Sonnenschein, drei Punkte und trotzdem Bauchschmerzen…

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)
Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

„Dreckiger Sieg? Reicht.“ – Es scheint so, als hätten sich unsere Jungs auf dem Rasen das Interview mit unserem Chefcoach Ismail Atalan im Stadionheftchen sehr zu Herzen genommen. Strahlender Sonnenschein, Sieg, drei Punkte – was will man als Fußballfan mehr? Das wird sich jetzt der ein oder andere denken. Eigentlich nichts, aber…

Wie sagte Frank Goosen einmal: „Es gibt im Fußball keine glücklichen Siege.“ Der Aussage pflichte ich normalerweise 1848%tig bei – aber gestern war dann doch einer der ganz seltenen Tage, an denen ich nach einem Sieg mit Bauchschmerzen nach Hause gegangen bin. Die erste Überraschung schon beim Warmmachen – Celozzi wird doch wohl nicht auf links, Soares auf rechts spielen? Oh doch – tun sie. Ich bin wahrlich kein Taktikfreak, aber die Sinnhaftigkeit von inversen Außenverteidigern muss mir Ismail bei ’nem Fiege mal erklären. Sicherlich, gegen Bielefeld hat Soares das als Notlösung sehr ordentlich gelöst, auf seiner ungewohnten rechten Seite. Wenn er nach dem Überspielen der ersten gegnerischen Linie nach innen zieht, kann er mit seinem starken Fuß die Pässe in die Spitze anbringen. Aber ohne Not heute mit zwei auf ihrer normalen Seite überdurchschnittlichen Außenverteidigern auf ihrer jeweils falschen Seite ins Rennen zu gehen, halte ich in der aktuellen Situation für mehr als mutig. Neuer Impuls oder unnötige Baustelle? In meinen Augen eher letzteres. Beide haben die Umstellung angenommen und die klassischen Anforderungen erledigt – Soares besser als Celozzi, bei dem man grad in der Zweikampfführung und beim Anlaufen noch Probleme erkennen konnte. Belebend fand ich es für das Spiels jedenfalls nicht. Eine Fokussierung der inversen Rollen war nicht zu erkennen.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Die zweite Überraschung war für mich Selim Gündüz in der Startelf. Der Junge hat bei mir einen Stein im Brett, denn er ackert und rennt für Zwei, hat einen Willen wie kaum ein Zweiter – Tugenden, die wir hier im Ruhrpott sehr schätzen. Trotzdem ist er in der aktuellen Verfassung für mich kein Kandidat für die Startelf. Technisch war er noch nie der Größte, aber momentan verspringt ihm gefühlt jeder Ball. Das hat er dann auch im Spiel bestätigt – leider. In einer Position, in der man sich auch mal im eins gegen eins durchsetzen sollte, ist dies besonders kritisch.

Die erste Hälfte war jedoch gar nicht einmal schlecht. Dass wir in Rückstand geraten? Geschenkt – passiert im Fußball. Die Mannschaft hat Moral bewiesen, war wenige Minuten später wieder da. Kevin Stöger hat an seinem Geburtstag so richtig aufgedreht (an dieser Stelle auch nochmal alles Gute nachträglich!). Viele fantastische öffnende Bälle aus der Tiefe. Robbie Kruse wurde nach genau einem dieser Pässe zum Elfmeter gefoult. Es scheint, als liege Stöger die zentralere Rolle sehr gut. Seine Ruhe am Ball beim Pressing von Dynamo war in vielen Situationen immens wichtig und er konnte den Pass auch unter Druck noch an den Mann bringen. Neu bei ihm – dass er sich auch mal stark zurückfallen lässt, um das Spiel von hinten heraus schnell zu machen und enge Situationen aufzulösen. Das Wechselspiel mit dem häufiger aufrückenden Losilla funktionierte bereits sehr gut.

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Auch Bastians und Hoogland waren außergewöhnlich stark. Klar, Bastians mit seinen zwei Buden sowieso top, aber auch Hoogland war gestern wieder eine feste Größe hinten drin – viele Brände gelöscht und mit starker Willensleistung am Ende auch noch die Vorlage zum 3-2 erpresst.

Aber die zweite Hälfte war es dann, die, trotz des glücklichen Ausgangs, für die oben erwähnten Bauchschmerzen gesorgt hat. Mit Soares und Eisfeld waren zwei wichtige Spieler der ersten Elf raus und Atalan konnte mit Sicherheit durch die verletzungsbedingten Wechsel nicht unbedingt so reagieren, wie er das wahrscheinlich gerne getan hätte. Sich aber so hinten rein drängen zu lassen und den Spielbetrieb nach vorne dermaßen einzustellen, das darf nicht passieren. Hatte man doch gegen Ende der ersten Hälfte das Spiel noch im eigenen Ballbesitz beruhigen können. Dass man sich derart passiv das Gegentor fängt, war eine Frage der Zeit. Ob diese Passivität so gewollt war? Ich kann’s mir kaum vorstellen. Was mir Sorgen macht – ich sehe bisher in unserem Spiel keine Konstante, keine klare Linie, an der man sich festhalten kann. Jeden Spieltag wird taktisch was neues ausprobiert. Vielleicht bin ich zu ungeduldig, vielleicht erwarte ich zu viel in kurzer Zeit, aber Atalan muss zusehen, dass er die PS auf den Rasen bekommt. Die Mannschaft muss es schaffen, mal mehr als eine gute Halbzeit pro Spiel zu liefern, dem Spiel (Achtung: Fünf Euro in das einsachtvieracht-Phrasenschwein) ihren Stempel aufzudrücken. Davon sind wir aktuell, zumindest in meinen Augen, ganz weit weg. „Dreckiger Sieg? Reicht“ – sicherlich. Nur, dass man immer in der 88. Minute noch einen reinmurmelt, da würde ich mich nicht drauf verlassen.

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P.S.: Was mir gestern mal wieder aufgefallen ist – die Stimmung war toll! Da hat man mal wieder gesehen, dass es einen harten Kern von 14.000 Fans gibt, die genau wissen, wann und wie man die Mannschaft unterstützen muss. Unser Chef-Trainer hat dies völlig zurecht bei der Eröffnung der Pressekonferenz nach dem Spiel lobend erwähnt. Diese Wertschätzung hat der harte Kern verdient. So baut der Trainer eine Bindung zu uns Fans auf.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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