Es passte irgendwie ins Bild. Dieses 2:2 gestern gegen den KSC war wie ein Destillat der vergangenen Monate, eingedampft auf 90 Minuten anne Castroper. Ein Wechselbad der Gefühle. Momente der Hoffnung, individuelle Aussetzer und am Ende ein Punkt, der sich weder wie Fleisch, noch wie Fisch anfühlt – den man aber gierig nimmt. Eine Momentaufnahme.
Denn wenn wir ehrlich sind: Wer uns nach dem Horrorstart vor dem Hertha-Spiel im Oktober prophezeit hätte, dass wir mit 21 Punkten unter dem Weihnachtsbaum sitzen, dessen Verstand hätten wir vermutlich direkt komplett hinterfragt. Dass wir jetzt im Mittelfeld überwintern, ist einerseits beruhigend. Andererseits legt es den Finger tief in die Wunde einer Kaderplanung, die man wohlwollend als „abenteuerlich“ und realistisch als „fahrlässig“ bezeichnen muss.
Der Architekt des Pragmatismus: Uwe Rösler
Machen wir uns nichts vor: Dass dieser wild zusammengewürfelte Haufen Fußball spielt, der mittlerweile nach Struktur und Plan aussieht, ist fast ausschließlich der Verdienst von Uwe Rösler. Er ist ein Glücksgriff, den wir in der tiefsten Not brauchten.
Rösler hat etwas geschafft, woran sein Vorgänger (und die Interims-Lösung) gescheitert ist: Er hat aufgehört, dem Kader ein System aufzuzwingen, das dieser nicht spielen kann. Stattdessen hat er geschaut, was da ist, und den pragmatischsten aller möglichen Wege gewählt. Er kaschiert die Unwucht, er moderiert die Egos, und er holt taktisch das Maximum aus einer Truppe heraus, die eigentlich gar nicht zusammenpasst.
Bei X habe ich gestern gefragt „Bug oder Feature?!“ – Ich glaube letzteres, denn dass wir spielerisch unter Uwe Rösler teilweise grottig zocken und die Spiele trotzdem oft ziehen, wird mehr und mehr zum Markenzeichen. Das auf’m Platz schmeckt nicht nach Sterne-Küche, aber es macht in bester Ruhrpottmanier bodenständig satt – sprich: es bringt Punkte.
Die Unwucht des Kaders
Doch Röslers Arbeit darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Statik dieses Kaders bedenklich ist. Die Unwucht in der Zusammenstellung schreit einen förmlich an. Wir haben ein Überangebot an zentralen Mittelfeldspielern, während wir auf den Außenbahnen teilweise so sehr improvisieren müssen, dass einem schwindelig wird. Nicht falsch verstehen, ein Wätjen auf links macht das stark und auch ein Onyeka in vorderster Reihe ist nicht verkehrt – aber 100% ideal ist das nicht.
Dass wir gegen den KSC und auch in den Wochen davor trotzdem punkten, liegt an individuellen Momenten, einer Portion Matchglück, einem überragenden Horn und Röslers taktischem Korsett, nicht an einer homogenen Kaderstruktur. Hätte der Trainer hier nicht so massiv gegengesteuert, wir würden über ganz andere Tabellenregionen sprechen – und zwar die, in denen es ganz dunkel ist.
Das süße Gift der Leihspieler
Und hier kommen wir zu dem Punkt, der mir bei aller Erleichterung über die 21 Punkte massive Bauchschmerzen bereitet: Die schon im Sommer ach so viel besungene Schaffung von Kaderwerten.
Schauen wir uns an, wer aktuell „explodiert„. Es sind zu großen Teilen die Leihspieler, bei denen wir keine Transferrechte halten. Auch wenn die Marktwerde bei Transfermarkt reine Spielerei sind – sie sind ein Indikator. Wätjen, Onyeka, Morgalla. Das ist kurzfristig unser Glück, mittelfristig aber schwierig. Wir schaffen aktuell, mit Ausnahme von Lenz und mit Abstrichen Pannewig, kaum eigene Werte. Wenn diese Jungs im Sommer gehen – und das werden sie, wenn sie so weitermachen – stehen wir wieder vor einer massiven Baustelle, bei der wir dann mal wieder finanziell nicht partizipieren, um den Umbruch zu finanzieren.
Wir polieren fremdes Silber. Das ist in Teilen auch okay, an einige Spieler kommt man anders nicht heran. Dass man bei so vielen Leistungsträgern nicht profitiert, ist allerdings mehr als unglücklich. Das ist eine Strategie des Überlebens, nicht des Aufbaus. Ein weiterer Fingerzeig, was im Sommer alles schiefgelaufen ist. Welche „Arbeit“ hier von gewissen Personen vollbracht wurde. Ich bin allerdings froh, dass ich mich über diesen Fakt schon wieder aufregen kann und nicht auf das reine Überleben des Vereins schauen muss.
Fazit: Versöhnlich, aber mit dem „Was wäre wenn“-Gefühl
Mit 21 Punkten in die Pause zu gehen ist nach diesem Start mehr als solide. Es ist eine Chance auf eine versöhnliche Saison, ein Übergangsjahr, in dem man sich schütteln und neu aufstellen kann – mit neuem Personal an den handelnden Positionen. Diesen muss man eben auch Zeit zugestehen, um die notwendigen Korrekturen durchzuführen. Die Abstiegsangst ist (erstmal) weg, der Blick nach ganz oben allerdings realistisch gesehen auch verbaut.
Aber es bleibt der fade Beigeschmack: Es wäre mehr drin gewesen aus der Position eines Absteigers heraus. Mit einer saubereren Kaderplanung im Sommer und mit einem weniger starsinnigen Trainer zu Beginn wäre dieser VfL mit der Wucht, die man im heimischen Ruhrstadion entwickeln kann, eigentlich für Anderes bestimmt gewesen. Gerade mit der „Euphorie“ und dem Kredit, den das Umfeld der Mannschaft und den Verantwortlichen nach dem Abstieg zugestanden hat. So aber bleibt Rösler der Retter in der Not, der die gröbsten Löcher stopft.
Genießen wir die weihnachtliche Ruhe nach den turbulenten Wochen im Spätsommer. Aber lassen wir uns nicht blenden: Die Arbeit für die neuen Verantwortlichen fängt jetzt erst richtig an. Im Winter muss mit sehr beschränkten Mitteln nachjustiert werden – zum Glück mit Weitsicht und nicht mehr mit reiner Panik und Existenzangst.
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