Almabtrieb dieses Jahr schon im Januar! Die Winterpause ist vorbei, am Dienstag Abend startet der VfL Bochum auf der Bielefelder Alm unter Flutlicht in das Fußballjahr 2020. Wie ist die Winterpause und das Trainingslager für die Jungs von der Castroper Straße gelaufen, konnte man die angedachten Pläne in der Winterpause umsetzen, wie sieht es in Sachen Neuzugänge und Abgänge aus und welche Auswirkungen auf die taktische Grundausrichtung wird das haben? Zudem werfen wir einen Blick in die Vergangenheit mit denkwürdigen Spielen gegen Arminia Bielefeld und stellen uns die Frage wo es mit dem VfL in der restlichen Rückrunde hingehen kann.
Rückblick
Nach mehr als durchwachsenem Start, Trainerwechsel und Mannschaftssitzungen gab es den mentalitätsmäßigen Turnaround beim Pokalspiel gegen die übermächtigen Bayern, die man fast am Rande einer Niederlage hatte. Seitdem präsentiert sich die Mannschaft mit mehr Einsatz, die defensive Kompaktheit war aber nicht immer gegeben. Das Ergebnis waren meist zwei unterschiedliche Halbzeiten, die die Anhänger zu sehen bekamen, da man auf taktische Veränderung des Gegners nur selten reagieren konnte. Mit 11 Punkten aus sieben Spielen konnte man den Anschluss an das untere Tabellenmittelfeld herstellen, rangiert aber nur einen Punkt vor dem Relegationsplatz. Gerade das erste Heimspiel in der Rückrunde am 4. Advent mit einem schwachen Auftritt gegen die Gäste aus Regensburg hat bei vielen die leicht aufkeimende Hoffnung gedämpft. Es deutet sich an, was Manuel Riemann vorausgesagt hat: Es wird bis zum Ende ein Existenzkampf werden.
Hausaufgaben in der Winterpause
Neben Regeneration hatten die Verantwortlichen eine klare Vorstellung, welche Aufgaben in der Winterpause vor ihnen liegen. Trainer Thomas Reis wollte einige Verletzte wieder näher an Team führen, um mehr Alternativen zu haben, vor allem sollte aber gerade im Wintertrainingslager am Defensivverhalten und der Kompaktheit gearbeitet werden, um weniger „leichte“ Tore zu kassieren – 32 Gegentore in 18 Spielen sprechen eine deutliche Sprache. Auch sollte ein Augenmerk auf die taktische Flexibilität gelegt werden, um besser auf Umstellungen des Gegners reagieren zu können. Um ein ruhiges und konzentriertes Arbeiten innerhalb der Mannschaft zu gewährleisten, wollte man den Kader verkleinern und gezielt Verstärkungen für die Innenverteidigung und einen Backup für Danilo Soares auf links holen, sowie das defensive Mittelfeld stärken.
Im Zeichen des (Osborne)- Stiers – Trainingslager in Jerez
Die erhofften Neuverpflichtungen zum Trainingsstart ins neue Jahr blieben aus. Auch keiner von denen im Einsachtvieracht-Scouting-Bericht #8 vorgeschlagenen Spielern fand den Weg an die Castroper Straße. Mit Jan Wellers, Maxwell Gyamfi und Görkem Saglam wurden drei Spieler vom Trainingsbetrieb freigestellt, um mit anderen Verein zu verhandeln. Letzte Woche folgte Saglam dann seinem ehemaligen Vereinskollegen Vangelis Pavlidis zu Willem II Tilburg. Wir wünschen Görkem an dieser Stelle alles Gute und viel Erfolg in der Eredivisie!
Die beiden Anderen absolvierten Probetrainings bei Fortuna Düsseldorf II (Wellers) und in Bulgarien (Gyamfi) – bei beiden kam es allerdings noch nicht zu einem Wechsel des Arbeitgebers.
Da zur Abreise in Trainingslager noch kein neuer Spieler präsentiert werden konnte, machte sich der VfL- Reisetross mit 25 Spielern inkl. Kokovas und Römling als Alternative für die Innenverteidigung bzw. Linksverteidigerposition auf den Weg ins spanische Jerez. Der Trainingsrückstand, den Sebastian Maier nach seiner Sprunggelenks-OP hatte, war noch zu groß, auch er blieb zuhause und trainierte individuell.
Testspiele und Taktiktafel
Im taktischen Bereich wurde vor dem Trainingslager eine Dreierkette in der Abwehr angekündigt und einstudiert, welche auch im ersten Testspiel gegen den ungarischen Vertreter MOL Fehérvár FC in der ersten Hälfte – in Form eines 3-4-3 – zum Einsatz kam, mit weitaufgerückten Außenverteidigern, die in der Defensive die 3er zu einer Fünferkette komplettierten. In der zweiten Hälfte wurde mit dem gewohnten 4-2-3-1 operiert. Beide Tore fielen im zweiten Durchgang, Pantovic verwandelte einen Elfmeter und kurz vor Schluss erhöhte Robert Tesche auf den 2:0 Endstand.
Auch auf dem Transfermarkt war der VfL an diesem Tag erfolgreich: Von der TSG Hoffenheim kam Robert Zulj und Unterschrieb einen Vertrag bis 2023. Hier haben wir ihn Euch näher vorgestellt.
Dass Zulj verpflichtet wurde kam nicht ganz überraschend, schließlich hatte der VfL schon im Sommer mit ihm verhandelt, aber taktisch verwundert die Verpflichtung ein wenig. In den bisherigen System sind die möglichen Positionen (Achter, Zehner, hängende Spitze) von Zulj eigentlich quantitativ ausreichend besetzt, wobei der Österreicher sicherlich eine Qualität mitbringt, die nicht viele im Kader des VfL Bochum haben. Gerade mit seiner körperlichen Robustheit und dem Zweikampfverhalten soll er im Mittelfeld für mehr Stabilität sorgen.
Blau – weiße Raute
Im zweiten Teil des Trainingslagers wurde – für eine Beobachter etwas überraschend – ein 4-4-2 mit Raute, das je nach Situation zu einem 4-3-3 mit einem kompakten defensiven Mittelfeld wird, einstudiert. Dieses kam auch im zweiten Testspiel in beiden Halbzeiten gegen den rumänische Erstligisten Dinamo Bukarest zum Einsatz.
Dabei wurde in der Arbeit gegen den Ball durch die Formation eine extreme Kompaktheit im Mittelfeld erreicht, die beiden Stürmer lenkten das Aufbauspiel der Rumänen durch entsprechendes Anlaufen immer wieder in die Mitte, wo beide Achter die Räume kompakt zustellten. Robert Tesche agierte als klassischer Sechser, der bei eigenem Ballbesitz seine Mitspieler im Spielaufbau absicherte. Dadurch ergab sich im Spielaufbau ein 2-1-2-3-2 mit sehr hohen Außenverteidigern. Toto Losilla ließ sich immer wieder von der Acht für den Spielaufbau zurückfallen und zog damit gleichzeitig Räume für den Zehner – in diesem Fall Zulj – frei.
Das Pressing, welches unter Reis in der Hinrunde schon immer mal wieder erfolgreich aufblitze, wurde auch mit der Raute sehr gut umgesetzt. Offensiv versuchte man immer wieder durch Läufe in die Tiefe, sowohl mit den Stürmern als auch mit den Mittelfeldspielern, zu Kombinationen und Tormöglichkeiten zu kommen. Hieraus entstand auch das 1:1: Nachdem Ganvoula mit super Ballmitnahme und Verlagerung Soares ins Spiel brachte, dieser Danny Blum nach dessen Diagonallauf in der Tiefe fand, wurde Tom Weilandt per Hacke von Blum bedient und konnte diese sehr schöne Kombination vollenden. Die 1:0 Führung war durch einen abgefälschten Freistoß am Bochumer Sechzehner zustande gekommen.
Auch im letzten Testspiel der Winterpause, jetzt wieder in heimischen, kälteren Gefilden kam das 4-4-2 mit Raute gegen den KFC Uerdingen zum Einsatz. Die beiden Treffer bereitete jeweils der aufgerückte Danilo Soares vor. Danny Blum und Vitaly Janelt trafen wieder nach zwei Läufen in die Tiefe, die Mechanismen des Systems scheinen zu greifen. Die Tore gaben dem VfL die nötige Ruhe, um einen ungefährdeten Sieg einzufahren, wobei grad die vielen Wechsel Mitte der zweiten Halbzeit den Spielfluss ein wenig beeinträchtigten.
Das neue System hat einige Gewinner, aber es gibt auch Verlierer
Trainer Thomas Reis wollte durch die Arbeit in der Winterpause weniger ausrechnbar für die Gegner werden und wieder mehr Optionen und Variationsmöglichkeiten beim Personal haben. Das ist anscheinend gelungen. Nur ein Gegentreffer in drei Testspielen belegen die verbesserte Defensivarbeit, das hat man in der Sommervorbereitung schon anders erlebt. VfL-Urgestein Patrick Fabian, der in der Hinrunde auch aufgrund einer Knieverletzung noch zu keinem Einsatz in der Liga kam, hat nach Testspieleindrücken den Platz in der IV neben Saulo Decarli inne.
Aber auch Armel Bella-Kotchap und Simon Lorenz werden versuchen auf ihre Einsatzzeiten, wie in der Hinrunde, zu kommen. Die Außenpositionen in der Viererkette besetzen Soares und Gamboa und daran wird sich, wenn beiden fit sind, so schnell auch nichts ändern. In der Raute scheinen im Moment Losilla, Tesche und Vitaly Janelt gesetzt, der von der Systemumstellung profitiert und sich in den Testspielen sehr gut gezeigt hat. Hinter der Doppelspitze hat man die Qual der Wahl zwischen Lee und Neuzugang Zulj. Momentan dürfte der Koreaner etwas die Nase vorn haben, auch aufgrund der fehlenden Spielpraxis des Österreichers. Auch Thomas Eisfeld und Tom Weilandt sind wieder fit und haben im Trainingslager einen Sprung nach vorne gemacht. Sie gehörten nach Zulj und Zoller zu den ersten Einwechseloptionen bei der Generalprobe gegen den KFC Uerdingen.
Vorne ist das Duo Blum/Ganvoula gesetzt. Durch die Systemumstellung und die vermehrten Optionen im Team kann es zu einige Härtefällen kommen. Simon Zoller, in der Hinrunde noch häufig erste Wahl, findet sich erst mal auf der Bank wieder, wäre aber vermutlich noch vor Manuel Wintzheimer die erste Option für ganz vorne.
Maxim Leitsch hat die komplette Vorbereitung mitgemacht und sich auch in den Testspielen gut präsentiert. Nach seiner langen Leidenszeit ist sicherlich noch nicht mit ihm seriös zu planen, aber der Verteidiger befindet sich auf einem guten Weg und bleibt auch hoffentlich die nächsten Wochen von Rückschlägen verschont. Römling und Kokovas kommen weiterhin in der A-Jugend zum Einsatz.
Dies ist aber alles nicht in Stein gemeißelt. Ziel von Thomas Reis war es, wie bereits erwähnt, auch, schwerer ausrechenbar für den Gegner zu werden. Dass er mit einer der anderen Formationen zum Spiel in Bielefeld und den Wochen danach auflaufen lässt, ist sicherlich gut möglich und allen entsprechenden Nachfragen ist der Trainer bisher ausgewichen. Ein Wechsel der taktischen Grundordnung würde auch den ein oder anderen Spieler, der im System der Raute hinten dran ist, wieder in die Startelf spülen.
Zum Thema Neuzugänge ist wenig im Moment zu hören beim VfL, auf der PK vor dem Spiel in Bielefeld bestätigte Sebastian Schindzielorz noch mal, dass man seit November ein Profil für einen Neuzugang in der Verteidigung definiert hat und auch an die entsprechenden Spieler herangetreten ist. Der Fokus liegt weiterhin auf der Verpflichtung eines führungsstarken Innenverteidigers, allerdings scheinen die finanziellen Ansprüche der abgebenden Vereine sowie finanzstarke Angebote aus der zweiten englischen Liga dem VfL das Leben schwer zu machen. Eine mögliche Verpflichtung kann sich noch bis zum 31.1. ziehen.
Auf ins neue Jahrzehnt!
In den nächsten fünf Wochen spielt der VfL gegen die ersten drei und die beiden Letzten der Liga. Ein sicherlich interessantes und anspruchsvolles Auftaktprogramm. Auch bei den anderen Mannschaften in der unteren Tabellenregion gibt es einige direkte Duelle und Spiele gegen Mannschaften aus dem oberen Tabellendrittel.
Bei den drei Flutlichtspielen gegen Bielefeld, den HSV und Stuttgart wird die Mannschaft auf eine starke Unterstützung seiner Fans bauen können. An dieser Stelle bleibt nur zu hoffen, dass sich die Arbeit in der Winterpause auszahlt, der VfL erfolgreich ins Fußballjahr 2020 startet und das unerfreuliche Jahr 2019 vergessen macht!
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