sich vorstellen könnte, nochmal für den VfL aufzulaufen. Ist das eine Option?

Sebastian Schindzielorz: Ich denke, Sie spielen auf Felix Bastians an. Ich habe das Interview von ihm auch gelesen. Es ist so wie er es dargestellt hat, dass ihm ein finanziell sehr lukratives Angebot vorlag, dass er unbedingt annehmen wollte. Man hat sich dann geeinigt. Ich wünsche ihm alles Gute, dass es in China weiterhin so gut läuft, aber wir denken über eine Rückkehr nicht nach.

einsachtvieracht: Kommen wir zum Nachwuchs. Viele Fans des VfL identifizieren sich auch über das Talentwerk mit dem Verein. Mit der Abmeldung der U23 wurde hier ein klarer Schnitt gemacht. Unter Gertjan Verbeek wurden die U17 und U19 stark eingebunden. In letzter Zeit hört man unter Fans verstärkt kritische Töne, z.B., dass ein Uli Bapoh nicht spielt oder ein Pavlidis an den BVB ausgeliehen wird. Wie sieht die Zielsetzung aus, was möchte man mit dem Talentwerk in den nächsten Jahren erreichen?

Sebastian Schindzielorz: Das Thema U23 wurde heiß diskutiert, absolut berechtigt, wie ich finde. Für beide Wege gab es gute Gründe, sowohl für die Abmeldung, als auch für die Beibehaltung. Aber die Idee des Talentwerks bzw. das Konzept haben sich nicht verändert. Natürlich nehmen wir in einzelnen Prozessschritten immer mal wieder Veränderungen vor und schauen, dass es für alle Akteure umsetzbar ist. Wenn ein Spieler aus der U17 oder U19 regelmäßig mit den Profis trainiert, reden wir von einer Sieben-Tage-Woche. Da müssen wir aufpassen, dass die Belastung nicht zu hoch wird. Gleichzeitig ist ebenso wichtig, dass der Kader der Lizenzspieler nicht zu groß wird und ein vernünftiger Trainingsbetrieb gewährleistet werden kann.

Was die Einsatzzeiten der jungen Spieler angeht: Ein Trainer wird immer nach dem Leistungsprinzip und nach den benötigten Qualitäten aufstellen. Es geht nicht darum, in den Spielerpass zu gucken und Spieler aufzustellen, die in Bochum geboren sind oder schon X Jahre für den VfL gespielt haben. Ein Trainer will immer die bestmögliche Mannschaft auf das Feld schicken. Und letztlich bestimmt auch der Spieler über seine Leistung und seinen Einsatz. Wenn ein Spieler unter der Woche im Training alles umpflügt und herausragt, wird er am Wochenende sicherlich auf dem Platz stehen.

„Das Niveau bei Twente ist für ihn gut, Uli hat dort jetzt ein Jahr Zeit, um zu reifen.“ – Sebastian Schindzielorz

einsachtvieracht: Ist das Konzept der Leihe von eigenen Jugendspieler nicht eine Lösung, um jungen Spielern im Seniorengeschäft Spielpraxis zu geben und deren Entwicklung abzuwarten, bevor man sie direkt abgibt? Görkem Saglam hatte zum Beispiel zuletzt Probleme seinen tollen Start im Profifussball zu bestätigen und die Leihen von Vangelis Pavlidis und Ulrich Bapoh wurden ja kürzlich verkündet.

Sebastian Schindzielorz: Wenn es passt, gehen wir gerne solche Geschäfte ein. Da sind Vangelis Pavlidis und Uli Bapoh aktuell die besten Beispiele. Vangelis hat in Dortmund sein erstes halbes Jahr im Seniorenbereich gespielt, auf Regionalliga-Niveau. Und er hat in 17 Spielen fünf Tore erzielt. Das hat dazu geführt, dass wir erst mit ihm verlängert und ihn dann eine weitere Saison an den BVB ausgeliehen haben, ohne Kaufoption für Dortmund. Ähnliches gilt für Uli Bapoh. Er hat noch einen Vertrag bis 2020 und wird nun für eine Saison an Twente Enschede ausgeliehen, ohne Kaufoption für die Niederländer. Twente ist gerade in die Zweite Liga abgestiegen. Da hat der ein oder andere schon gemeckert, dass das Niveau dort dann doch zu niedrig sei und Uli mindestens in die Eredivisie hätte wechseln sollen. Nur was nutzt es ihm, wenn er dann dort nicht spielt? Das Niveau bei Twente ist für ihn gut, Uli hat dort jetzt ein Jahr Zeit, um zu reifen.

Und wo Sie ihn schon ansprechen: Auch Görkem Saglam hat gute Chancen auf Einsatzzeit. Diese Option haben wir ihm aufgezeigt. Man muss also bei jedem Spieler einzeln analysieren, wie sich die komplette Kadersituation darstellt, ob für ihn eine realistische Einsatzchance besteht. Wenn sie (noch) nicht besteht, ist es völlig legitim zu überlegen, ob eine Leihe nicht eine Alternative ist.

Bleiben beide unserem VfL erhalten – Vitaly Janelt und Görkem Saglam. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

einsachtvieracht: Wir waren ehrlich gesagt überrascht, dass Görkem Saglam seinen Vertrag verlängert hat und Vitaly Janelt nach der Ausleihe nun fest verpflichtet wurde. Beide haben aus unserer Sicht eine durchwachsene Saison gespielt. Insbesondere bei Saglam hatten wir vermutet, dass er sich verändern wird, um Spielpraxis zu sammeln. Ist Görkem Saglam als Herausforderer für Neuzugang Sebastian Maier eingeplant?

Sebastian Schindzielorz: Auch Thomas Eisfeld kann die Position ausfüllen. Darüber hinaus kann die Position auch als hängende Spitze interpretiert werden. Das sind Dinge, die sich in der Vorbereitung entwickeln werden. Man kann wunderbar alle möglichen Formationen auf einer Taktiktafel aufzeichnen, aber wenn es losgeht, fällt eventuell jemand aus und schon sieht es wieder anders aus. Man darf auch dabei nicht vergessen: Saglam und Janelt sind beide Jahrgang 1998, also im Prinzip im ersten Seniorenjahr. Beide haben zusammen ca. 40 Einsätze bei den Profis. Es gibt kaum Zweitligisten, bei dem zwei Spieler dieses Jahrgangs ähnlich viele Einsatzzeiten haben.

Wir als Vereinsvertreter haben Görkem und Vitaly erklärt, was wir planen und wie wir den Verlauf der vergangenen Saison einschätzen. Auch im Hinblick auf ihre Zukunft gehen wir mit beiden konform und daher haben wir uns entschlossen, die Zusammenarbeit mit den Jungs zu verlängern.

einsachtvieracht: Slawo Freier und Daniel Engelbrecht verstärken das Trainerteam des Talentwerks. Was war ausschlaggebend, die beiden zu holen?

Sebastian Schindzielorz: Es hat beim VfL Bochum durchaus Tradition, verdiente Spieler in die Vereinsarbeit einzubinden. Slawo Freier hat eine exzellente Vita vorzuweisen und hat sich in den letzten Jahren als Trainer hervorragend entwickelt. Er war bei uns in der U15 und in der U16 als Co-Trainer unterwegs und hat anschließend beim FC Iserlohn als U19-Cheftrainer gearbeitet. Slawo hat zuletzt unter Norbert Elgert, einem der besten Nachwuchstrainer überhaupt, ein Jahr sehr erfolgreich gearbeitet. Er hat mit seinem Verein erst im Finale der deutschen Meisterschaft gegen Hertha BSC, meiner Meinung nach unverdient, verloren. Er hat mit Schalkes Jugend den Westfalenpokal geholt und die starke Weststaffel gewonnen. Hier ist nochmal ein Entwicklungsschritt zu erkennen und beim VfL, seinem Heimatverein, soll er den nächsten Entwicklungsschritt machen.

Daniel Engelbrecht musste leider aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme (Anm. d. Red.: Er bekam einen Herzschrittmacher eingesetzt) die aktive Karriere beenden. Es war ein der ausdrücklicher Wunsch von Dimitrios Grammozis, ihn als Co-Trainer zu installieren, weil sie sich hervorragend verstehen und ergänzen. Auch hier ist es eine schöne Nebensache, dass Engelbrecht für uns schon als Spieler tätig war.

Vielen Dank für das Gespräch, Sebastian Schindzielorz!

Das Interview führten (v.l.n.r.) Sebastian Hettmann, Sebastian Heise und Claudio Gentile. Hier mit Sportvorstand Sebastian Schindzielorz (2.v.l.)

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

Schreibe einen Kommentar

Laden...

0

Die Saisonvorbereitung im Überblick – so plant der VfL seine Vorbereitung für die neue Spielzeit

Der VfL zu Gast bei…