Grundformation wechsel dich – Die Dreierkette als spannendes Gedankenspiel

Thomas Reis könnte sich derzeit über die Grundformation Gedanken machen. Wir machen da natürlich gerne mit! Foto: David Matthaeus Photography
Foto: David Matthaeus Photography

Es ist Mittwochabend und in der Champions League rollt der Ball. Man könnte meinen man kann als Anhänger des VfL Bochum ein wenig vom tristen Liga-Alltag unserer Blau-Weißen abschalten und den Spitzenfußball genießen, der am Dienstag und Mittwoch geboten wird. Aber nein, es beherrscht nur ein Thema die WhatsApp Gruppe unserer Taktikecke: Wie kann der VfL in den kommenden Spielen erfolgreicher Fußball spielen. Wie kann er überraschen. Wie kann man die verschiedenen Spielertypen so einsetzen, dass sie einen Mehrwert haben. 

Die Ursprungsfrage war eine simple, doch die daraus resultierende Diskussion deckte wiederum einige Mängel in der Kaderplanung auf. Denn wie man es dreht und wendet, der Kader ist unausgewogen und lässt auf bestimmten Positionen kaum Möglichkeiten den Spielstil variantenreicher zu gestalten. Es fehlt eine klare Alternative zu Robert Tesche, der derzeit wieder einmal absolut wichtig für die Stabilität der Mannschaft ist. Dennoch wird er nicht jünger und spätestens im Sommer muss eine Alternative zum Ostwestfalen verpflichtet werden, denn die anderen Sechser haben nicht die Passsicherheit in engen Situationen und die Antizipationsfähigkeit unseres Sechsers.

Der VfL in Abhängigkeit vom Stabilisator Tesche. Foto: David Matthäus Photography

Im Wintertrainingslager wurde mal wieder mit einer Dreierkette experimentiert. Thomas Reis ist nicht der erste Trainer, der dies als Variante beim VfL austestete. Meist wurde jedoch wieder auf die bekannte Grundordnung mit einer Viererkette zurück gegriffen. Im Trainingslager agierten Simon Lorenz, Patrick Fabian und Saulo Decarli vor Manuel Riemann, flankiert von Danilo Soares und Cristian Gamboa, davor Vitaly Janelt und Anthony Losilla auf der Doppelsechs und Danny Blum und Simon Zoller agierten hinter Silvère Ganvoula. Eine Aufstellung, deren Spielertypen weniger spielerische Elemente als viel mehr Wucht und Durchsetzungskraft verkörpern.

Die Ausgangsfrage von Claudio Gentile: Kann man durch eine 5er/3er-Kette die Abhängigkeit von einem klaren Sechser reduzieren? 

Mit unserem derzeitigen Spielermaterial ist die Besetzung einer 5er oder 3er Kette in der Defensive natürlich möglich. Genug Innenverteidiger sind im Kader, wobei mit Armel Bella-Kotchap und Maxim Leitsch zwei Spieler für die Halbpositionen prädestiniert sind. Durch ihre tolle Athletik und den Willen den Raum konsequent zu verteidigen, können sie etwaige Lücken schließen, die ein fehlender, klarer Sechser hinterlässt. In der Mitte der Dreierkette sollte ein routinierter Mann spielen, der die beiden anleiten kann und über den das Spiel in engen Situationen verlagert werden kann. Mit einer Dreierkette gibt man zusätzlich auch Raum für den Gegner frei, der wiederum abgedeckt werden muss.

Sicher im Passspiel und eine Säule im Spielaufbau – Danilo Soares. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Eine Eröffnung im Spielaufbau würde vermutlich verstärkt über die linke Seite und den im Spielaufbau starken Danilo Soares erfolgen, welcher sich noch mehr Einbringen müsste. Ein ähnliches Modell ließ Hannes Wolf in der vergangenen Saison in Hamburg spielen. Douglas Santos spielte hier den Spielgestalter von seiner Linksverteidigerposition aus und kaschierte den Mangel an fähigen Spielertypen im Zentrum, die das Spiel aufbauen können. Die Kollegen von Spielverlagerung haben dem Brasilianer sogar einen eigenen Artikel gewidmet. Dafür musste er jedoch von laufbereiten Spielern abgedeckt werden, die im Raum gut verteidigen können. Diese haben wir mit Anthony Losilla, Janelt, Leitsch und Bella-Kotchap im Kader.

War unter Titz die hohe Torwartkette noch das taktische Aushängeschild, ließ Wolf die beiden Außenverteidiger einrücken.

Dieses Mittel wird häufig aus zwei Gründen genutzt. Erstens: Zum Freiziehen der Passwege auf die beiden Flügelspieler, die dann mehr oder weniger isoliert ins 1 gegen 1 gehen können. Beim HSV waren dies zu Beginn oft Jatta und Narey. Später wurden allerdings auch andere Spielertypen aufgeboten, auf die dies eher weniger zutraf.  Zweitens: Zur besseren Konterabsicherung beziehungsweise um nach Ballverlust zentral besser ins Gegenpressing zu kommen.

Ein anderer Grund spielt demgegenüber oft keine entscheidende Rolle: Die tatsächliche Nutzung der eingerückten Außenverteidiger für das eigene Ballbesitzspiel. Doch genau dies geschah beim HSV unter Hannes Wolf phasenweise mehr oder weniger fokussiert. – Spielverlagerung

Mit einem einrückenden Danilo Soares könnte man seinem Drang am Spielaufbau teilzunehmen weiter fördern und seinen kreativen Output im Zentrum steigern, wodurch sich das unser Aufbauspiel natürlich auf links verlangern würde und Offensiv die Möglichkeit bietet die rechte Seite mit einer anderen Art von Spielertyp zu besetzen.

Auffällig dagegen sind die Löcher, die Mangala immer wieder hinter Douglas Santos stopft, welcher in seiner Rolle eher als spielmachender Sechser denn als Linksverteidiger agiert. – Die Rothosen geben ein Stelldichein anner Castroper

T(h)ese: Die Besetzung einer möglichen Dreierkette ist doch eh eindeutig!

Das würde ich verneinen, denn mit Patrick Fabian kann man in kampfbetonten Spielen immer noch einen Mann bringen, der gegen aggressiv agierende Gegner der Mannschaft noch einiges geben kann. Wenn der VfL jedoch offensiver agierende sollte und dazu noch mit Dreierkette spielt, müssen natürlich athletischere Spielertypen die Innenverteidigung bilden. Dazu kommt die Variable welches Pärchen vor der Dreierkette agiert. Mit Losilla und Tesche können wir im Grunde alle Konstellation spielen. Mit Losilla und Janelt ebenso. Sollten jedoch ein Robert Zulj, Chong-yong Lee oder Tom Weilandt neben Anthony Losilla agieren, müssen auch Bella-Kotchap und Leitsch auf den Halbpositionen spielen. Die Mitte wird in meinen Augen durch Saulo Decarli besetzt, und im Bedarfsfall rückt dieser auf Außen und Patrick Fabian übernimmt die Mitte.

Die Aufstellung aus dem Trainingslager, als mit Lorenz und Decarli als äußere Innenverteidiger und Patrick Fabian in der Mitte, ist für Spiele in der zweiten Liga zu defensiv und würde uns einige größere Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr bescheren, deren Räume von jedem Team der zweiten Liga heutzutage gut genutzt werden. Das Heimspiel gegen Jahn Regensburg und die Erinnerung an Jann George kommt mir hier in den Sinn.

T(h)ese: Auf der rechten Seite fehlt uns eine Variante zu Cristian Gamboa.

Cristian Gamboa ist weniger variantenreich, spielt aber eine gute Saison! Foto: VfL Bochum 1848

Gamboa ist sicherlich eine der positiven Überraschungen in dieser Saison. Defensiv solide und mit seinem Willen, seiner Sprintstärke und Präsenz eine gute Besetzung als rechter Verteidiger. Wenn es jedoch darum geht das Spiel nach vorne zu entwickeln, ist er in meinen Augen limitiert und kann dem Team nicht die Offensivqualität geben, die ein Danilo Soares auf der linken Seite verkörpert oder die ein Jan Gyamerah lange gezeigt hat. Jordi Osei-Tutu könnte dieser Spieler sein, da er sowohl die Athletik als auch den Offensivdrang versprüht. Mir fehlt beim jungen Spieler allerdings das Gefühl die richtige Balance zwischen Defensive und Offensive, die ein Schienenspieler benötigt.

Was ist denn bitte ein Schienenspieler? Ein Schienenspieler ist ein Spielertyp, der die gesamte rechte Seite beackern und sowohl Defensiv als auch Offensiv Akzente setzen kann.

Das Transferfenster ist jedoch geschlossen, wer könnte die Rolle also noch ausfüllen? Simon Zoller gibt sicherlich mit seiner Lauffreudigkeit dem Spielerprofil ein Gesicht, wobei man ihm damit seiner Torgefährlichkeit durch seine tiefen Läufe raubt. Er ist zu weit weg bei entscheidenden Situationen oder würde, wenn er doch Offensiv dabei ist, die Absicherung eines möglichen Gegenangriffs vernachlässigen.

T(h)ese: In der Sturmmitte ist Silvère Ganvoula gesetzt!

Zurecht weiterhin unumstritten? Silvere Ganvoula. – Foto: David Matthäus Photography

Je nach Gegner würde ich Simon Zoller eine Chance in der vordersten Front geben! Sein aggressives Anlaufen und die Läufe in die Tiefe kann er auch aus der Position des Mittelstürmers zeigen. Sicherlich bietet Ganvoula gegen tiefer stehende Gegner mehr Varianten und ist daher auch gesetzt, aber gerade in Auswärtsspielen oder in Spielen in denen es nicht läuft, fehlt mir bei Ganvoula zeitweise die Körpersprache. Thomas Reis stärkt seinem gefährlichsten Angreifer natürlich den Rücken und hofft auf das berühmte Platzen des Knotens.

T(h)ese: Robert Zulj muss endlich spielen! Egal wo.

Mit Freiheiten kann Zulj seine Fähigkeiten ausspielen und den Unterschied ausmachen. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Robert Zulj ist ein Spieler, der uns weiterhelfen kann. Die richtige Position ist bei ihm jedoch genauso wichtig wie bei den meisten Spielern. Als Secher neben Losilla wäre er zu tief positioniert und hätte zu lange Wege um in die Räume zu gelangen, in denen er dem Gegner weh tun kann. Zumal er auch Kraft lassen würde mit den entsprechenden Defensivaufgaben. Zulj sollte möglichst hinter einem oder den Stürmer agieren oder im Mittelfeld mit einem klaren Sechser im Rücken, der das Spiel aus der tiefe heraus entwickeln kann. Ich würde es spannend finden Zulj als Teil einer Doppelspitze zu sehen, in dem er alle Freiheiten genießt. So könnte er seine exzellenten Fähigkeiten am Ball und für den Raum ausspielen und er wäre auch ein Mann der den Ball (technisch) abschirmen kann für die nachrückenden Spieler.

Wie sollte der VfL denn nun agieren?

Natürlich immer in der Grundformation in der sich die Spieler sicher fühlen. Das ist aufgrund der aktuellen Tabellensituation natürlich selten der Fall, weshalb auch in den kommenden Wochen nicht damit zu rechnen ist, dass die Grundformation für den Start eines Spiels geändert wird. Dennoch bietet eine Dreierkette in der Abwehr Thomas Reis eine Alternative, die er durchaus im Spiel ausprobieren könnte, und wenn es darum geht einen Rückstand zu egalisieren. Denn die stetigen Einwechslungen aller sich auf der Bank befindlichen Stürmer, bringt meist keine Vorteile auf dem Feld außer mehr Wucht und Zufallsprodukte.

Losilla und Bella-Kotchap sichern den etwas offensiver agierenden Tom Weilandt ab, welcher mit Simon Zoller zusammen den rechten Flügel bespielt. Zulj hat seine Freiheit auf der linken offensiven Flanke und wird von Leitsch und Soares abgesichert. Soares kann einrücken und mit Tesche zusammen den Spielaufbau gestalten.

Der VfL muss in den kommenden Wochen unbedingt regelmäßig punkten. Gegen offensiv agierende Gegner wäre auch eine Doppelspitze aus Zoller und Manuel Wintzheimer denkbar, um den Gegner im Spielaufbau konsequent zu attackieren und Ballgewinne im letzten Drittel zu forcieren. Hierfür müsste vermutlich Silvère Ganvoula vorerst weichen.

Doch egal wie die Grundformation aussieht oder wie man die verschiedenen Spielertypen auf dem Feld zusammenbringt. Am Ende zählt die Bereitschaft über die gesamte Spiellänge aktiv am Spielgeschehen teilzunehmen. Das Spiel gegen den VfB Stuttgart kann hier als Hoffnungsschimmer gesehen werden, wenn gleich mehr Ballkontrolle wünschenswert wäre. Die Gegner in den kommenden Wochen entsprechen definitiv unserer Augenhöhe und es gilt sich Selbstvertrauen zu erarbeiten, um an jedem Spieltag zu punkten.

Written by Sebastian Hettmann

Als ich zum ersten Mal bewusst im Ruhrstadion war, spielte der VfL Bochum in der Saison 2002/2003 gegen den Hamburger Sport Verein und ein direkt verwandelter Eckstoß sowie einige Anekdoten von meinem Großvater lassen mich seither den Rothosen die Daumen drücken. Ich kam allerdings nie wieder vom Ruhrstadion los und bin seitdem regelmäßig ins Ruhrstadion gegangen. Seit der Saison 2006/2007 fiebere ich als Dauerkarteninhaber im Block N2 bei Spielen unseres VfL mit.

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