Sky oder der Kicker haben es gesehen. Auch bei Pressekonferenzen war es bereits Thema. Der VfL Bochum hat seine Grundformation umgestellt. Anstatt 4-2-3-1 heißt es also nun 3-5-2. Was bedeuten diese Zeichenfolgen eigentlich? Und viel wichtiger – machen sie bezogen auf das System von Gertjan Verbeek überhaupt Sinn?
Pep Guardiola nennt sie nur abwertend Telefonnummern, doch sie dürfen in keiner Fußballreportage und in keinem Forum fehlen. Über 4-2-3-1, 4-3-3 und 3-5-2 können Fußballfans ewig diskutieren. Früher, als ich begann, Fußball zu spielen, wurde noch nicht so über Fußball gesprochen. Jede Position hatte einen Namen. Einer war der Libero, der seine beide Manndecker anwies. Davor gab es noch einen Vorstopper für den gegnerischen Zehner. Im Mittelfeld gab es einen Läufer, den eigenen Zehner und zwei Flügelspieler, die die Außenbahn beackern. Vorne sollten unsere Stürmer Tore schießen. Heute würde diese Aufstellung wohl 3-1-3-1-2 heißen. Aber warum? Und macht es Sinn, unsere damalige Aufstellung so zu nennen?
Der Beginn der Telefonnummern war das ballorientierte Verteidigen, wie es beispielsweise in den späten 80ern von Arrigo Sacchi gepredigt wurde. Es gab keine Manndecker mehr, die ihre Gegenspieler überall auf dem Platz verfolgten, sondern die eigene Mannschaft war gegen den Ball in sogenannten Ketten organisiert. Der ballnächste Spieler ging zum Ball, die anderen Spieler orientierten sich wie durch Kettenglieder verbunden an der Bewegung dieses Spielers. Sie verschoben entweder mit zum Flügel oder zogen sich hinter dem herausrückenden Spieler zusammen. Besonders gut funktionierte diese Idee mit vier Spielern. Mit knapp 10 m Abstand konnten die 60 m Platzbreite gut abgedeckt werden. Da dieses Vorgehen so gut funktionierte, wurde dies nicht nur in der Abwehr, sondern bereits im Mittelfeld und im Sturm gemacht. Das ballorientierte 4-4-2 war geboren.
Auch wenn diese Mechanismen mit dem Ball nicht zur Anwendung kommen, werden die Telefonnummern auch dort gern verwendet. Das macht Sinn, um die Anzahl der Abwehr-, Mittelfeld- und Angriffspieler zu kodieren, spätestens wenn aber aus dem 5-3-2 gegen den Ball bei Ballbesitz ein 3-1-4-2 wird, kommt die Idee an ihre Grenzen. Hier macht es dann wieder Sinn, darüber zu sprechen, ob es defensive und offensive Außenspieler gibt (wie im 4-4-2) oder ob ein einzelner Flügelspieler die gesamte Platzlänge beackert (wie im 3-5-2, 5-3-2). Ähnliche Dinge gelten im Mittelfeld. Ist ein System mit Viererkette in der Abwehr und einem Abräumer, einem Box-to-Box-Spieler sowie einem Kreativspieler im Mittelfeld nun ein 4-2-3-1, ein 4-1-4-1 oder ein 4-1-1-3-1?!?
Gertjan Verbeeks Spielidee
Unser Cheftrainer fügt dieser Logik noch eine weitere Komplexitätstufe hinzu – Asymmetrie. In Verbeeks System spielen die Außenverteidiger, Sechser und Flügelspieler alle auf unterschiedlichen Höhen. Der rechte Außenverteidiger spielt eher tiefer und zentraler orientiert (Celozzi, Gyamerah), während der linke Außenverteidiger eher hoch am linken Flügel auf Druchbrüche lauert (Perthel). Der linke Sechser (Stiepermann) ist eher ein Achter und der linke Flügelspieler entweder ein Zehner (Terrazzino, Stöger, Saglam, Eisfeld) oder ein Stürmer (Quaschner, Wurtz, Mlapa). Schaut man sich das rotierte Bild an, so sieht diese Variante des 4-2-3-1 doch schon fast wie ein 3-4-1-2/3-52 aus. Wieso wird es erst jetzt als ein Solches bezeichnet?

Der wichtigste Grund ist wohl die Besetzung der Positionen. Waren Celozzi und Perthel beide noch Außenverteidiger und Losilla und Hoogland gingen beide als Sechser durch, so wurde spätestens mit Dawidowicz als rechtem Außenverteidiger und Stiepermann als linkem Flügelspieler/Außenverteidiger die tatsächliche Position auf dem Platz auch im Spielerprofil deutlich. Die Besetzung des linken offensiven Flügels mit Quaschner tat ihr übrigens. Auf dem Platz hingegen hat sich insbesondere bei Ballbesitz eigentlich nicht viel verändert. Nur die Ausübung der Positionen ist insgesamt symmetrischer geworden. Die Spielerrollen/-profile sind hier wichtiger als die Anordnung auf dem Platz.
Womit wir nun zu der Arbeit gegen den Ball kommen. Wie vorher ausgeführt, basiert die Idee der Zahlenfolge auf dem ballorientierten Verteidigen. Dieses wird von Verbeek jedoch nur in der vordersten Linie angewandet. Spätestens im Mittelfeld heißt es Mann gegen Mann. Wenn jedoch die meisten Spieler nur ihren Gegenspieler verfolgen, macht die Angaben von Ketten keinen Sinn. Hier ist dann viel mehr die Zuordnung entscheidend. Wo sind die freien Leute, die überwiegend absichern (so wie bei mir damals der Libero)? Wer verfolgt wen? In der Hinrunde war überwiegend Losilla im Mittelfeld der freie Mann. Um ihn herum verfolgte jeder mehr (Bastians, Canouse) oder weniger (Stiepermann) seinen Gegenspieler, so dass Losilla häufig Löcher im Abwehrverbund stopfen musste. Das Zentrum war häufig verwaist und der Gegner konnte in Ruhe Pässe in die Tiefe spielen oder direkt aus dem Rückraum abschließen. Durch den zusätzlichen Innenverteidiger war der freie Mann in der Abwehr. Losilla konnte sich auf die Männer und Räume vor der Abwehr konzentrieren. Der VfL gewann an Stabilität.
Fazit
Ob nun 4-2-3-1 oder 3-5-2 macht für den VfL Bochum keinen großen Unterschied. Kettenmechanismen kommen sowieso kaum zum tragen und durch die Asymmetrie in der Grundordnung verschwimmen die Positionen. Viel wichtiger sind die Spielerprofile und Zuordnungen auf den einzelnen Positionen. Dazu sind jedoch etwas mehr Zeichen als bei einer Telefonnummer zu verwenden.
Laden...