Uwe Rösler – gewohnte Frisur für die Trainerbank

Unser VfL Bochum hat einen neuen Hoffnungsträger. Uwe Rösler wird nach dem Spiel gegen Kaiserslautern neuer Cheftrainer an der Castroper Straße und soll unseren Krisenclub vor dem Absturz in die Drittklassigkeit bewahren. Mit Rösler setzt der VfL auf einen Mann, der für harte Arbeit, unbedingten Willen und eine klare Kante steht – Attribute, die in der aktuellen sportlichen Misere bitter nötig sind. Ein Portrait.

Der 56-jährige Fußballlehrer, der als Spieler einst für Dynamo Dresden und Manchester City Tore schoss, übernimmt eine Mannschaft am Boden. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga findet sich unser Verein nach einem historisch schlechten Saisonstart mit nur einem Sieg aus sieben Spielen am Tabellenende der 2. Bundesliga wieder. Die Verunsicherung ist spürbar, die Mannschaft wirkt führungslos. Für Uwe Rösler nicht das erste Mal, dass er eine Mannschaft in einer kritischen Lage übernimmt. Doch wer ist der Mann mit der Frisur, wie wir sie schon fast gewohnt sind auf der Trainerbank anne Castroper?

Pragmatismus, Leidenschaft und das 3-5-2-System

Wer Uwe Rösler holt, bekommt keinen Trainer, der für filigranen Ballbesitzfußball steht. Rösler ist ein Pragmatiker, ein Arbeiter. Seine Mannschaften zeichnen sich durch hohe Intensität, Laufbereitschaft und eine aggressive Zweikampfführung aus. Er fordert von seinen Spielern absolute Disziplin und die Bereitschaft, an die Schmerzgrenze zu gehen. Das Herzstück seiner taktischen Marschroute ist in der Regel eine Dreier- bzw. Fünferkette, die sich je nach Spielphase und Gegner flexibel anpasst. Die Devise lautet: Zuerst die Stabilität, dann die Offensive. Bevor jetzt alle wieder Bauchschmerzen bekommen, weil die jüngste Vergangenheit mit Dreierkette nicht ganz so erfolgreich war, schauen wir genauer hin:

Defensive Phase (5-3-2): Gegen den Ball ziehen sich die beiden Schienenspieler auf die Höhe der drei Innenverteidiger zurück. So entsteht eine massive Fünferkette, die das Zentrum verdichtet und es dem Gegner extrem schwer macht, Lücken zu finden. Davor sichert eine kompakte Dreier-Mittelfeldzentrale die Halbräume ab. Das Ziel ist es, den Gegner auf die Flügel zu zwingen, wo er dann durch aggressives Verschieben isoliert und zu Fehlern gezwungen wird. Rösler legt enormen Wert auf defensives Positionsspiel und das konsequente Verteidigen rund um und am eigenen Strafraum.

Offensive Phase (3-1-4-2 oder 3-4-1-2): Nach Ballgewinn schalten seine Teams blitzschnell um. Die Schienenspieler rücken sofort hoch und werden zu Flügelstürmern, um die gegnerische Abwehr in die Breite zu ziehen. Einer der zentralen Mittelfeldspieler agiert als „Sechser“ und sichert ab, während seine beiden Partner das Spiel schnell in die Spitze treiben. Je nach Ausrichtung kann auch ein zentraler Spieler als „Zehner“ hinter den beiden Spitzen agieren, um als Verbindungsspieler zu fungieren.

In den bisherigen Spielen (unter Hecking) sind wir mit sehr hohen, eher zentral positionierten Achtern aufgetreten. Hier liegt auch der größte Unterschied zu Rösler. Er bevorzugt eine deutlich breitere Positionierung der Achter. Das sorgt für eine größere Passivität, könnte aber dafür sorgen, dass wir auf den Flügel deutlich mehr Zugriff haben als bisher. Gerade ein Wittek dürfte hiervon profitieren, weil er gerade offensiv bisher nicht die ideale Besetzung der Schiene, wenn er alleine für die Breite im Spiel sorgen musste.

Rösler bevorzugt eine Doppelspitze, in der sich die Stürmertypen ergänzen. Oftmals agiert ein robuster, kopfballstarker Zielspieler, der hohe Bälle festmachen und ablegen kann, neben einem kleineren, wendigen und schnellen Angreifer, der in die Tiefe startet. Beide Stürmer sind aber vor allem die ersten Verteidiger. Sie laufen die gegnerische Abwehr unermüdlich an, erzwingen unpräzise Pässe und leiten das Pressing ein. Gar nicht so viel anders, als wie wir es bisher gespielt haben. Auf dem Papier hätten wir mit Hofmann und Sissoko zwei Zielspieler, mit Clairicia und Obafemi zwei bewegliche Angreifer im Kader. Hier wird die zentrale Frage, ob Rösler den Knoten im Kopf der Stürmer lösen kann, denn seine bevorzugte Positionierung und Spielweise der vordersten Reihe ist nicht groß anders als die bisherige.

Röslers Mannschaften praktizieren kein permanentes, wildes Angriffspressing. Stattdessen setzen sie auf ein intelligentes, mittelhohes Pressing, das durch bestimmte „Trigger“ ausgelöst wird. Etwa einen ungenauen Pass des Gegners oder einen Rückpass zum Torwart. Charakteristisch für Rösler ist, dass hier nicht immer das Ziel der sofortige Ballgewinn ist, sondern oft auch das Erzwingen eines langen, unkontrollierten Balles, den die kopfballstarken Innenverteidiger dann erobern können. Kevin Vogt, mein Lieber – du darfst bald nicht nur scharfe Pässe nach vorne spielen, sondern auch eine Menge hohe Dinger abfangen.

Wo wir schon bei KV7 sind. Röslers Teams definieren sich nicht über lange Ballbesitzphasen im Mittelfeld. Der Ball soll nach der Eroberung so schnell wie möglich in die gefährlichen Zonen gebracht werden. Lange Diagonalbälle auf die hochstehenden Schienenspieler oder direkte Pässe in die Spitze auf die Stürmer sind ein häufig gewähltes Mittel. Der Fokus liegt auf Effizienz und dem direkten Weg zum Tor. Konnte Kevin Vogt die Rolle, die ihm Dieter Hecking angedacht hatte, mit riskanten Pässen flachen Pässen iM Spielaufbau auf die ZM das Pressing auszuhebeln, nicht wirklich erfüllen, könnte ihm diese Rolle unter Umständen eher liegen. Vergleichbar wäre sie in der jüngeren Vergangenheit am ehesten mit dem, wie Manuel Riemann bei uns das Spiel aufgebaut hat.

Explizit hervorheben muss man allerdings auch, dass Uwe Rösler nicht auf ein System festgelegt ist. Das hier beschriebene System mit Dreierkette ist zwar sein bevorzugtes, in Düsseldorf hat er beispielsweise aber auch fast durchgehend im 442 und 433 spielen lassen. Er ist nicht stur auf eine Spielweise festgelegt und eine Anpassungsfähigkeit an das vorhandene Spielmaterial schon nachgewiesen.

Warum Uwe Rösler eine gute Lösung ist

Wenn man das jetzt alles so liest könnte man sich denken, dass die gesamte Ausrichtung sehr ähnlich zu dem ist, was wir bisher hatten. Warum war ich dann schon im Podcast mit Philipp Rentsch der Meinung, dass Rösler ein guter Fit sein könnte?

Es ist das Gesamtpaket. Seine Stärke liegt zum einen darin, einer verunsicherten Mannschaft eine klare Struktur und einfache, aber effektive Abläufe an die Hand zu geben. Ja, der Kader ist nicht gut zusammengestellt, aber ein Trainer muss zumindest bis zum Winter mit der Truppe arbeiten, bevor man korrigieren kann. Das traue ich Uwe Rösler durchaus zu. Gerade weil hier seine Persönlichkeit ins Spiel kommt, die meiner Ansicht nach gut zu uns passt.

Es ist wie bereits erwähnt auch nicht das erste Mal, dass Uwe Rösler zu einem Klub kommt, bei dem der Baum brennt. Die Parallelen zu seiner Amtsübernahme bei Fortuna Düsseldorf im Januar 2020 sind unübersehbar. Damals übernahm er die Fortuna auf einem Abstiegsplatz in der Bundesliga. Zwar konnte auch er den Abstieg am Ende nicht verhindern, doch es gelang ihm, die Mannschaft zu stabilisieren und ihr neues Leben einzuhauchen. Die Fortuna trat unter ihm deutlich geschlossener und kampfstärker auf und verpasste die Relegation nur knapp. In der darauffolgenden Zweitligasaison formte er ein Team, das lange um den Wiederaufstieg mitspielte und am Ende auf dem fünften Platz landete.

Rösler weiß, wie man in einer beschissenen Lage die richtigen Knöpfe drückt. Er scheut sich nicht vor unpopulären Entscheidungen und stellt die Mannschaft über alles. Auch wenn sein Fußabdruck in Deutschland bisher eher klein ist, bringt er umso mehr internationale Erfahrung mit. Besonders erfolgreich war seine Zeit in Schweden bei Malmö FF, das er zweimal in Folge in die K.O.-Phase der Europa League führte. Auch in England machte er sich einen Namen. Mit dem damaligen Zweitligisten Wigan Athletic sorgte er 2014 für eine Sensation, als er im Viertelfinale des FA Cups ausgerechnet seinen Ex-Klub und haushohen Favoriten Manchester City aus dem Wettbewerb warf.

Die eierlegende Wollmilchsau ist er aber auch nicht. Es ist schon so, dass die spielerische Entwicklung unter ihm mitunter nicht die Beste ist. Seine Teams sind oft schwer zu bespielen, versprühen aber selten offensiven Glanz. Doch in der aktuellen Situation unseres VfL Bochums geht es nicht um Schönheit, sondern ausschließlich um Punkte.

Besonders lohnt sich der Blick auf seine letzte Station bei Aarhus GF in Dänemark. Dort war er von 2022 bis Juli diesen Jahres Trainer. Empfehlenswert ist hier ein Artikel bei Transfermarkt über seine Zeit dort.

„Schon in den ersten Einheiten am Fredensvang, dem Trainingszentrum der Profis, war klar zu erkennen, welche Handschrift Rösler mitbrachte: Hohe Intensität, klare Abläufe, eine strukturierte Spielidee.“ Andreas Cornelsen

Besonders ins Auge sticht aber eben auch die Wertschätzung, mit der man über ihn spricht. „Gleichzeitig lobte Jensen den Deutschen für seine energische und kontaktfreudige Art und wies auf dessen hohen Anspruch im Umgang mit Mitarbeitern und Staff hin.“ Dinge, die unserem Verein in der jetzigen Situation gerade sehr gut tun können und dafür sorgen könnten, dass das „Wir“-Gefühl nochmal deutlich gestärkt wird.

Die Daumen sind gedrückt, dass mit ihm an der Seitenlinie die Spiele eher wieder so aussehen wie unter Thomas Letsch als Peter Zeidler. Alle gute Dinge sind drei. Vielleicht auch was die Frisur auf der Trainerbank angeht. Glück auf, Uwe! Viel Erfolg anne Castroper.

Abonniere den Kanal Einsachtvieracht auf WhatsApp: https://whatsapp.com/channel/0029VaD2PJ7GE56qkEiBNO04

Wer uns einmalig unterstützen möchte kann das gerne über PayPal tun: paypal.me/einsachtvieracht

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

Schreibe einen Kommentar

Laden...

0

Einsachtvieracht x Tief im Westen #002 – Der VfL Bochum im großen Umbruch