Der VfL Bochum gewinnt in der zweiten DFB-Pokal Runde auswärts beim FC Augsburg mit 1:0. Der positive Trend der letzten beiden Spiele konnte bestätigt werden. Uwe Rösler scheint angekommen zu sein im Herzen des Ruhrgebiets. Ein Stimmungsbild.
Unerwartete Erfolgserlebnisse waren in den letzten sechs Monaten rar. Sehr rar. Dass man sich ohne Handbremse aus dem tiefsten Inneren über etwas beim VfL Bochum freuen konnte, ist lange her. Der Sieg gegen den FC Bayern im März wäre das letzte Ereignis, was mir spontan in den Kopf kommt. Nicht wenige haben in den letzten Wochen angemerkt, dass genau das auch einer der Gründe für unseren sportlichen Niedergang sein kann. Der Kopf der Spieler wird von Woche zu Woche schwerer, die Leichtigkeit des sportlichen Erfolgs gerät in Vergessenheit. Wenn man sieht, wie viele Spieler aus der Abstiegssaison immer noch den Kern der Mannschaft bilden, sportlich mit uns nun schon eine halbe Ewigkeit durch das Tal der Tränen laufen, ist das alles gar nicht so unwahrscheinlich.
Ausgangssituation
Denkbar undankbar war hier die Konstellation in der zweiten Runde im DFB-Pokal. Auswärts bei einem verhältnismäßig unattraktiven Erstligisten. Eigentlich die perfekten Voraussetzungen, um sang- und klanglos nach halbwegs ordentlicher Leistung 0:2 zu verlieren. Meinem Empfinden nach, ist auch ein Großteil des Anhangs unseres Vereins mit genau der Einstellung in das Spiel gegangen. Zu groß waren die Enttäuschungen der letzten Wochen, zu oft hat man sich vor den Spielen aufgehyped, nur um den in den 90 Minuten wieder ganz unsanft in die Realität geholt zu werden.
Taktikanalyse (unterstützt durch Tobias Wagner)
Uwe Rösler veränderte die Startelf im Vergleich zum Kiel-Spiel auf drei Positionen. Kapitän Bero blieb angeschlagen in Bochum. Für ihn rückte Kjell Wätjen in die Startelf. Loosli rückte für Masovic in die Innenvereidigung. Sicherlich die größte Überraschung war, dass wir ohne echten Stürmer ins Spiel gingen. Hofmann auf die Bank, Alfa-Ruprecht auf den rechten Flügel und Onyeka durfte als vorderster Spieler ran.
Die Idee dieser Aufstellung war wohl, die defensiven Abläufe des 4-2-3-1 aus den letzten eineinhalb Spielen beizubehalten und gleichzeitig das riskante Aufbauspiel der Augsburger nach Ballgewinnen gut kontern zu können. Mit Alfa-Ruprecht und Holtmann gab es das entsprechende Tempo auf den Flügeln. Onyeka konnte als Spitze zurückfallen und sich mit seiner Wendigkeit und Raffinesse aus dem Druck im Zentrum befreien, um dann die Außen oder den nachstoßenden Wätjen einzusetzen.
„Wir haben uns auf das Taktische mit dem Ball gegen deren Pressing orientiert. Wir müssen uns aus dem Pressing herausspielen. Das haben wir heute trainiert.“
Uwe Rösler auf der Pressekonferenz vor dem Spiel
Mit Ball konnten die Ideen erstaunlich gut umgesetzt werden. Durch die fehlende Sturmkante, musste nun eher flach aufgebaut oder gezielt verlagert werden. Insbesondere letzteres gelang als Trainingsschwerpunkt der letzten Tage sehr gut. Holtmann und Alfa-Ruprecht konnten immer wieder in Duelle geschickt werden. Alfa-Ruprecht hatte dabei zu Beginn noch Probleme mit der Ballkontrolle, fand aber mit der Zeit immer besser ins Spiel.
Gegen den Ball gab es nach der anfänglichen, dominanten Phase erneut wie gegen Kiel Probleme mit dem Raum hinter dem höher eingerückten rechten Flügel. Die Aufteilung im zentralen Mittelfeld war etwas asymmetrisch mit Lenz als zentralem Sechser, Pannewig als linkem Achter und Wätjen als nach rechts versetztem Zehner. Somit war der Raum hinter Wätjen und Alfa-Ruprecht frei, was Augsburg ausnutzte. Rösler reagierte jedoch schnell, in dem er auf ein 4-4-2 umstellte, bei dem sich Holtmann und Alfa-Ruprecht neben Lenz und Pannewig die Räume verdichteten. Augsburg fiel es nun deutlich schwerer, die Bälle kontrolliert in Richtung Bochumer Tor zu bekommen.
Am Ende bot Rösler erneut eine Demonstration seines Selbstbewusstseins in Form offensiver Wechsel bei eigener Führung. Mit Hofmann und Obafemi kamen zwei Stürmer für Sechser Lenz und Außenverteidiger Morgalla. Passlack, der vorher bereits für Alfa-Ruprecht den rechten Flügel weiter stabilisiert hat, rückte eine Reihe nach hinten, Onyeka wechselte erneut auf die Acht. Auch wenn nun etwas das Tempo der ersten Elf fehlte, brachte der VfL die Führung erstaunlich souverän ins Ziel. Am Ende standen 1,2:1,8 xG für den VfL – ein verdienter Sieg!
Einzelleistungen
Dieser VfL Bochum hat Spaß gemacht. Es fällt verdammt schwer, einzelne Spieler bei dieser geschlossenen, sehr guten Mannschaftsleistung herauszupicken. Allen voran möchte ich heute aber ein Sonderlob für Noah Loosli aussprechen. Der Schweizer ist in seinem dritten Jahr an der Castroper und hat gestern erst sein 20. Spiel für unseren Verein gemacht. Oft spielt er wochenlang nicht, ist auf dem Papier immer irgendwie Innenverteidiger Nummer fünf, aber wenn er dann auf dem Platz steht, liefert er durchweg solide Leistungen – und manchmal ergeben sich dann bei ihm noch Situationen, die man niemals vergessen wird. Der Block in Düsseldorf in der 119. Minute oder das wichtige Tor in der ersten Pokalrunde in diesem Jahr. Charakterlich ebenso ein feiner Kerl. Meckert nicht und absolut fleißig. Ein bisschen mehr Noah Loosli würde dem ein oder anderen Profi gut tun.
Auch einen Kjell Wätjen darf man für seine gestrige Leistung loben. War er, positionsfremd eingesetzt, in seinen bisherigen Spielen beim VfL für mich immer ein Stück weit ein Spieler, der den Sprung vom Jugendfußball noch nicht ganz gepackt hatte, zeigte er gestern, welchen Impact er aufs Spiel haben kann.
Francis Onyeka ist mit seinem Selbstverständnis ein Phänomen. In seinem Alter verschiedenste Rollen derart sauber runterzuspielen ist stark. Der Junge wird kein zweites Jahr bei uns sein, ganz sicher. Potenzial für ganz oben.
Auch Felix Passlack hat mich gestern beeindruckt. Immer wieder abgeschrieben, doch der Einsatz stimmt. Wie er die rechte Seite stabilisiert hat und trotzdem bei jedem Ballgewinn der erste war, der offensiv umgeschaltet und den Sprint in die Tiefe angeboten hat, war beeindruckend. Zudem sprach er viel und baute die jungen Spieler auf. Sein Abfeiern von Wätjen nach einem wichtigen Ballgewinn bleibt im Gedächtnis.
Fazit und Ausblick
Uwe Rösler wirkt. Das Fundament ist gelegt. Der VfL Bochum bewegt sich auf dem Platz in die richtige Richtung. Das erste Mal seit Wochen tut sich was in meiner Gefühlswelt rund um den Verein. Licht am Ende des Tunnels. Und das hätte ich wohl auch gesagt, wenn das gestern noch in die Hose gegangen wäre, denn es ist eine klare Entwicklung zu sehen.
Spannend wird auch, zu sehen wie sich die Mannschaft aufstellt, wenn die Verletzten wieder da sind. Mit Sissoko, Miyoshi und Vogt kommen auf absehbare Zeit drei Spieler zurück, die durchaus das Potenzial haben, in der Startelf zu stehen. Sissoko dürfte sich dabei wohl als Achter in die Mannschaft spielen. Auch wenn Lenz gesetzt ist, Sissokos individuelle Qualität ist groß. Der wird zwangsläufig einen Platz in der Mannschaft finden.
Von Miyoshi erhoffe ich mir immer noch viel. In England war er unfassbar stark. Davon haben wir bisher nur leider an der Castroper nichts gesehen. Wenn er in Form kommt, könnte er sich auf rechts verhältnismäßig leicht in die Mannschaft spielen. Alfa-Ruprecht war auch gestern noch das schwächste Glied trotz der Vorlage.
Anders gestaltet sich die Situation um Kevin Vogt. Gerade jetzt auch ohne Dreierkette fehlt die Vakanz. Er wird in den offenen Konkurrenzkampf mit den anderen Innenverteidigern gehen müssen, denn die Sechserposition ist mit Lenz und Sissoko erstklassig besetzt. Die Frage aller Fragen wird irgendwann sicher aufkommen: setzt sich KV7 auch ohne Murren auf die Bank, sollte es so weit kommen?
Sonntag gilt es, gegen Magdeburg nachzulegen und das positive Momentum mitzunehmen. Uwe Rösler hat die richtigen Knöpfe bei der Mannschaft gedrückt. Das erste Mal seit langem herrscht wieder so etwas wie eine positive Grundstimmung an der Castroper. Ein leichter Hoffnungsschimmer. Kommt doch noch ein goldener Herbst?
Abonniere den Kanal Einsachtvieracht auf WhatsApp: https://whatsapp.com/channel/0029VaD2PJ7GE56qkEiBNO04
Wer uns einmalig unterstützen möchte kann das gerne über PayPal tun: paypal.me/einsachtvieracht




Laden...