Am 23. Spieltag der Bundesliga gastierte der VfL Bochum beim VfB Stuttgart. Nach einer ausgeglichenen ersten Halbzeit gingen die Gastgeber in der zweiten Halbzeit durch ein Eigentor von Armel Bella-Kotchap in Führung und nutzten weitere gute Einschussmöglichkeiten nicht. In der Nachspielzeit versenkte Eduard Löwen dann einen Elfmeter sicher zum 1:1. Wir beleuchten mit einigen Thesen das Spiel.
Der VfL Bochum konnte den „Bayernfluch“ auch nicht brechen und nach einem Sieg gegen die Bayern das darauffolgende Spiel nicht gewinnen.
Moritz Möller (MM): Sicherlich war auf dem Papier der VfB ein leichterer Gegner als der Tabellenführer FC Bayern München. Allerdings waren die Voraussetzungen andere. Gegen Bayern war der VfL klarer Außenseiter und die Marschroute der Gäste aus München bot dem VfL für „sein“ Spiel mit einer kompakten Defensive, schnellem Umschaltspiel über die Außen ausreichend Platz. Gegen den VfB mit seiner Überlandung der linken Seite war es ein Spiel gegen einen Gegner der der Spielanlage der Jungs von der Castroper Straße nicht ganz so klar lag. Auswärts tat sich der VfL diese Saison schon lange schwer, mittlerweile werden auch auswärts stabilere Spiele abgeliefert.
Claudio Gentile (CG): Auswärts ist es in dieser Spielzeit für uns nie einfach. Und sind wir mal ganz ehrlich – das hatte schon in gewissem Maße Dezember-Vibes. Grandioses Spiel gegen Dortmund zu Hause, nur um dann in Bielefeld eine bescheidene Leistung abzuliefern. Nein, so schlecht wie auf der Alm waren unsere Jungs nicht, aber man bekam eben auch nicht die Räume wie gegen München, um sein flügellastiges Spiel gut durchziehen zu können. Mental hatte ich das Spiel Mitte der zweiten Halbzeit schon abgeschrieben. Wirkte so, als können wir noch ewig spielen, ohne dass etwas passiert. Doch diese Elf hat Steh-Auf-Qualitäten. Umso größer die Freude über den gewonnenen Punkt.
Stefan Zils (SZ): Gegen den Rekordmeister, das Maß aller Dinge in der Bundesliga – da kommt schon ein Stück Extra-Motivation daher. Und selbst mit dieser schaffen es nur die wenigsten Teams, den großen FC Bayern zu besiegen. Wenn das dann nach Jahren doch einmal klappt, ist es sicher schwer, die Euphorie zu bremsen. Kann das sich auch noch auf das nächste Spiel auswirken? Vielleicht. Hat es das in unserem Fall auch? Ich glaube nicht. Man hat in der ersten Halbzeit eigentlich ordentlich agiert, kam nur nicht in die Abschlusspositionen. Zudem fehlte auch Rexhbecaj für den Abnutzungskampf und die Kompaktheit im Mittelfeld ziemlich. Es war eins der schon häufiger vorkommenden, nicht ganz so glücklichen Auswärtsspiele. Läuft es normal, verliert man das Spiel durch ein unglückliches Eigentor, obwohl Stuttgart auch viele Chancen gehabt hätte, selbst Tore zu erzielen und sich ein Stück weit aus der Krise zu befreien. Es war für mich eher ein Spiegelbild vieler Auswärtsauftritte, als ein „Bayern-Fluch“.
Der VfB Stuttgart war auf dem Papier der leichtere Gegner. In dieser Situation muss man gegen einen angeschlagenen Gegner gewinnen!
MM: Es war ein Spiel gegen einen Gegner der mit der Unterstützung der Fans unbedingt einen Sieg gegen einen Konkurrenten einfahren wollte. Dementsprechend umkämpft und von Intensität geprägt war das Spiel. Der VfB kam im Laufe des Spiels immer besser in die Partie und Manuel Riemann hielt unsere Jungs im Spiel. Vom Tabellenstand her mag der VfB der leichtere Gegner gewesen sein, der Kader den Sven Mislintat in den letzten Jahren mit einer Menge talentierten, athletischen Spielern gespickt hat ist nicht der klassische Kandidat für den vorletzten Platz in der Tabelle. In einem Spiel das nicht so rund lief wie eine Woche zuvor hat der VfL sich einen wichtigen Punkt erkämpft und einen Konkurrenten auf Distanz gehalten.
CG: „Gewinnen müssen“ ist ein Ausdruck, den wir uns in der Bundesliga noch viel weniger leisten können als in Liga 2. Bis auf Fürth haben alle Vereine einen deutlich höheren Etat als wir. Um unsere Gegner zu schlagen, auch Stuttgart, müssen wir gemessen an unseren Möglichkeiten überperformen. Auch wenn wir eine grandiose Runde spielen, eine gewisse Portion Demut, wenn auch gepaart mit einer großen Portion Selbstbewusstsein, sollten wir uns dringend beibehalten.
Matthias Rauh (MR): Sehe es genau so wie Claudio. Alleine wenn man die Marktwerte auf transfermarkt.de vergleicht: Mavropanos und Sosa vom VfB kommen im Marktwertvolumen fast auf den Wert der kompletten der Bochumer Mannschaft. Auch beim Tabellendritten Leverkusen konnten die Schwaben gut mithalten und zwei Mal netzen durch Neuzugang Tiago Tomas. Dazu war die linke Seite mit Sosa und vor allem Führich, der wie Atakan Karazor eine VfL-Vergangenheit besitzt (Führich von Januar bis Juli 2015 beim VfL, Karazor von 2012 bis 2015) besonders motiviert. Aber man stelle sich vor, kurz vor dem 1:0 geht der Schuss des Ex-Stuttgarters Asano rein. Dann hieße es wieder „Ausgerechnet…“
Direkte Konkurrenten auf Distanz gehalten, Bonuspunkte gegen die Bayern – jetzt wird es für den VfL wieder einfacher.
MM: Der VfL hat den Februar bisher erfolgreicher gestalten können als gedacht. Die Punkte gegen die Bayern mögen aufgrund der Favoritenrolle der Bayern als Bonuspunkte gesehen werden, allerdings waren es mit dem Dreier sechs Punkte auf Platz 16 – ohne ihn wären es nur drei gewesen. Gegen Hertha und Stuttgart konnte man womöglich aufkeimende Euphorie bei den Tabellenkindern einen Dämpfer versetzen. Die nächste englische Woche wartet aber schon. Gegen Leipzig, Freiburg und gegen Fürther, die immer mehr in der Liga ankommen, warten schon die nächsten schwierigen Aufgaben. Eigentlich muss man in jedem Spiel ans Limit und ggf. darüber hinaus um etwas mitzunehmen. Im Pokal kann man den Einzug ins Halbfinale schaffen. Um den Aufgaben gewachsen zu sein, braucht man alle Mann um auch ein wenig rotieren zu können und alles reinzuwerfen.
CG: Wir sind mehr als im Soll. Das muss man einfach auch mal so hart sagen. Der VfL hat uns in diesem Jahr so viele schöne Momente beschert wie lange nicht mehr. Nein, wir sind bei weitem noch nicht durch, aber wir haben eine tolle Ausgangslage. In den nächsten Wochen hat der VfL die Möglichkeit, aus einer guten Saison, eine grandiose zu machen. Dafür muss die Mannschaft aber in jedem Spiel ans Limit gehen, wir müssen von Verletzungen verschont bleiben und Corona darf nicht in der Elf grassieren. Einfacher wird hier gar nichts.
SZ: Wenn man sich einmal anschaut, wo wir her kommen, kann man zumindest gut durchpusten. Aber einfacher wird es auf keinen Fall. Zunächst eine Heimspielwoche mit drei Spielen in nur sieben Tagen, die unser physisches Spiel vor neue Aufgaben stellen wird. Gegen Leipzig sahen wir noch nie gut aus, Freiburg spielt wieder einmal eine phantastische Runde. Und zum krönenden Abschluss muss man, vermutlich recht müde, gegen den Mitaufsteiger ran, der zwar punktetechnisch etwas abgeschlagen ist, aber in den Spielen selbst oft gut mithalten kann. In dieses Jahr sind sie zudem mit zwei Siegen und zwei Unentschieden in sechs Spielen durchaus gut gestartet. Der VfL hat sich die gute Ausgangsposition mit viel Leidenschaft verdient, aber nachlassen ist in der Bundesliga nie drin.
MR: Mit 29 Punkten passiert nichts mehr, wir bleiben drin. Sebastian Schindzielorz kann schonmal anfangen für die nächste Erstligasaison planen. So ähnlich ist im letzter Jahr das Werder-Portal Deichstube auf die Nase gefallen mit einem Kommentar nach dem 1:1 beim 1. FC Köln am 24. Spieltag und man elf Punkte vor dem 16. Bielefeld und zwölf Punkten vor den Mainzern lag. Das Ende mit lediglich einem Punkt aus den letzten acht Spielen ist wohl allen bekannt, zumal ein ähnliches Szenario nach dem letzten Abstieg 2010 vorlag. Wir sind gut daran, jeden Gegner ernst zu nehmen und von Spiel zu Spiel zu schauen. Allerdings haben sich die Verantwortlichen einen Vertrauensvorschuss verdient, dass das nicht eintreten wird.
Eine ausführliche Besprechung des Spiels aus taktischer Sicht findet ihr auch in unserem neuen Einsachtvieracht- Stammtisch Podcast #32!
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