Einhundert. Wir dürfen euch heute unseren 100. Beitrag in unserem Blog präsentieren und dies mit einem Interview mit einem Menschen, der diesen Blog erst möglich gemacht hat. Als dies alles noch im Anfangsstadium war und irgendwie mehr Hirngespinst als sonstwas, haben wir bei Tim Kramer nachgefragt, ob wir seine Fotos für unseren Blog benutzen dürfen. Uns war klar, dass der Blog ohne passende Fotos keinerlei Chancen gehabt hätte. Die Antwort überraschte uns alle, denn Tim, auch besser bekannt als „Tremark“ sagte sofort zu. Seitdem ist unser Blog immer mit passenden Bildern von Tremark geschmückt, worüber wir auch sehr stolz sind. Grund genug ihn mal persönlich zu treffen.
Wie bist du zur Fotografie gekommen? Und was bedeutet die Fotografie für dich?
Das Interesse an der Fotografie war zwar immer schon irgendwie präsent, aber dass ich selbst bewusst zur Kamera gegriffen habe, kam erst durch meinen Onkel. Der hat mir bei einem gemeinsamen Trip in die zweitschönste Stadt Deutschlands (Hamburg) seine Kamera in die Hand gedrückt.
Mit der Kamera in der Hand habe ich dann gemerkt, dass ich meine Umgebung viel bewusster wahrnehme und ganz andere Facetten meines Umfelds entdecke.
Fotografie ist für mich, Momente und Geschichten nachhaltig festzuhalten. Aber ich habe auch festgestellt, dass Fotografie für mich eigentlich noch viel mehr ist: Es ist eine Eintrittskarte in spannende Welten und großartige Erfahrungen.
Gibt es Motive oder Arten der Fotografie, die dich besonders reizen?
Im Leben gewöhnt man sich leider an alles. Irgendwann werden die Sachen zur Routine und zur Selbstverständlichkeit. Deswegen probiere ich oft neue Dinge aus und versuche, mir neue Aufgaben zu setzen.
Holst du dir Inspirationen von anderen Fotografen oder entwickelst du lieber eigenen Ideen?
Am Anfang habe ich mich sehr viel an anderen orientiert und versucht, gewisse Sachen die ich toll fand nachzumachen. Ich finde, bei diesem Schritt lernt man viel und es hilft einem enorm, seinen Stil zu finden und zu entwickeln.
Mittlerweile brauche ich diese Inspiration kaum noch. Und es ist ja ohnehin klar: Die besten Ideen kommen einem auf dem Klo.
Worauf achtest du besonders beim Fotografieren oder ist das meiste Instinkt?
Ich beziehe das mal auf meine Dokumentarfotografie. Da achte ich unter anderem viel auf das Licht und die Perspektiven. Da bin ich dann voll in meinem Modus und funktioniere eigentlich nur. Manchmal bin ich dann nicht einmal mehr ansprechbar. Gerade im Stadion passiert es mir oft, dass ich zum Beispiel nicht richtig reagiere, wenn mich jemand grüßt. Sollte sich hier einer angesprochen fühlen, dann an dieser Stelle: Sorry.
Wo würdest du gerne mal auf Foto-Safari gehen?
Letztes Jahr hatte ich das große Glück, für den DFB das Pokalfinale in Berlin fotografieren zu dürfen. Spätestens seitdem hoffe ich inständig, einmal meinen VfL in einem solchen Finale fotografieren zu können. Naja, vielleicht nächstes Jahr.
Ansonsten reizen mich die USA schon seit frühster Kindheit unheimlich. Bis jetzt habe ich es aber noch geschafft, dort hinzufliegen.
Was ist das besondere an der Fußballfotografie?
Beim Sport kommen Bewegung und Emotionen zusammen. Es passieren viele kleine, spannende Geschichten. Hinzu kommt für mich natürlich die Liebe zum Fußball und dass ich mich freue wie ein kleines Kind, sobald ich ein Fußballstadion betreten darf.
Wie kam denn dein Kontakt zum VfL zustande?
Den ersten Versuch habe ich 2011 gestartet und habe eine Mail an die Presseabteilung geschickt mit der Bitte, mal beim Training oder einen Jugendspiel fotografieren zu dürfen. Auf die Antwort warte ich heute noch.
Die Möglichkeit, doch VfL-Spiele zu fotografieren, hat sich durch einen kleinen, aber geheimen Trick ergeben. Ein paar Monate später hatte ich dann meine erste Fotoausstellung mit VfL-Bildern. Der Pressesprecher des VfL Bochum, Jens Fricke, hat sich die Zeit genommen und ist vorbeigekommen. Über ihn kam der Kontakt zustande und 2015 haben wir dann unseren ersten Jahreskalender zusammen gemacht.
Wie muss man sich als Fan deine Zusammenarbeit mit dem VfL vorstellen?
Direkten beruflichen Kontakt habe ich mit der Marketing- und Presseabteilung. Beide Abteilungen, das möchte ich an dieser Stelle mal anmerken, machen echt einen hervorragenden Job. Ansonsten lässt mir der VfL freie Hand.
Wie kam dir die Idee für das Fotobuch „Schusswinkel 1848“? Hast du da vom Verein von vorne herein die Unterstützung gehabt?
Ich finde ich es schade, wie wir heutzutage Bilder im Internet wahrnehmen. Viel zu schnelllebig und inflationär. Deswegen wollte ich etwas schaffen, was nachhaltiger ist und man sich bewusster anschauen kann. Da ich jemand bin, der gerne „hinter die Fassade“ blickt, wollte ich diesen Blick, den ich auf die Spieler und den Verein des VfL Bochum habe, mit anderen teilen. So entstand die Idee zum Buch.
Um das Buch zu finanzieren, habe ich ein Crowdfunding gemacht. Dort haben sich, zu meiner großen Freude, viele Spieler und Funktionäre des Vereins privat beteiligt. Dann habe ich gesehen, dass sich auch Wilken Engelbracht privat eingebracht hat. Darüber habe ich mich sehr gefreut und das als eine Art Legitimation angesehen, dass der Verein das Produkt nicht so schlecht findet.
Wie ist es, wenn man die Spieler mal ganz privat abseits des Rasen und des medialen Rummels erlebt?
Auch wenn ich beruflich viel mit Personen des öffentlichen Lebens zu tun habe, muss ich sagen, bei den ersten Kontakten zu VfL-Spielern war ich schon ein bisschen angespannt. In der Phase des Buchprojekts waren mal zwei der Spieler bei mir zum Grillen. Dann kam der Nachbarsjunge und hat den Mund nicht mehr zu bekommen vor lauter Staunen. Da hab ich mich in den kleinen Tim hinein versetzt, der früher in der Ostkurve stand, und stellte fest, dass das schon etwas Surreales hat.
Aus vielen Begegnungen im Rahmen meines Buchprojekts sind auch Freundschaften entstanden. Timo Perthel zähle ich zum Beispiel zu meinen engeren Freunden. Wir beide freuen uns immer total, wenn wir feststellen, dass es gerade 18:48 Uhr ist und schicken uns dann ein Foto oder ein Screenshot davon.
Auch zu ehemaligen Spielern habe ich noch Kontakt, zum Beispiel zu Andi Luthe, der immer noch sehr mit dem VfL verbunden ist. Die Zusammenarbeit während meines Buchprojekts mit ihm hat mich nachhaltig am meisten fasziniert, weil er einfach ein unglaublich toller Mensch ist. Andi hat mich sehr bei dem Projekt unterstützt und für einen ganz besonderen Gänsehautmoment bei mir gesorgt.
Deine lustigste Anekdote zu einem deiner Bilder?
Wenn ich mich während eines Spiels am Spielfeldrand hinsetze, lege ich mir meistens eine Plastiktüte unter meinen Hintern. Und wie das dann so ist, habe ich einmal vergessen, die Tüte wieder aufzusammeln und liegen gelassen. Dann kam Marco Terrazzino über rechts und hat so komisch rumgehampelt, aber hat den Ball trotzdem irgendwie in die Mitte geflankt. Simon Terodde hat das Ding versenkt. Dann war Halbzeit, ich habe meine Sachen zusammengesucht und es fehlt diese blöde Tüte. Im Pressebereich liefen die Highlights der ersten Halbzeit im Fernsehen. Und was sehe ich da? Terrazzino hat vor dem Tor an der Seitenlinie so rumgehampelt, weil eine Tüte aufs Spielfeld geflogen ist und ihn am Flanken gehindert hat. Das war dann wohl meine Tüte. Sollte vielleicht so sein. Eigentlich steht mir quasi der Scorer-Punkt zu, oder? (Klick für das Video zur Tüte)
Mit Marco gibt es aber noch eine Story. Ich hatte mit ihm die grandiose Idee, dass er sich nach dem Spiel in Heidenheim meine Kamera holt und mit ein paar Jungs ein Selfie vor der Kurve macht. Leider hat er es absolut nicht hingekriegt, ein Foto zu machen. Dann kam Nando Rafael und hat ihm die Kamera weggenommen. Beide zankten sich um die Kamera und am Ende brauchte es den Einsatz von Tim Hoogland, der es dann endlich hinbekommen hat, ein Foto zu machen.
Welche Tipps würdest du Leuten geben, die selber gerne mit der Fotografie anfangen würden?
Der Tipp, der eigentlich für alles im Leben gilt: Einfach machen. Kamera schnappen und ausprobieren. Man macht am Anfang sicherlich 1.000 Sachen falsch. Aber aus allem, was man falsch macht, kann man am Ende lernen.
Was fotografierst Du außerhalb des Sports und was hast Du aktuell für Projekte neben dem VfL?
Neben dem VfL fotografiere ich ziemlich viele Konzerte und begleite Musiker auf Tour. Zuletzt habe ich Fotos für die Live-CD von Johannes Oerding gemacht. Außerdem begleite ich zwei weitere Musiker bei den Arbeiten für ihre neue CD. Das ist schon ziemlich spannend zu sehen, wie unglaublich viel Arbeit hinter einem Album steckt. Da kriege ich fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich bei Spotify so inflationär mit der Musik umgehe.
Und natürlich mache ich auch viel für die weltbeste Uni in Bochum.
Abschließend Hand aufs Herz: Sportfotografie oder Konzerte?
Ganz klar: Beides. Bei der Konzertfotografie ist der Vorteil, dass ich ein bisschen distanzierter zu Werke gehen kann. Bei Spielen vom VfL ist das was anderes. Das ist halt mein Verein. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mich mal bei einem Tor des VfL so gefreut habe, dass ich aufgesprungen bin und die anderen Fotografen-Kollegen alle nur meinen Arsch auf dem Bild hatten. Das hat mir natürlich ordentlich Sympathiepunkte bei den Kollegen beschert.
Oder als die Bayern im Pokal zu Gast waren und ich so nervös war, dass mir an dem Tag zig Missgeschicke passiert sind und am Ende kein einziges vernünftiges Bild dabei herumkam. Prinzipiell ist es aus Fan-Sicht schon doof, dass man das ganze Spiel seines Vereins nur durch den „Sucher“ der Kamera verfolgen kann und die meisten Sachen vom Spiel gar nicht so richtig mitbekommt.
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