Die fußballfreie Zeit im deutschen Profifußball ist endlich zu Ende. Im Eröffnungsspiel der 2. Bundesliga standen sich mit dem VfL Bochum und dem FC St. Pauli zwei Vereine gegenüber, die zum weiteren Kreis der Aufstiegsfavoriten gehören. Während der VfL sich vor allem selbst in diese Position redet, konnten die Hamburger mit einer herausragenden Rückrunde hohe Erwartungen wecken. In einem Spiel mit zwei unterschiedlichen Halbzeiten konnten sich die Gäste durch ein Kontertor in der stärksten Phase der Bochumer knapp mit 0:1 durchsetzen.
In den ersten Wochen unter Neutrainer Ismail Atalan hat sich beim VfL Bochum ein 3-4-1-2/3-2-3-2 System etabliert. In dieser Ordnung gingen die Hausherren auch in diese Partie. Vor Torwart Manuel Riemann bildeten Kapitän Felix Bastians, Tim Hoogland und Jan Gyamerah eine dynamische und spielstarke Abwehrreihe. Die Wingbacks Danilo Soares und Selim Gündüz besetzten die Breite, wobei Soares etwas defensiver agierte und situativ die Abwehrreihe ergänzte. Im Zentrum gab es eine Aufteilung in Sechser, Achter und Zehner. Anthony Losilla nahm den defensiven Part ein, der zum Mittelfeldspieler umgeschulte Außenverteidiger Stefano Celozzi wuselte in den zentralen Räumen zwischen Abwehr und Angriff, während Thomas Eisfeld die höchste der Mittelfeldpositionen bekleidete. Im Sturm wurde Neuzugang Dimitrios Diamantakos vom agilen Johannes Wurtz als nach links hängende Spitze unterstützt.
Olaf Janßens Paulianer setzten dem VfL eine klassische Mittelfeldraute entgegen. Die Abwehrkette vor Torwart Robin Himmelmann bestand aus Linksverteidiger Daniel Buballa, den Innenverteidigern Lasse Sobiech und Marc Hornschuh sowie Rechtsverteidiger Jan-Philipp Kalla. In der Raute gab Bernd Nehrig den Sechser, der von den Halbspielern Waldemar Sobota und Mats Möller Daehli sowie Zehner Christopher Buchtmann unterstützt wurde. Im Sturm konnte Janßen mit Aziz Bouhaddouz und Sami Allagui ein schlagkräftiges Duo aufbieten.
Phase 1 – Janßen coacht Atalan aus
Die erste Phase des Spieles gehörte den Gästen. Der VfL bekam kaum Zugriff und war besonders im Zentrum vor der Dreierabwehrreihe anfällig. Der Gästecoach und sein Team hatten den VfL offensichtlich gut beobachtet. Wie schon gegen Dortmund agierten die Bochumer aus einer 3-4-1-2 Grundordnung, bei die Stürmer die Räume vor den Innenverteidigern blockieren, während der Zehner den Aufbauspieler im Mittelfeld, in diesem Fall also Nehrig, zustellt. Auf diese Weise werden Pässe auf die Außenverteidiger oder höhere Mittelfeldspieler erzwungen, die dann aus der Tiefe angelaufen werden, um dynamische Ballgewinne für vielversprechende Konter zu erzielen. Um die Wege für die Wingbacks weit zu machen, blieben die Außenverteidiger St. Paulis tief auf Höhe der Innenverteidiger. Rückten Soares und Gündüz heraus, konnten die Bälle schnell ins Mittelfeld weitergeleitet werden, wo Sobota, Möller Daehli und Buchtmann eine 3 zu 2 Überzahl gegen Celozzi und Losilla hatten. Die Abwehrreihe vermied ein zu weites Herausrücken, um in Überzahl gegen das Sturmduo der Paulianer verteidigen zu können. Mit sehr gutem Movement, schnellen Pässen und Dribblings gegen das Verschieben, ließ das Trio die Bochumer mehrfach alt aussehen. Manuel Riemann hielt seine Vorderleute in dieser Phase mit guten Paraden im Spiel.
Auch im eigenen Ballbesitz taten sich die Bochumer schwer. Die Abwehrkette hielt zwar gut die Verbindungen für eine Ballzirkulation, davor wurden insbesondere die zentralen Positionen jedoch unzureichend besetzt. Soares und Gündüz agierten extrem breit, die Stürmer sehr hoch, während Losilla, Celozzi und Eisfeld im Zentrum oft zu vertikal gestaffelt waren. Durch die riesigen Abstände zwischen den Spielern gab es kaum Verbindungen und keinen Zugriff im Gegenpressing. Auf diese Weise war es leicht für St. Pauli, die Zentrumsdominanz der Raute, zu nutzen. Gegen den Ball wurde durch das Aufrücken von Zehner Buchtmann, der sich am tiefsten Mittelfeldspieler der Bochumer orientierte, oft ein enges 4-3-3 geformt. Damit waren Steilpässe durch das Zentrum auf die Stürmer zugestellt und Bochum wurde auf die Außen gedrängt, wo dann aggressiv zugeschoben wurde. Insbesondere Danilo war Opfer dieser Pressingattacken, was dem Neuzugang einen wenig erfolgreichen Einstand bescherte.
Phase 2 – Bochum passt an
Nach etwa 15-20 Minuten reagierte Atalan und zog Eisfeld in eine 1-2 Staffelung im Mittelfeld zurück, so dass es nun gegen den Ball eine klare Aufteilung der drei Bochumer Mittelfeldspieler gegen die Achter und den Zehner St. Paulis gab, während der Sechser eher durch die Stürmer mit abgedeckt wurde. Die freien Räume lagen nun weiter weg vorm eigenen Tor. Diese Umstellung half nicht nur gegen den Ball. Auch in Ballbesitz tat die tiefere Präsenz Eisfelds sowie die bessere horizontale Staffelung der Mittelfeldspieler den Hausherren gut. Zusammen mit Celozzi konnte Eisfeld dynamisch in die Räume neben Losilla zurückfallen, um das Spiel aus den tiefen Halbräumen anzukurbeln. Das 4-3-3 der Hamburger bot hier Räume an, da die Achter eher die Kompaktheit hielten, anstatt Eisfeld und Celozzi zu verfolgen. Somit konnte der VfL über den Ballbesitz die Kontrolle zurückgewinnen. Entsprechend wurde die beste Chance des VfL in der ersten Halbzeit über einen Traumpass von Celozzi aus dem linken tiefen Halbraum auf den nachstoßenden Eisfeld eingeleitet.
Phase 3 – Mit Merkel kommt der Umschwung
In der zweiten Halbzeit passte der Trainer des VfL Bochum erneut an. Der enttäuschende Selim Gündüz musste weichen. Für Ihn kam mit Alexander Merkel ein zentraler Mittelfeldspieler, der fortan als linker Zehner in einem 4-1-3-2-ähnlichen System agierte. Celozzi und Eisfeld wichen etwas nach rechts, so dass Letzterer nominell als Flügelspieler agierte. Der VfL agierte nun extrem flexibel. Gyamerah wechselte situativ zwischen der Halb- und Außenverteidigerposition, so dass es sowohl Aufbaustaffelungen mit Dreier-als auch mit Viererkette gab. Celozzi bewegte sich flexibel im Zwischenlinienraum, Eisfeld wechselte zwischen rechtem Flügel und den Aufbauräumen im rechten Halbraum, Merkel kurbelte im hohen linken Halbraum das Spiel an. Der VfL war nun im Zentrum deutlich präsenter und übernahm die Initiative.
Genau in dieser stärksten Phase der Hausherren setzten die Gäste den entscheidenden Nadelstich. Ein grenzwertiger Zweikampf zwischen Nehrig und Celozzi führte zu einem Ballverlust, nach welchem die Paulianer in eine 4 zu 3 Kontersituation kamen. Losilla entschied sich, den ballfernen Spieler am langen Pfosten zu decken und öffnete so den Rückraum. Buchtmann konnte in Ruhe abschließen.
Der VfL erhöhte in der Folge das Risiko und auch die Verteidiger hielt es nicht mehr konstant hinten. Durch die Läufe von Hoogland, Bastians und Gyamerah wurde das Spiel jedoch hektisch, so dass es viele Angriffe gab, die sich festliefen oder geblockt werden konnten. Die Hamburger hatten mittlerweile nach dem Wechsel von Cenk Sahin für Allagui auf ein 4-4-2 umgestellt, dass sie extrem kompakt mit enger Mittelfeldkette und herausrückenden Außenverteidigern im Stile von Atletico Madrid interpretierten. Dieses Bollwerk konnten auch die eingewechselten Görkem Saglam (positionstreu für Eisfeld) und Mlapa (für Diamantakos) nicht knacken.
Fazit
Der ambitionierte VfL muss direkt im Eröffnungsspiel in seinem Stadion einen Rückschlag verkraften. St. Pauli Coach Janßen deckte zu Beginn die Schwächen des Bochumer Pressingsystems auf und konnte auch aufgrund von mangelhafter Positionsbesetzung der Hausherren das Ballbesitzspiel unterbinden. Atalans Anpassungen und die dominante zweite Hälfte machen jedoch Hoffnung, das die Bochumer ihre Ambitionen in Zukunft auch mit Ergebnissen untermauern können.
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