Der Start ins Jahr 2020 – Einsachtvieracht diskutiert

Der Start ins Fußballjahr 2020 steht vor der Tür. Für unseren VfL geht es gegen die Arminia aus Bielefeld, die etwas überraschend Herbstmeister in der zweiten Bundesliga wurden – noch vor den Liga-Schwergewichten aus Hamburg und Stuttgart. Es gibt folglich durchaus angenehmere Gegner – vor allem, weil die Spiele gegen die Ostwestfalen so oder so immer schon hitzig sind. Das Jahr 2019 und die Hinrunde der Spielzeit 2019/20 waren für uns Fans nicht einfach. Eine gewisse Erfolgslosigkeit ist man gewohnt, doch folgte diesmal oft Tiefschlaf auf Tiefschlag. Wir diskutieren einige Thesen, ob das Jahr 2020 für den VfL erfolgreicher wird.

1.) Wie das Jahr aufgehört hat, so geht’s auch weiter. Die Rückrunde wird für den VfL genauso holprig wie die Hinserie.

Claudio Gentile: Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir eine stabilere Rückrunde erleben werden. Reis hatte nun eine ganze Vorbereitung und in den Testspielen zeigte sich die Mannschaft vor allem defensiv durchaus verbessert gegenüber dem alten Jahr. Ob die neuen Systeme auch unter Wettbewerbsbedingungen funktionieren wird sich zeigen. Was man natürlich nicht wegdiskutieren kann ist, dass wir absolut abhängig von Leistungsträgern wie Blum, Soares und Ganvoula sind. Aber welche Mannschaft ist das nicht?

Jens Hartenstein: Selbstverständlich wird es holprig weitergehen, gerade bei dem Auftaktprogramm ist nicht zu erwarten, dass wir jedes Spiel gewinnen und es könnte sogar zunächst nochmal etwas weiter runter gehen. Die Rückrunde wird ihre Höhen und Tiefen haben, aber ich bin zumindest davon überzeugt, dass die Mannschaft es schafft sich über kurz oder lang in das sichere Mittelfeld vorzuschieben. Wer hingegen mit Hurra-Fußball rechnet wird dabei wohl eher nicht glücklich. Für mich wäre ein Mittelfeldplatz allerdings ein versöhnliches Ende einer recht früh verkorksten Saison. Nicht mehr und nicht weniger.

Wohin geht die Reise in der Rückrunde? Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Sebastian Hettmann: Wenn es schlecht läuft, startet man mit zwei Niederlagen. Wenn es gut läuft, startet man mit zwei Siegen. Ich hole die berühmte Glaskugel aus der Schublade und prophezeie einen Punkt in Bielefeld und einen Punkt gegen Hamburg. Typisch Bochum eben.

Moritz Möller: Das Jahr 2019 war sicherlich kein Zuckerschlecken für alle Anhänger des VfL. Seit dem Pokalspiel gegen den Erstligisten aus München war zu sehen, dass die Mannschaft näher zusammen gerückt ist. Auch im Training und im Wintertrainingslager war eine deutliche verbesserte Stimmung zu sehen. Thomas Reis hatte die Möglichkeit die Mannschaft konzentriert auf die Rückrunde einzuschwören. Das werden wir auch in den restlichen Spielen sehen. Das wird vielleicht nicht immer ansehnlich sein, aber dann kommen auch die dreckigen Siege die sich so viele gewünscht haben. Übersteht man die ersten Spieltage mit einer ordentlichen Punkteausbeute, kann in einer engen Liga, in der jeder jeden schlagen kann, der VfL tabellarisch noch ein wenig klettern.

2.) Man hätte sich weiter verstärken müssen.

Claudio Gentile: Jaein. Mit Zulj hat man entsprechende Qualität in den Kader geholt. Ja, ein weiterer Innenverteidiger mit entsprechender Qualität und ein Linksverteidiger Back-Up wären sicherlich passend gewesen. Aber nur um jemanden präsentieren zu können muss man niemanden holen. Im Winter ist es bekanntlich deutlich schwieriger die entsprechenden Leute zu bekommen. Den Kader sinnlos aufblähen muss man nicht. Man kann eigentlich auch nur die Daumen drücken, dass Leitsch endlich mal fit bleibt. Mit ihm hätte man sicherlich einen „internen“ Neuzugang. Aber seriös planen kann man mit ihm bei seiner Krankenakte leider nicht.

Verstärkt den VfL – Robert Zulj. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Jens Hartenstein: Mit Zulj hat man in meinen Augen einen echten Coup gelandet. Gerade mittelfristig ist er die jüngere, und aufgrund seiner Torgefahr, auch bessere Alternative zu Lee. Diesem starken Transfer steht eine für mich eher unschlüssige Transferstrategie entgegen – zumindest, wenn man den Medienberichten glauben schenken mag. Klar hat die Defensive lange gewackelt und es braucht mehr Stabilität – aber die Schwachstellen lagen nur bedingt in der Innenverteidigung. Mit Gamboa wurde nach dem desaströsen Start schon eine Schwachstelle vernünftig geschlossen. Für mich wäre ein Soares Ersatz und ein Stabilisator im zentralen, defensiven Mittelfeld oberste Priorität. In der Innenverteidigung haben wir hingegen mit Bella-Kotchap, Lorenz und mit Abstrichen (da verletzungsanfällig) Leitsch drei hochveranlagte Innenverteidiger, denen man nicht die Einsatzchancen verbauen soll. Auch bei Decarli erwarte ich persönlich eine Steigerung zur Rückrunde und ein Fabian kann zur Not wieder einspringen. Man sollte hier die eigenen Jungs nicht abschreiben und statt in Innenverteidiger Nummer 6 lieber in echte Baustellen investieren.

Sebastian Hettmann: Dennoch wäre es fahrlässig im Defensivverbund sich auf Patrick Fabian und Maxim Leitsch zu stützen. Gefühlt passierte in der Vergangenheit immer dann etwas Gravierendes auf einer Positionen, wenn man auf einen Rekonvaleszenten setzt. Sicherlich haben wir eine Großbaustelle auf der 6, allerdings bedingt durch den Altersschnitt und die Angst es könnte etwas passieren. In der Innenverteidigung stimmt meiner Meinung nach die angerufene Qualität in der Hinrunde nicht. Natürlich fehlte es der gesamten Mannschaften an einem guten und abgestimmten Defensivverhalten. In den vergangenen Jahren konnten unsere Innenverteidiger jedoch einiges durch ihre individuelle Qualität glätten. Das fehlt(e) aktuell.

Die Hoffung in der Innenverteidigung, sofern er fit bleibt: Maxim Leitsch! Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Moritz Möller: Die unausgewogene Kaderplanung wurde schon an andere Stelle besprochen. Ich bin da ganz bei Jens. Jetzt einen weiteren Innenverteidiger zu verpflichten, nur damit dann drei nominelle zentrale Abwehrspieler auf der Bank sitzen, macht die Defensive auch nicht stabiler. Eine Alternative zu Soares wäre auch mit Blick auf den Sommer durchaus dringender gewesen. Im System mit der Raute wird Vitaly Janelt an anderer Stelle gebraucht und war vorher auch kein idealer BackUp für den Brasilianer. So muss man darauf hoffen, dass Leitsch von weiteren Rückschlägen verschont bleibt. Im immer noch überbesetzten zentralen Mittelfeld hatte man die Möglichkeit mit Zulj Qualität zu verpflichten, die nicht immer im Winter verfügbar ist. Ein weiterer – sicherlich notwendiger – Transfer eines Stabilisators hätte weitere Abgänge nötig gemacht, um finanziell handlungsfähiger zu sein und die Unruhe im Kader nicht zu groß werden zu lassen.

3.) Im Sommer 2020 steht uns der nächste Umbruch bevor.

Claudio Gentile: Ich sehe die Situation durchaus entspannter als letzten Sommer. Der harte Kern bis auf Soares und aktuell noch Riemann sind an den Verein gebunden. Dass man zwei absolute Spitzenspieler wie Hinterseer und Gyamerah ohne entsprechende erhaltene Ablösesummen ersetzen muss, wird sich nicht wiederholen. Mit Decarli, Bella-Kotchap, Gamboa, Losilla, Zoller, Weilandt, Ganvoula, Blum und Zulj hat man einen entsprechenden Kern mit hoher Qualität. Wichtig wird diesen Sommer eher die zweite Reihe.

Jens Hartenstein: Der These widerspreche ich gänzlich. Ein jüngst veröffentlichter Artikel auf Transfermarkt.de verdeutlicht ganz gut, dass es in der zweiten Liga eher der Normalzustand ist viele auslaufende Verträge zu haben und dass wir da keinesfalls in der Liste weit oben stehen. Im Gegensatz zu letztem Sommer sind mit Decarli, Gamboa, Zulj, Blum und Ganvoula auch fünf künftige Leistungsträger hinzugekommen. Demgegenüber steht mit Soares nur ein einziger Spieler vor dem Abgang, der in meinen Augen schmerzen wird. Ich sehe die vielen auslaufenden Verträge also eher als Chance den Kader etwas auszumisten – ohne das despektierlich gegenüber den verdienten Spielern zu meinen. Wir haben es geschafft wieder einen intrinsischen Wert im Kader zu schaffen, ein deutlich besseres Grundgerüst an Spielern als letzten Sommer und es werden hohe Gehälter frei – für mich besteht im Sommer die Große Chance vieles besser zu machen. Voraussetzung dafür ist natürlich ein vernünftiger Abschluss der laufenden Saison.

Sebastian Hettmann: Sicherlich werden wir im Sommer wieder einige Abgänge zu verzeichnen haben. Es finden sich derzeit zu viele Spieler im Kader, die eigentlich einen anderen Wert für die Mannschaft darstellen und daher eine gewisse Unzufriedenheit haben werden. Wie Jens richtig schrieb, hat man jedoch den großen Vorteil, dass einige Spieler im Kader ihren Wert deutlich gesteigert haben. Ich gehe von einem Abgang von Silvère Ganvoula aus, der uns vermutlich einige Euros in die Kassen spült. Verbunden mit den frei werdenden Gehältern hat man als Verein also eine bessere Position im Rennen, um ablösefreie Spieler. Doch dafür benötigt man, wie in jedem Jahr, möglichst schnell Planungssicherheit für Liga 2.

Bisher unsere Lebensversicherung – Silvere Ganvoula Foto: David Matthaeus Photography

Moritz Möller: Im Sommer werden wir sicherlich eine größere Anzahl an Transfers sehen, aber als Umbruch würde ich das nicht bezeichnen. Man hat die Möglichkeit sich von verdienten Spielern zu verabschieden – diesmal hoffentlich stilvoller als im letzten Sommer – und freiwerdende finanzielle Mittel neu zu investieren. Dazu gehört aber auch, sich dabei nicht nur auf Berater zu verlassen, sondern selber Spieler passend zum eigenen Spielstil zu suchen. Das ein oder andere „Schnäppchen“, für das Sebastian Schindzielorz anscheinend einen besonderes Gespür hat, kann dann das i-Tüpfelchen sein. Sollte dies der Fall sein und man sich auch bei möglichen Abgängen von Leistungsträgern standhaft zeigt, könnte man tatsächlich wieder etwas optimistischer als VfL- Fan in die neue Saison gehen. Im Moment ist das aber noch alles Zukunftsmusik.  Die Grundlage hierfür bilden – wie Sebastian schon richtig anmerkte – schnell Planungssicherheit für die zweite Liga und eine ordentliche Tabellenplatzierung, um die voraussichtlich Verluste beim TV-Geld in Grenzen zu halten.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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