Keine Titel und Trophäen – Erwartungen an die Saison

Foto: Can Kilic

Die Spielzeit 2025/26 steht vor der Tür. Nach dem Abstieg im Mai muss der VfL Bochum sich nach vier Jahren nun wieder im Unterhaus beweisen. Mit welcher Erwartungshaltung gehen wir in die Saison? Was ist von der neuen Mannschaft zu erwarten? Ein Überblick.

Lennart Markmann: Endlich ist die Sommerpause vorbei und der Ball rollt wieder. Beim Testspiel gegen Leverkusen ließen sich Stadionluft und die feinherbe Schaumkrone eines gezapften Fiege schnuppern – jetzt bin ich heiß wie Frittenfett.

Die Vorbereitungsspiele habe ich, ehrlich gesagt, nur am Rande verfolgt. Die Transfers dafür aufmerksam.

Vom ersten Bauchgefühl hoffe und glaube ich, dass es Hecking gelingen kann, ein solides Fundament aus der neu konstruierten Truppe zu basteln. Eine passende Mischung aus erfahrenen Spielern, denen der Club am Herzen liegt (z.B. Kevin Vogt), jungen hungrigen Talenten (z.B. Mats Pannewig, Francis Onuyeka, Kjell Wätjen) und Typen, die den Laden schon aus jüngster Vergangenheit kennen und ihn sich trotzdem weiter geben möchten (z.B. Timo Horn, Philipp Hofmann und Gerrit Holtmann).

Die Krönung wäre natürlich der Verbleib von Matus Bero und Ibrahima Sissoko. Die Wahrscheinlichkeit, dass (wenigstens) ersterer weiter im Ruhrstadion aufläuft, halte ich – besonders aufgrund seiner Ernennung zum neuen Kapitän – für hoch.

Unter guter Regie, einem passenden Feingefühl für die aktuelle Gesamtsituation und der Ausdauer, dem (mehr oder weniger freiwilligen) Neustart in Liga Zwei eine Chance zu geben, kann da etwas wachsen und blühen.

Mein Wunsch ist, dass die Saison so verläuft, dass kein Extrem eintritt. Weder in Richtung Auf-, noch in Richtung Abstieg. Ein solides Endresultat zwischen Tabellenplatz 5 und 8 reicht mir persönlich.

So kann die Mannschaft in Ruhe zusammenwachsen. Die Möglichkeit, dass in der darauf folgenden Saison ein Großteil der Jungs bleibt und sich ein Teamkern etablieren kann, wäre somit gegeben. Ein paar Jubelmomente und der gewohnte Frust wären auch dabei – für mich wäre es rund.

Ich freue mich auf Heim- und Auswärtsspiele zu neuen Anstoßzeiten gegen attraktive Gegner. Aus sportlicher Perspektive ist „attraktiv“ hier sicher Auslegungssache. Aus fußballromantischer Sicht und dem bei mir bestehenden Wunsch nach atmosphärisch schönem Fußball – auch auf den Rängen – könnte das nächste Jahr einiges zu bieten haben.

Claudio Gentile: Die neue Saison ist für mich ein Stück weit eine Wundertüte. Man hat einen Kader mit spannenden Profilen zusammengestellt, der sogar verhältnismäßig früh sehr vollständig war. Trotzdem gibt es Schwächen, die bereits aus der Vorsaison bekannt waren und uns wieder einholen könnten. Aber von vorne.

Die neu zusammengebaute Innenverteidigung könnte das Herzstück unseres Spiels werden und für eine deutlich stabilere Defensive sorgen. Morgalla ist für mich die positive Überraschung der Vorbereitung, Vogt ist der klare, neue Leader hinten drin und dürfte vor allem auch im Spielaufbau immens wichtig werden.

Im Mittelfeld steht und fällt alles ein wenig mit Bero und Sissoko. Die beiden sind überragende Zweitliga-Spieler. Ich habe extreme Bauchschmerzen, dass die beiden den Verein noch verlassen können – die finanzielle Zwänge uneres Vereins kennen wir alle. Ja, es gibt Alternativen. Mit Lenz, Wätjen und Pannewig stehen drei Spieler zur Verfügung, die die Profile gut abdecken könnten. Danach wird’s dann aber dünn. Mit den beiden sind wir gut aufgestellt – ohne die beiden eher so naja.

Dazu kommt für mich ein Faktor, der in der aktuellen Diskussion meiner Meinung nach viel zu kurz kommt. Sissoko ist aktuell im Kader der einzige Spieler, der Vogt in seiner zentralen Rolle ersetzen könnte, wenn er mal ausfällt. Vielleicht noch Masovic mit Abstrichen, aber da steht in den Sternen, wann er wieder da ist. Die Lücke, die ein Abgang des Franzosen reißen würde, wäre also doppelt groß.

Im Sturm hat Broschinski eine starke Vorbereitung hingelegt, Hofmann hat in Liga zwei nachgewiesen, dass er knipsen kann, Sissoko ist eine Top-Ergänzung von den ersten Eindrücken. Und mit Clairicia hat man die Art exotischen Transfer getätigt, auf den viele Fans stehen. Bei letzterem glaube ich allerdings, dass es noch etwas dauern wird, bis man ihn wirklich in der ersten Elf sehen wird. Starker Antritt, gute Dynamik, aber sehr viele einfache Fehler.

Größte Bauchschmerzen sind für mich die Schienen. Die Position ist essenziell, um mit 3er/5er-Kette erfolgreich zu sein – und hier spielen weder Wittek noch Passlack aktuell ihren besten Ball. Rösch, der als klarer Ergänzungsspieler geholt wurde, macht hier aktuell beiden ordentlich Druck. Mit Holtmann und Kocierski hat man hier weitere Alternativen. Ich hoffe, dass es uns hier nicht auf die Füße fällt, dass in der Spitze nichts getan wurde, nachdem genau diese Position schon in der letzten Spielzeit unsere Schwäche darstellte.

Insgesamt haben wir einen ordentlichen Kader, der in gewissen Bereichen vielleicht nicht ganz ausbalanciert ist. Viel wird meiner Meinung nach recht stumpf vom Saison-Start abhängen. Schafft man es, von Anfang an erfolgreich zu sein und zu punkten, kann die Mannschaft sich einspielen und entwickeln. Sollte der Start in die Hose gehen, kann die positive Stimmung im Umfeld, die seit dem Abstieg anhält, sehr schnell verfliegen und wir in einen negativen Strudel geraten.

Matthias Rauh: Nach dem Abstieg ist der Blick nach vorn schnell von zwei Dingen geprägt: Erwartung und Hoffnung. Ich finde, man darf mit diesem Kader durchaus Ansprüche stellen – auch wenn niemand das Wort „Wiederaufstieg“ zu laut sagen will. Für mich ist klar: Der VfL hat eine Mannschaft beisammen, die in der zweiten Liga oben mitspielen kann. Nicht als Selbstläufer, aber mit berechtigter Ambition.

Viele Spieler haben in der Bundesliga zumindest phasenweise gezeigt, dass sie das Niveau mitgehen können. In der zweiten Liga dürfte es manchen – wie etwa Broschinski – nun leichter fallen, ihre Stärken unter Beweis zu stellen. Auch mental: Wenn du weißt, dass nach zwei Niederlagen nicht direkt Bayern oder Leipzig warten, gehst du anders mit Rückschlägen um. Diese psychologische Entlastung darf man nicht unterschätzen.

Gleichzeitig erwarte ich mehr als nur Ergebnisse. Für mich wird die Saison dann ein Erfolg, wenn wir es schaffen, Kaderwerte zu generieren. Wenn junge Spieler wie Koscierski den Durchbruch schaffen, wenn sich Leihspieler wie Onyeka oder Wätjen sportlich wie wirtschaftlich lohnen – idealerweise mit Perspektive über die Saison hinaus. Der Worst Case wäre, wenn die Leistungsträger wieder verschwinden, ohne dass wir sportlich oder finanziell etwas davon haben – und gleichzeitig die Spieler mit bestehendem Wert weiter an Profil verlieren.

Was mir Mut macht: Es scheint, als würde sich eine neue Führungsstruktur etablieren. Auch wenn ich bei Kevin Vogt zunächst skeptisch war, wirkt er inzwischen wie ein echter Leader. Mit Bero als Kapitän und jungen Spielern wie Pannewig im Mannschaftsrat entstehen gerade neue Rollenbilder nach dem Abgang von Losilla. Diese Mischung aus Erfahrung, Mentalität und Identifikation ist wichtig – gerade in einem Übergangsjahr.

Was die Spielweise angeht, bin ich nicht dogmatisch. Ich wünsche mir Heimspiele, die in der ersten Liga gerne „Highlight-Spiele“ genannt wurden. Und zwar nicht nur stimmungstechnisch. Aber ich nehme genauso gerne ein dreckiges 1:0 in Bielefeld in der 90. Minute, wenn es sein muss.

Tobias Wagner: Trotz des Abstiegs freue mich auf die neue Saison. Eine spannende Mannschaft und Gegner, mit denen ich aus meiner Jugend noch große Spiele verbinde. Taktisch wird es keine Revolution – das 3-5-2 bleibt uns wohl als Grundformation erhalten – jedoch interessante Anpassungen in der Ausrichtung geben. Die Testspiele geben dazu jedoch wenig Anhaltspunkte, da die Gegner entweder zu schwach oder zu stark waren. Man kam entweder auch einfach zu Chancen oder war eher defensiv gefordert. So konnte man das neue riskante Spiel durchs Zentrum zwar in Ansätzen erahnen, jedoch noch keine wiederkehrenden Muster analysieren.

Mit dem Start in die neue Saison wird sich das ändern. Ich freue mich schon darauf, Spiele endlich mit Fokus auf Muster im Ballbesitz zu analysieren. Zu schauen wie Vogt unseren Aufbau belebt, Pannewig, Wätjen, Onyeka und Co. mit den riskanten Anspielen umgehen und ob Broschinski endlich wieder regelmäßig trifft. Dazu gibt es mit Holtmann, Rösch, Koscierski und Keumo Offensivpower über die Schienen, die in einem Ballbesitzteam endlich mehr zu Geltung kommen könnte. Dieter hat es versprochen, ich erwarte, dass er liefert.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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