Danilo Soares machte in den vergangenen Saisons mit tollen Leistungen bei unserem VfL Bochum auf sich aufmerksam. Trotz potenzieller Angebote verlängerte er seinen Vertrag. Wir bedanken uns mit drei Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven.
Gänsehaut – Rückblick von Claudio Gentile
„Danke Danilo“ – mit diesen Worten lud die Social Media Abteilung unseres Vereins am 4. Juli ein Video auf diversen Kanälen hoch. Emotionale Klaviermusik, bewegende Worte unseres Brasilianers, wie schön er die letzten Jahre anne Castroper fand. Gedanklich hatte sich jeder, auch die größten Optimisten im Fan-Lager, mit dem Abgang des Linksverteidigers abgefunden. Jeder einzelne Leistungsträger war in den letzten Jahren auf seinem Zenit gegangen – und jeder konnte sehen, dass Danilo eigentlich zu gut für den VfL geworden ist. Nach langer Auszeit und geplagt von diversen Verletzungen kam er 2017 zu uns nach Bochum und zeigte konstant gute Leistungen. Technisch hervorragend, defensiv wie offensiv voller Einsatz. Ein rundum starkes Paket auf der Position des Linksverteidigers, auf der selbst internationale Spitzenvereine oft nicht die idealen Lösungen haben. Wir für unseren VfL hatten unsere ideale Lösung. Als dann Anfang Juli die ersten Gerüchte aufkamen, dass Danilo nach Schalke wechseln könnte, fügte sich das Bild. Ablösefrei, wahrscheinlich für die Schalker Geldverbrennungsmaschine ein moderates Gehalt und eine Position, auf der unsere ungeliebten Nachbarn nicht ganz so gut besetzt sind.
🔊 Unbedingt Ton an!😎 pic.twitter.com/7zpy97HaJI
— VfL Bochum 1848 (@VfLBochum1848eV) July 4, 2020
Doch dann kam alles anders. Hatte man sich am Anfang des „Danke Danilo“-Videos schon auf ein „Goodbye“ eingestellt, grinste der Brasilianer am Ende in die Kamera und verkündet seine Verlängerung. Ein Gefühl, dass wir in Bochum ewig nicht mehr kannten. Aber nicht nur die Verlängerung sorgte für Gänsehaut. Auch der Schwenk in Richtung Arena auf Schalke war ein Glanzstück unserer Social Media Abteilung. Subtil und doch so eindeutig auf die Gerüchte zum Wechseln nach Herne-West einzugehen – Champions League.
Danke Danilo!
Danilo hat das Zeug zur Legende – Eine Einordnung von Stephan Kottkamp
Seit genau 25 Jahren wird beim VfL mit einer Viererkette verteidigt, seit 25 Jahren gibt es demnach einen Linksverteidiger beim VfL Bochum. Zig Spieler versuchten sich auf dieser Position, doch nur wenige konnten dort so überzeugen, dass sie über einen längeren Zeitraum diese Position bekleiden durften. Namen wie Sergej Mandreko, Christian Fuchs, Björn Kopplin, Matthias Ostrzolek sind wohl nur noch den Hartgesottenen in Erinnerung geblieben. Denn vor Danilo Soares gab es beim VfL erst drei Linksverteidiger, die über Jahre hinweg auf dieser Position spielten und zu einer festen Größe avancierten.
Angefangen hatte es im Jahre 1995 mit dem heutigen Trainer Thomas Reis. Klaus Toppmöller wagte seinerzeit die Revolution und machte den VfL zukunftsfest, indem er unter anderem auf eine Viererabwehrkette umstellte. Thomas Reis wechselte im Sommer 1995 von Eintracht Frankfurt an die Castroper Straße und war von Beginn an aus der neugeschaffenen Viererkette nicht wegzudenken. Neben Torsten Kracht und Tomasz Waldoch (Innenverteidigung) sowie Thomas Stickroth (Rechtsverteidiger) stand der damals 21-jährige für den neuen, den modernen VfL Bochum.
„Zick Zack Mathias Jack“
Zusammen mit dem hochtalentierten Kai Michalke bildete er auf der linken Seite ein bärenstarkes Tandem, das sowohl defensiv als auch offensiv viel zu bieten hatte. Insgesamt lief Reis 199 Mal für den VfL auf, erzielte dabei 20 Tore und leistete elf Assists. Reis’ Backup auf der Position des Linksverteidigers dürfte vielen VfL-Fans noch im Gedächtnis sein, hatte er doch in Block A sogar einen eigenen Fanclub. „Zick Zack“-Mathias Jack, im Sommer 1995 von der Düsseldorfer Fortuna zum VfL gewechselt, imponierte vielen Zuschauern weniger wegen einer filigranen Spielweise, sondern durch die in Bochum so beliebte Tugend Kampfgeist.
Acht Jahre kickte Reis in der 1. und 2. Bundesliga für den VfL und erlebte dabei drei Auf- und zwei Abstiege. Als Spieler wechselte er dann zum FC Augsburg, um Jahre später als Co-Trainer von Iraklis Metaxas (2. Mannschaft) und Andreas Bergmann, Karsten Neitzel und Gertjan Verbeek (Profis) zurückzukehren. Zwischendurch war er als Trainer auch im Jugendbereich des VfL tätig.
Auch Philipp Bönig gehört zu den prominentesten Vorgängern von Danilo. Von 2003 bis 2012 trug der Bayer das VfL-Trikot und kam dabei in 184 Spielen zum Einsatz. Ein Tor blieb ihm dabei verwehrt, aber drei Assists können ihm gutgeschrieben werden. Es waren turbulente Jahre beim VfL. Auf- und Abstiege waren an der Tagesordnung und zwischendurch spielte man UEFA-Cup. Während er eine Konstante in der Abwehrkette darstellte, fand auf den übrigen Positionen der Viererkette ein steter Wechsel statt. Martin Meichelbeck, Raymond Kalla, Frank Fahrenhorst, Aleksander Knavs, Sören Colding und natürlich Marcel Maltritz waren seine Mitstreiter, um hier nur einige zu nennen.
In Ungarn von Erfolg zu Erfolg
Aufgrund seiner bodenständigen Art und seiner Kämpferqualitäten war Bönig bei den Fans sehr beliebt. Pippo, wie er genannt wurde, stand auch bei beiden Spielen gegen Standard Lüttich 90 Minuten auf dem Platz und auch bei der Aufstiegsrelegation gegen Borussia Mönchengladbach war er mit von der Partie. Im Jahr 2012 verließ er den VfL, um sich wenige Monate später Ferencvaros Budapest anzuschließen, wo er im Laufe der nächsten Jahre einige Erfolge feiern konnte und ihm sogar zwei Tore gelangen.
Auch der direkte Vorgänger von Danilo war ein echter Dauerbrenner. Timo Perthel absolvierte von 2014 bis 2017 81 Spiele für den VfL. Der aus Braunschweig gekommene Bremer beeindruckte vor allem durch seine Physis und sorgte mit seinen Läufen bis zur gegnerischen Grundlinie für Gefahr. In seiner Zeit an der Castroper gelang ihm ein Treffer – just am Geburtstag von Trainer Gertjan Verbeek. Mit seinem satten Schuss aus 20 Metern leitete er seinerzeit einen 3:0-Heimsieg gegen den MSV Duisburg ein.
Ein kompletter Außenverteidiger – Spieleranalyse von Tobias Wagner
Danilo Soares größte Stärke ist seine Komplettheit. Es gibt keine Dimension in seinem Spiel, die als Schwäche bezeichnet werden kann. Defensiv beeindruckt er mit seiner Aggressivität und Bissigkeit sowie seinem Timing beim Herausrücken und bei Tacklings. Letzteres ist essenziell für das Spiel unseres VfLs, da unser Cheftrainer Thomas Reis sehr viel Wert auf Kompaktheit legt und die Außenverteidiger daher so lange wie möglich den Kontakt zu den Innenverteidigern halten. Erst wenn der Ball wirklich auf den Außen ist, wird mit hohem Tempo herausgerückt. Stimmt das Timing hier nicht, kann man schnell überspielt werden. Danilo jedoch ist ein Meister darin, seine Bewegungen so zu timen, dass er stets gut in den Zweikampf kommt. Dabei kommt ihm sein tiefer Körperschwerpunkt entgegen, der ihm ermöglicht, mit kleinen, schnellen Schritten sich stets neu auszurichten und zu positionieren.
Diese Beobachtungen werden durch die Zahlen gestützt. Bei den Grätschen und abgefangenen Bällen und bei den erfolgreichen Defensivaktionen liegt Danilo weit über dem Durchschnitt und muss sich nur einem weiterem Ausreißer geschlagen geben. Nur beim Kopfballspiel gilt er als durchschnittlich, was auch durch seine Größe von nur 1,70 m bedingt ist. Durch intensiven Körpereinsatz und engen Kontakt versteht er es jedoch, Angreifer aus der Balance zu bringen und somit selbst ohne gewonnene Kopfbälle hochwertige Abschlüsse zu verhindern.
Doch auch offensiv hat Danilo einiges zu bieten. Seine Geschwindigkeit, Technik und Übersicht werden von Global Soccer Network (GSN) als stark bewertet. Zwar wird sein Offensivverhalten nur als durchschnittlich eingeschätzt, was wohl aber auch daran liegt, dass Danilo kein typischer Außenverteidiger ist, der Stürmer mit Flanken füttert. Er ist viel mehr als das. Schon in seiner Zeit bei Ingolstadt feierten die Taktikexperten von Spielverlagerung, Deutschlands größtem Taktikblog, seine Kreativität und Vielseitigkeit bei Aktionen in die Spitze.
Ähnlich verhält es sich mit den beiden links aufgebotenen Alfredo Morales – aus der Hertha-Jugend stammend und bereits mit einem Länderspiel für die USA – und Danilo Soares. Diese beiden spielstarken Akteure ziehen von ihrer Grundposition eingestreute Diagonalaktionen in die Spitze durch. Der brasilianische Außenverteidiger tut dies vor allem über seine zielstrebigen Dribblings und einzelne kombinative Aktionen
Die Statistiken von GSN bestätigen dies. Zwar ist er bei den meisten offensiven Expected Goal Metriken im hinteren Mittelfeld der Außenverteidiger der zweiten Liga (Platz 25-30 von insgesamt 47), bei der Vorbereitung von hochwertigen Abschlüssen (Key Passes und xGOT – Expected Goals on Target) sowie bei eigenen Abschlüssen dreht sich dies jedoch und Danilo liegt im vorderen Drittel (Plätze bis 13-22). Dies liegt daran, dass er im Ballbesitz eher wie ein Achter oder Flügelstürmer agiert. Er rückt in den Halbraum, von wo er diagonale Dribblings in Richtung Tor versucht. So kann er direkte Lochpässe und Abschlüsse vorbereiten, während er bei Ballverlusten besser fürs Gegenpressing positioniert ist und sein starkes Defensivverhalten ausspielen kann. Die Heatmap in der GSN-Grafik zeigt deutlich dass sein Einflussbereich von der Außenlinie bis weit in den Halbraum hineinreicht. Dieses Verhalten macht gerade in Kombination mit Danny Blum Sinn, da dieser sehr stark darin ist, breit zu bleiben und auf Außen Durchbrüche zu erzielen und zu flanken.
Mit Danilo Soares haben wir also ein komplettes Paket aus einem extrem starken Verteidiger, der offensiv herausragend kreativ ist. Diese Eigenschaften machen sich entsprechend in seinem GSN- und Performance-Indizes bemerkbar, die ihn als Durchschnitt in der 1. Bundesliga einstufen. Wir sind glücklich, Ihn für weitere Jahre beim VfL gewonnen zu haben. Auf der Linksverteidigerposition sind wir schon einmal erstligareif!
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