Nach der Chaos-Woche wurde endlich wieder Fußball gespielt. Jens Rasiejewski hat seine Spieler abgeschirmt, um die Stabilität wieder herzustellen. Wie haben unsere Spieler auf die Unruhe reagiert?
Jens Rasiejewski überraschte schon bei der Veröffentlichung der Spielerliste. Als die Fans sich noch über das freie Parkhaus und die problemfreie Anfahrt freuten, war von Dreier- bis Sechserkette alles möglich. Klare Role-Player wie Anthony Losilla und Sidney Sam blieben auf der Bank. Spieler wie Stefano Celozzi, Jan Gyamerah und Luke Joel Hemmerich können auf mehreren Positionen spielen und ließen viel Spielraum, so dass Sandhausen sich auch nicht in letzter Sekunde auf die Taktik einstellen konnte. Rasiejewskis Verwirrspiel ging sogar noch weiter: Beim Warmmachen wurden Aufbauübungen mit Viererkette durchgeführt. Wie sich später Herausstellen sollte: eine bewusste Täuschung.
Gertjans System und Atalans Entdeckungen
Auf dem Platz erwachte nämlich sehr bald das asymmetrische 3-5-2/4-3-3 System der Saison 2015/16 zum Leben – fast als wäre Gertjan Verbeek nie weg gewesen. Gegen den Ball gab es viele Mannorientierungen aus einer 4-3-3/4-3-1-2 Grundordnung. Im Ballbesitz wurde im 3-1-4-2 das Leder zirkuliert. Robbie Kruse blühte in der Rolle Marco Terrazzinos als Hybrid aus hängender Spitze und Halbraumzehner noch mehr auf als bei den ohnehin schon guten Leistungen der letzten Wochen. Luke Hemmerich überzeugte direkt bei seinem Startelfdebüt und warf wie einst Onur Bulut auf der rechten Seite großartigen Einsatz und enorme Laufbereitschaft in die Waagschale. Mit einer lahmesquen Grätsche zur Rettung bei einem Konter rutschte er sich ins Herz der Fans.
Im Mittelfeldzentrum war mit Stefano Celozzi, Thomas Eisfeld und Mastermind Kevin Stöger soviel Kreativität und Spielverstandnis wie selten zuvor versammelt. Damit baute Rasiejewski neben Verbeeks Grundsystem auch auf die Positionsentdeckungen von Ismail Atalan auf – das beste beider Welten sozusagen. Celozzi balancierte die Bewegungen der beiden Achter vor ihm und kontrollierte defensiv den Raum vor der Abwehr. Stöger war umtriebig wie eh und je. Nur Eisfeld konnte dem Spiel (noch) nicht seinen Stempel aufdrücken.
Dahinter bekamen Youngster Maxim Leitsch und Oldie Patrick Fabian Unterstützung vom schnellen Jan Gyamerah. Danilo Soares konnte wie Timo Perthel weiter aufrücken, um den von Kruse freigedrückten Raum zu bearbeiten und Stöger Räume zum Spielaufbau zu öffnen.
Tiefe Ballzirkulation und zweite Bälle
Dieser fand jedoch zuerst in der Abwehrreihe statt. Die Stürmer des SV Sandhausen stellten lose die Passverbindungen ins Mittelfeld zu und machten erst bei Bällen auf Außen richtig Druck. So konnten Gyamerah, Fabian, Leitsch und Riemann den Ball erst einmal zirkulieren lassen. Nach vorne ging es noch häufig über lange Bälle. Auf diese waren die Bochumer aber gut vorbereitet. Kruse und Hemmerich waren aufgrund ihrer engen Stellung bzw. ihres Aktionsradius sehr präsent und auch Stöger und Eisfeld konnten ihre Räume gut kontrollieren. Somit landeten viele Bälle bei den Bochumern, die nun aus dem zweiten Drittel heraus spielen konnten. So kam es auch zu Kruses Flanke, die Hinterseer zum 1:0 vollendete. Die Spieler jubelten anschließend mit dem ganzen Team. Schon vor dem Spiel gab es einen Kreis, in dem offenbar eine gute Rede zur Motivation gehalten wurde. Die Mannschaft wirkt intakt!
Der Treffer gab unserem VfL Selbstbewusstsein und es wurde noch bewusster zirkuliert und aufgebaut. Leitsch, Fabian und Gyamerah nutzen die Lücken der verunsicherten Sandhäuser für Pässe und kurze Dribblings, um den Ball zu Kruse und den Mittelfeldspielern zu bringen. Der VfL hatte die Partie nun im Griff.
Aus der Halbzeit kamen die Gäste mit neuer Energie. Celozzi und Stöger nahmen dem Pressing jedoch mit ihrer Ballsicherheit den Wind aus den Segeln. Nur Fabian geriet zwei mal ins Wackeln, konnte mithilfe seines Körpers jedoch größeren Schaden vermeiden.
Auch die Standardsituationen wurden besser kontrolliert. Die Staffelung im Strafraum bei Ecken wirkte schon deutlich stabiler als unter Ismail Atalan, da in drei zentralen Reihen die Kompaktheit und Tiefenbesetzung deutlich besser war. Es fehlte jedoch weiterhin eine Entlastung, die an der Mittellinie lauert und Räume schafft. Der VfL hatte so Probleme, sich nach dem ersten geklärten Ball zu lösen. Gerade Robbie Kruse könnte hier mehrere Gegenspieler binden und nach Ballgewinnen auf lange Bälle in die Tiefe lauern. Der VfL überstand aber auch diese Phase und konnte mit Stögers 2:0 alles klarmachen – wieder nach grandioser Vorbereitung Kruses.
Stimmungsbild
Mit Spannung konnte man neben der sportlichen Lage auch die Stimmung im Stadion erwarten. Wie würden vor allem die Ultras reagieren, die voraussichtlich zu großen Teilen der Fraktion gegen die Ausgliederung zuzuordnen sind. Würden sie dem Spiel fernbleiben, den Support einstellen oder sich möglicherweise lautstark gegen handelnde Personen oder die Ausgliederung äußern. Letztlich kamen die Ultras spät und beteiligten sich nur über Plakate am Spiel. Die generelle Stimmung war dementsprechend nicht gut, schließlich sind die Ultras schon über lange Zeit für einen Großteil des Supports verantwortlich.
Auch der Rest der Fans war gespalten, es gab immer wieder Bastians-Rufe, auf die VfL-Rufe folgten. Auch bei der Verkündung der Mannschaftsaufstellung gab es einige Leute, die konsequent „Bastians“ riefen. Zwischendrin gab es aber auch immer wieder Versuche von positivem Support. Es ist natürlich nur eine Vermutung: Aber wäre der Spielverlauf nicht so positiv für den VfL gewesen, hätte es sehr still werden können.
Fazit
Rasiejewski kehrt zu den guten Grundlagen Verbeeks zurück und kann letztendlich einen verdienten Sieg einfahren. Bis auf zwei kurze Druckphasen zu Beginn der beiden Halbzeiten kann Sandhausen nicht viel reißen. Am Ende hatten sie einen Pfostenschuss und einen aussichtsreichen Konter, den Hemmerich eindrucksvoll löschte. Ansonsten hatten sie kaum erwähnenswerte Chancen. So kann es weitergehen. Hoffen wir, dass nun Ruhe einkehrt und Führung und Spieler auf und neben dem Platz wieder mit Stabilität überzeugen.
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