Wenn Fußball zur Achterbahnfahrt wird

VfL für alle Zeiten! Foto: einsachtvieracht

Nach Spielen wie dem gegen Arminia Bielefeld stellt man sich als Fan des VfL Bochum zwangsläufig eine Frage: Wie viele Lebensjahre kostet es einen, Fan von diesem Verein zu sein? Wie viel Achterbahnfahrt der Gefühle kann man für die schönste Nebensache der Welt, Fußball, eigentlich ertragen? Ist man tatsächlich so ein Adrenalin-Junkie oder einfach nur hilflos, wenn es um den eigenen Herzensclub geht?

Im Vergleich zum letzten Spieltag änderte Trainer Robin Dutt sein Team auf gleich drei Positionen. Für Thomas Eisfeld, Tom Weilandt und Milos Pantovic rückten Danilo Soares, Silvère Ganvoula und Chung-yong Lee in die Startelf. Vitaly Janelt wechselte zudem von der ungewohnten Linksverteidigerposition zurück in die Mittelfeldzentrale neben Anthony Losilla. Der VfL präsentierte sich durchaus stabil und schien sich in Summe deutlich wohler zu fühlen als noch am letzten Sonntag gegen Jahn Regensburg. Gerade die Dynamik über die Außenbahnen konnte wieder besser zur Geltung gebracht werden. Danilo Soares und Danny Blum hatten hierbei einige gute Szenen. Das Aufbauspiel über Saulo Decarli und Simon Lorenz war ebenso stabil wie die Entwicklung des Spiels über, meist, Janelt oder Losilla als tiefstehenden Aufbauspielern aus dem Mittelfeld. Nach der Verletzung von Decarli in der Mitte der ersten Halbzeit ersetzte Armel Bella-Kotchap unseren Abwehrchef nahtlos.

Gute Stimmung anne Castroper. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Einen wirklichen Gewinner gab es in Halbzeit 1 nicht. Beide Mannschaften hatten ihre Chancen, nicht wirklich zwingende, aber immerhin einige Torraumszenen. Erst in den letzten Minuten des ersten Durchgangs gelang es den Jungs in blau-weiß ein leichtes Übergewicht aufzubauen. Doch zwei Chancen in der Schlussphase durch Janelt und Losilla konnte der VfL nicht nutzen. So verabschiedeten sich beide Mannschaften mit einem durchaus leistungsgerechten 0-0 zum Pausentee. Da war das Nervenkostüm noch in Ordnung.

Bitte einsteigen, der VfL verteilt Adrenalin-Schübe mit jeder Eintrittskarte

Der Spielverlauf in Halbzeit 2 stellt dann das eher bedächtige Spiel aus der ersten Halbzeit auf den Kopf. So eine verrückte Halbzeit durften wir lange nicht mehr bestaunen im Ruhrstadion! Doch genau deswegen lieben oder hassen wir den Fußball. Der erste Paukenschlag direkt nach der Pause: Doppelt Aluminium für den VfL. Chung-yong Lee nahm einen Flugball perfekt und traf zuerst das Aluminium. Den Abpraller konnte Ganvoula mit einigen Problemen unter Kontrolle bringen und testete den Pfosten. Zum Haare raufen!

Extase nach der kurzzeitigen Führung durch Simon Zoller! Foto: einsachtvieracht

Keine 10 Minuten später sah es dann schon wieder komplett anders aus. Nachdem Bielefeld durch einen Doppelschlag in Minute 54 und 56 in Führung gegangen war, kochte es innerlich schon wieder in der Bochumer Fanseele. Warum tut man sich diese Scheiße eigentlich jede Woche aufs neue an – wird sich sicherlich der ein oder andere gedacht haben. Andere gingen bereits Richtung Bierstand. Der Fehlstart war eigentlich schon wieder perfekt. Zum Glück wechselte Robin Dutt jedoch Tom Weilandt ein, der prompt nach einer Finte im Sechzehner von den Beinen geholt wurde. Der folgerichtige Elfmeters wurde souverän von Danny Blum flach ins linke untere Eck und entgegengesetzt der Sprungrichtung von Bielefelds Stefan Ortega verwandelt. Und was der VfL nach dem Anschlusstor durch Blum für ein Feuerwerk abbrannte, das ist der Grund, warum es uns immer und immer wieder anne Castroper treibt!

Die Stimmung anne Castroper kocht endlich mal wieder über

Die 21.708 Zuschauer tobten und man konnte förmlich spüren, wie die Mannschaft auf einmal wie ausgewechselt befreit aufspielte. Nach den Einwechslungen von Weilandt für Janelt und Simon Zoller für Jordi Osei-Tutu agierte der VfL absolut entschlossen und zeigte die richtige Mentalität. Von taktischen Zwängen war nicht mehr viel zu spüren, so dass man ähnlich wie in Regensburg die Abwehrkette aufweichte und Chung-yong Lee den Part rechts hinten ausfüllte. Ab und an ging sogar Zoller die defensiven Wege mit. Mit Herzblut spielte der VfL immer wieder in Richtung Ortega und die Arminia hatte kaum noch Luft zum Atmen. Demnach war es dann folgerichtig, dass der VfL durch einen satten Flachschuss von Ganvoula aus der Nähe der Strafraumkante ausgleichen konnte.

Ärgerlicher Ausgleich in der Nachspielzeit. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Als der VfL durch Zoller das Spiel dann komplett drehte, gab es auf den Rängen kein Halten mehr. Zu erwähnen bleibt hier der tolle Antritt mit Ball und der überlegte Pass von Vorlagengeber Ganvoula! Wie sich die Stimmung in nur wenigen Minuten komplett ändern kann. Fußball in seiner Reinform. Aber der VfL wäre nicht der VfL, wenn er sich dann doch nicht noch einen fängt in der Nachspielzeit. Ganz unglücklich springt Kapitän Losilla in eine halbhohe Hereingabe von links und befördert den Ball an Manuel Riemann vorbei in das eigene Tor. Und Uwe Neuhaus brachte es danach in der Pressekonferenz ziemlich genau auf den Punkt: „Robin Dutt und ich haben nach dem Spiel gerätselt, wer heute eigentlich die blödere Mannschaft war.“

Nachbesserung erwünscht

Was aber im Spiel gegen die Arminia auch mehr als ersichtlich wurde – der VfL braucht noch ganz dringend Verstärkung. Osei-Tutu, mit Vorschusslorbeeren vom großen FC Arsenal gekommen, zeigt zwar immer wieder, dass er ein hochtalentierter und vor allem schneller Junge ist, sorgt aber auch immer wieder durch  Stellungsfehler für große Gefahr. Dazu kommen übermütige Dribblingversuche durch 2-3 Gegenspieler. Natürlich braucht der Junge Vertrauen, er braucht aber auch Konkurrenz, um sich weiter zu verbessern. Beim ersten Tor von Bielefeld verteidigt er den luftleeren Raum. Mit dem talentierten Engländer und Dominik Baumgartner auf zwei junge Spieler auf einer Position zu setzen, die ihre Klasse in der zweiten Bundesliga noch nicht nachgewiesen haben, kann sich rächen. Wir werden hoffentlich nicht immer einem Rückstand hinterherlaufen, so dass Aushilfsverteidiger Chung-yong Lee keine Dauerlösung sein kann. Gut, dass wir erst Anfang August haben und bald hoffentlich noch einige Spieler vom Warentisch der großen Clubs abfallen. Vielleicht kann man erneut mit einer Leihe den Kader (kurzfristig) stärken. 

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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