Prestigeduell am dritten Spieltag

Der VfL Bochum spielt auswärts beim FC Schalke 04

Bochum gegen Schalke. Für mich persönlich reicht schon allein das innere Aussprechen der Begegnung, um altbekannt tiefsitzende Gefühle zu empfinden. Während der langen grauen Zweitligaepisode zwischen 2010 und 2021 war dies das Spiel, was ich mir am dringendsten herbeigesehnt habe. Hitzige Diskussionen im Bekanntenkreis, von sportlich bedingter Hassliebe beladene Duelle an der Playstation und ein verächtlicher Blick auf die mit dem falschen Vereinswappen bedruckte Straßenbahn, die vom alten Opelwerk in Richtung Ückendorf fuhr. Am Samstagabend ist es endlich soweit. Das unmittelbare Kräftemessen auf dem saftig vom Flutlicht beschienenen Rasen der zweiten Bundesliga steht vor der Tür. Ein emotionaler Ausblick.

Bereits zu Beginn der noch jungen Saison der zweiten Bundesliga steht die Auswärtsfahrt zu den Nachbarn aus Gelsenkirchen bevor. Inmitten der Phase des Auslotens neu zusammengestellter Kader und der Findungsphase des eigenen Standpunkts treffen zwei Traditionsvereine des Ruhrpotts aufeinander. Für die einen ist es ein Tag, der mit vielen Emotionen und der gnadenlosen Lust auf ein brennendes Fußballerlebnis um die Ecke verknüpft ist. Für die anderen „kein Derby“.

Zahlen und Statistiken

Kommen wir erst einmal zum realistisch Messbaren. Drei Punkte aus den zwei Spielen der laufenden Saison, eine Tordifferenz von ‚minus eins‘ und ‚null‘ und ein jeweils knapper, nicht souveräner, Sieg in der ersten Runde des DFB Pokal gegen einen Regionalligisten. Aktuell betrachtet besteht offensichtlich keine große sportliche Differenz zwischen unseren sich auf Tabellenplatz 11 befindenden Jungs und den sich drei Positionen höher bewegenden Nachbarn.

Die Historie der vergangenen 20 Jahre bringt 12 Aufeinandertreffen hervor. Zwei Partien konnten die Jungs des VfL für sich entscheiden, in einer wurden die Punkte geteilt und neun Mal kam der Sieger aus Gelsenkirchen. Den letzten Auswärtssieg konnte der VfL im grünen Trikot mit „DWS“ auf der Brust im Oktober 2003 verbuchen. Damals unter anderem noch im Einsatz: ‚Momo‘ Diabang, Frank Fahrenhorst und Vahid ‚Hubschrauber‘ Hashemian.

Personelle Herausforderungen

Aller Voraussicht nach wird Dieter Hecking sich in der laufenden Woche viele Gedanken darüber gemacht haben (müssen), welche Startelf er am Samstag ins Rennen schickt. Insgesamt stehen fünf der Jungs, die in der ersten Pokalrunde auf dem Rasen agierten, (voraussichtlich) nicht zur Verfügung.

Neben dem bereits an der Schulter operierten Ibrahima Sissoko wird auch Koji Myoshi definitiv ausfallen. Ergänzend scheint unklar zu sein, ob es Noah Loosli, Kjell Wätjen und Samuel Bamba bis zum Anpfiff zur Einsatztauglichkeit schaffen. Somit besteht die Herausforderung darin, die Truppe, die sich in der prall gefüllten Arena zerreißt, um den ersten Auswärtssieg der Saison einzufahren, zu formieren.

So sehr ich während des Spiels beim BFC Dynamo über Bambas oft unglückliche Aktionen fluchte, so sehr hoffte ich, dass er auf Schalke einen guten Tag erwischen und uns vorantreiben kann. Dass er die Moral dafür in sich trägt, zeigte er bereits nach Abpfiff am vergangenen Wochenende. Sollte es ‚Sammy‘ perspektivisch gelingen, im Torabschluss ruhiger zu bleiben und durchdachtere Pässe zu spielen, könnte er – meines Erachtens nach – ein aktiver Gewinn im Spiel werden.

Auch Wätjen zeigte in Berlin gute Ansätze im zentralen Mittelfeld mit Zug auf die offensiven Außenbahnen, legte sogar den entscheidenden Treffer durch Matus Bero vor.

Insgesamt erhoff(t)e ich mir, dass die beiden in guter Form für ein positives Momentum in unserem Spiel sorgen, welches wir auf Schalke brauchen werden.

Vielleicht lässt sich Delron Buckley am Telefon auch nochmal überzeugen, das schönste Dress der Fußballwelt über zu streifen und eine Traumbude unter die Latte zu nageln.

Allen, die sich an dieser Stelle gern noch differenziert analytisch, taktisch und strategisch auf den Kick vorbereiten möchten, empfehle ich, sich die aktuellste Folge unseres Stammtischpodcasts anzuhören.

Unterschiedlich eingestellte Trainer

Miron Muslic, Trainer vom FC Schalke 04, bereitete sein Team unter der Woche mit einer speziell zugeschnittenen teambildenden Maßnahme auf das Spiel vor. Auf einem hoch gelegenen Punkt Gelsenkirchens versammelte er sich und das Team. Dort wurde den Spielern verdeutlicht, welche Bedeutung der Ruhrpott und der Verein für die Stadt haben. In ergänzenden Auftritten in der Öffentlichkeit zeigte sich Muslic optimistisch und humorvoll.

Dieter Hecking hinterließ in der Pressekonferenz einen angespannten Eindruck auf mich. In seiner Mimik und Aussprache vermisse ich aktuell seine Zuversicht, seine ruhige Gesamtbewertung der Situation und seinen Humor. All die Faktoren, die mir vergangene Saison, trotz des Abstiegs, das Gefühl gegeben haben, dass er gern bei uns ist.

Unterˋm Strich gab der Coach an, dass er „junge Spieler am Start habe, die sich weniger einen Kopf machen“ und die er ohne Bedenken aufstellen würde. Auch Francis Onyeka sei aufgrund der Ausfälle in der Mannschaft wieder im Kader und brenne auf einen Einsatz. Der VfL werde Mittel haben, mit denen man sich aus dem Pressing befreien könne, welches er vom FC Schalke erwarte.

Jedoch sagte Hecking auch, dass der Gegner „im Vergleich zu uns eine gestandene Mannschaft ist, die sich auf den Weg macht, die schwache Saison vergessen zu machen“.

Irgendwie werde ich das Bauchgefühl nicht los, dort eine gewisse Art resignierender Frustration heraus zu lesen und hören. Freue mich aber natürlich sehr, wenn ich den Moment aktuell zu negativ bewerte und/oder mit meiner Interpretation daneben liege.

Wie dem auch sei – der Samstag wird gut

Aller aufgezählter Statistiken, Herausforderungen und Sorgen zum Trotz habe ich extrem Bock auf Morgen. Ein Derby ist ein Derby – alles kann passieren. So wie insgesamt im Sport immer alles passieren kann. So wie insgesamt im Sport viele externe Personen (da gehöre ich zu) sich den Kopf zerbrechen, subjektive Perspektiven einnehmen und meinen, dadurch die Gesamtsituation durch den eigenen Wahrnehmungsfilter bewerten zu können.

Unabhängig davon, wo die Mannschaften tabellarisch stehen und in welcher Form sie sind, kann sicher niemand von sich weisen, die Partie als ein Prestigeduell zu bewerten. Und das erzeugt positiven Dampf.

Feurige Atmosphäre im Bochumer Auswärtsblock auf Schalke.

Die Stimmung in der Mannschaft im heutigen Trainig scheint weitestgehend gut zu sein und deswegen hoffe ich (zum Vertrauen reicht es aktuell nicht), dass elf top motivierte Bochumer Jungen um 20:30 auf dem Rasen der Veltins-Arena stehen werden, sobald Schiedsrichter Frank Willenborg die Partie anpfeift.

Losgelöst vom sportlich erfolgreichen (oder erfolglosen) Verlauf bietet der Samstag die pralle Rutsche an Fußball, Stimmung und dem Wiedersehen geliebter Menschen.

Zum Warm-Up besteht die Möglichkeit, sich um 14:00 im Wohnzimmer des Ruhrstadions das Spiel unserer zweiten Mannschaft gegen die von Borussia Dortmund anzuschauen. Anschließend ein gezapftes Fiege und eine Dönninghaus, bevor es mit stimmungsvoll bepackten Bussen nach Gelsenkirchen zum Derby unter Flutlicht geht. Natürlich in weiß gekleidet.

Sollten die Mannschaft oder der Trainer auch wackeln – wir, die im Stadion sein werden, können mit Gesang und Präsenz zeigen, dass wir brennen und unseren VfL mit vollem Ehrgeiz repräsentieren.

Es könnte schlechter sein – bis morgen!

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Autor: Lennart Markmann

Am 19.02.2005 stand ich erstmals in der Ostkurve. Die geschenkte Karte eines Bekannten öffnete mir damals die Tür zu Block O links. Drei traumhaft rausgespielte Buden von Zwetschge Misimovic, Raymond Kalla und Tommy Bechmann sorgten dafür, dass der SC Freiburg punktlos aus der Stadt und der VfL nicht mehr aus meinem Herzen verschwand. Seitdem genieße ich die Höhen und Tiefen als Bochumer Junge. Lange Zeit in der Ostkurve stehend, anschließend in Block H1 sitzend und mittlerweile mit 34 Jahren auf dem Altherrenplatz in Block M1.

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