Diskussion: Alles richtig gemacht?

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Der VfL Bochum hat sie gefunden, die Auffahrt zur Erfolgsspur. Unter Trainer Robin Dutt hat sich der VfL stabilisiert, schwimmt aber dank der (zu) ausgeglichenen Tabelle weiterhin mit der halben Liga dem Abstiegsstrudel davon. Es stellt sich die Frage, ob Bochum bis dato die Erwartungen, die in der turbulenten Winterpause gestellt wurden, erfüllen konnte. Die einsachtvieracht-Autoren Jens Hartenstein, Sebastian Hettmann, Janik Aschenbrenner und Timo Janisch diskutieren anhand von fünf Thesen.

„Der Verlust von Felix Bastians wiegt bei weitem nicht so schwer, wie angenommen.“

Früher im Ruhrstadion, jetzt in China: Felix Bastians. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

„Ich hatte zuerst bedenken, dass uns sein Tempo im Abwehrverbund fehlen wird. Zum Glück hat sich Tim Hoogland wieder berappelt und ist formstabiler geworden. Dazu haben wir mit Jan Gyamerah jemanden, der endlich fit ist und mit seinen Voraussetzungen leider nicht mehr lange in Bochum spielen wird. Durch die Zusammenstellung der Viererkette hat es Robin Dutt mit seinem Trainerteam geschafft, die Unsicherheiten durch Eingespieltheit und das Ausgleichen der Schwächen der einzelnen Spieler zu kaschieren. Mir gefällt es daher sehr, dass die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird. Und Störgeräusche über die Medien brauche ich auch nicht mehr.“ – Sebastian Hettmann

„Felix Bastians war sportlich über jeden Zweifel erhaben und beim Abgang im Winter wurde das Schlimmste befürchtet. Die aktuelle Situation zeigt, dass diese Befürchtungen nicht unbedingt eingetroffen sind. Lediglich 11 Gegentore in den 11 Spielen nach seinem Abgang bedeutet die viertbeste Defensive in diesem Zeitraum. Der Verlust seiner Torgefahr ließ den VfL dennoch zunächst in höchste Nöte geraten. Doch mit den wiedererstarkten Oldies Fabian und Hoogland, einem Gyamerah der als Innenverteidiger überzeugt und einer insgesamt deutlich verbesserten Offensive rund um Lukas Hinterseer sind wir aktuell stärker als über weite Strecken mit Bastians. Zudem scheint ein potentieller Unruheherd und Großverdiener weg und im Gegenzug landete ein stattlicher Betrag auf dem Konto, welcher im Sommer in die Offensive investiert werden könnte. Letztlich würde ich also noch weiter gehen – aus dem befürchteten Verlust könnte sich ein echter Gewinn entpuppen. “ – Jens Hartenstein

„Auf dem Platz: Um diese These zu bestätigen ist mir noch zu wenig Zeit vergangen. Derzeit läuft es definitiv auch ohne Felix Bastians. Es wird eines Tages wieder der Moment kommen, an dem sich der Gegner hinten verschanzt. Dann wird sich zeigen, ob jemand offensiv die Gefährlichkeit aus Pässen und penetrierenden Läufen, sowie defensiv die Kombination aus Antizipation und Athletik, ersetzen kann. Derzeit traue ich das nur Tom Baack annähernd zu, welcher jedoch noch nicht bereit zu sein scheint. Die Innenverteidigung ist im Sommer die größte Baustelle.
Abseits des Platzes: Ich kann und möchte nicht bewerten, wie es innerhalb der Mannschaft rund um Bastians Verhalten aussah, in der Öffentlichkeit sorgte er sehr wohl für Unruhe, auch wenn er das selbst nicht wahr haben möchte. So gesehen bin ich froh, dass ein Schlussstrich gezogen wurde und sich dadurch nun alles beruhigen konnte.“ – Janik Aschenbrenner

„Ich gebe zu: Ich sah schwarz für die Blau-Weißen. Bastians gehörte sportlich zur Ligaspitze auf seiner Position, war ein echter Leader und nicht selten emotionaler Anführer nach Rückständen und sicherte uns so schon so manchen Punkt. Nun herrscht etwas mehr Ruhe auf dem Platz. Was oft negative Folgen hat, scheint für den VfL aktuell allerdings genau das Richtige. Die Verteidigung ist wie von Jens bereits angesprochen stabil, Patrick Fabian agiert hier deutlich besser, als ich es ihm zugetraut hätte. Der sportliche Erfolg stellt sich allmählich ein, ein konkretes Fehlen Bastians kann ich sowohl sportlich (Daumen hoch für Fabian und Tim Hoogland) als auch mental (Daumen hoch ans ganze Team und Trainer Dutt) nicht erkennen.“ – Timo Janisch

„Nach dem Abgang von Dimitrios Diamantakos ist die vorderste Offensive nicht ausreichend breit besetzt.“

Gut in Form: Lukas Hinterseer. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

„Der Abgang von Diamantakos war folgerichtig, konnte er seine guten Ansätze aus der Sommervorbereitung zu selten bestätigen. Das lag sicherlich an seiner Verletzung, allerdings bringt uns dann ein Spieler auch nicht weiter. Die Ablöse einzunehmen, war demnach folgerichtig, zumal der Grieche wohl intern auch gerne auf seine Situation hingewiesen hat und dadurch zum Störfaktor hätte werden können. Mit Serra konnte man in der Winterpause einen Strafraumstürmer holen, der klassisch die Sturmmitte halten kann und dem Trainerteam eine Variante mehr ermöglicht. Die Breite für die zweite Liga ist absolut in Ordnung, wichtig war jedoch, dass Lukas Hinterseer seine Treffsicherheit unter Beweis stellt wie zuletzt und bald hoffentlich auch wieder ein Jokertor von Serra oder Wurtz hinzu kommt. Im Sommer wird mit Sicherheit investiert werden auf dieser Position.“ – Sebastian Hettmann

„Die Offensive ist zwar breit besetzt, allerdings fehlt es außer in der Spitze in der nötigen Qualität. Diamantakos hatte diese allerdings ebenso wenig. Ein gutes halbes Jahr täuscht nicht über ein schwaches Folgejahr in Karlsruhe sowie enttäuschende Leistungen in Bochum und Pauli hinweg. Qualitativ hat sich somit wenig getan und es fehlt dort weiterhin in der Breite, allerdings hat man einen weiteren Großverdiener von der Gehaltsliste. Der Transfer war somit richtig und schafft Platz für den Sommer“ – Jens Hartenstein

„Die vorderste Offensivreihe ist quantitativ breit besetzt, doch qualitativ fehlt der zweiten Garde einiges. Natürlich ist nicht genügend Geld da, um die Stammbesetzung nahezu gleichwertig ersetzen zu können, doch der Qualitätsabfall ist, auch an die Verhältnisse angepasst, eindeutig zu groß. Ich kann mit einer Hereinnahme von Serra für Hinterseer, wenn nötig, leben. Sollten jedoch Kruse oder Sam ausfallen, wäre das, ohne eine Systemumstellung, nicht aufzufangen, solange Gündüz nicht zu seiner Leistung aus der Saison 14/15 zurückfindet. Im Sommer besteht hier, wie auf der Position des Innenverteidigers, Handlungsbedarf.“ – Janik Aschenbrenner

„Ich formuliere es mal vorsichtig: Zum Glück können wir diese Frage noch nicht genau beantworten. Hinterseer ist endlich der Durchbruch gelungen, dahinter sind wir mit Sam und Kruse nicht unterdurchschnittlich besetzt, auch wenn beiden die Konstanz abgeht. Der Abgang von Diamantakos schien logisch, die Nachverpflichtungen nicht. Ochs und Serra können noch keine gestandenen Zweitligaspieler sein. In der Situation, in der wir uns zur Transferperiode befanden, hätte man allerdings genau diesen Spielertypus gut für einen möglichen Abstiegskampf gebrauchen können. Ich spreche den beiden Youngsters keineswegs das Talent ab, aber der VfL kann froh sein, wenn er ohne Ausfälle in der Offensive und ohne echten Abstiegskampf (die Liga spielt immer noch verrückt) in die Sommerpause kommt.“ – Timo Janisch

„Robin Dutt kann die Mannschaft nachhaltig weiterentwickeln.“

„Die Ansätze unter Robin Dutt sind fantastisch und lassen die Saison noch in einem ganz anderen Licht erscheinen. Butscher hatte es bereits erkannt und Dutt führte diese Idee fort: Wir haben eine erste Elf und diese spielt auch, sollte sich niemand verletzen oder gesperrt sein. Dadurch konnte man der Mannschaft wieder Stabilität und das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten vermitteln. Daher denke ich schon, dass eine nachhaltige Entwicklung einsetzen wird. Die mannschaftliche Geschlossenheit im Defensivverbund ist eine ganz andere als unter den beiden Vorgängern. Das Offensivspiel hingegen ist nun deutlich zielstrebiger und sollte über den Sommer hinaus variantenreicher werden, zumal die kommenden Neuzugänge eingearbeitet werden müssen und unserem Team vermutlich ein nochmals anderes, hoffentlich noch besseres, Gesicht in der kommenden Saison geben werden.“ – Sebastian Hettmann

Unser neuer Chef-Trainer: Robin Dutt. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

„Für ein endgültiges Fazit ist es in meinen Augen deutlich zu früh. Doch Aussagen wie jüngst von Kruse oder Hinterseer, sowie die aktuellen Auftritte der Mannschaft geben Hoffnung auf ein „Freiburg 2.0“. Auch wenn der Ruf von Robin Dutt in den Jahren durch seine Zeit als Coach bei Bremen und Leverkusen deutlich gelitten hatte, so leistete er doch über weite Strecken seiner Trainerlaufbahn bei den Kickers sowie in Freiburg hervorragende Arbeit. Ich traue Dutt zu, selbiges bei uns zu wiederholen, indem er die Mannschaft nachhaltig verbessert und uns Fans wieder mit gefälligen Fußball Freude bereitet.“ – Jens Hartenstein

„Robin Dutt hatte keine Vorbereitung zur Verfügung und die Ergebnisse seiner Arbeit sind für jedermann ersichtlich. Inmitten des Spielbetriebs ist jedoch kaum Zeit die Mannschaft in der eigenen Spielidee zu schulen, da nach dem Motto „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ die Vorbereitung auf den nächsten Gegner wartet. Außerdem wird an einem bereits aus tollen Spielern bestehendes Team, an dessen Zusammenstellung Robin Dutt allerdings nicht beteiligt war, dementsprechende Anpassungen vollzogen werden. Es ist somit sicherlich ein Vorteil, dass sich Trainer und Mannschaft über einen längeren Zeitraum bereits kennenlernen konnten, wodurch die Ausrichtung des Kaders, als auch des eigenen Spiels, schneller vonstattengehen kann. Erst im danach folgenden Verlauf wird sich zeigen, ob er das Team immer wieder weiterentwickeln kann.“ – Janik Aschenbrenner

„Zunächst einmal konnte Robin Dutt die Mannschaft aus dem Negativtrend herausholen, stabilisieren und zuletzt sogar ansehnlichen Fußball spielen lassen. Ein Trainer der Marke Dutt, der – wie er selbst betont – sich auf einfache Dinge konzentriert, schein in der zweiten Liga vielleicht besser zu passen, als ein Übungsleiter mit einer komplexen Spielphilosophie. Die VfL-Akteure würden sich über Konstanz auf der Trainerposition zudem sicherlich alles andere als beschweren. Dennoch muss deutlich gemacht werden: Für eine genaue Bewertung von Dutt’s Arbeit ist jeder Zeitpunkt vor der Sommerpause zu früh.“ – Timo Janisch

„Ein Umbruch wird der Mannschaft mehr schaden als helfen.“

„Ein Umbruch muss nicht schädlich sein, sofern er strukturiert und von den richtigen Personen durchgeführt wird. Uns erwartet im Sommer kein Umbruch, dennoch werden einige Kaderpositionen anderweitig vergeben werden. Ich glaube, dass uns dieses frische Blut guttun wird. Wichtig wird natürlich sein, dass der Klassenerhalt frühstmöglich feststeht, damit Sebastian Schindzielorz möglichst viele Trümpfe im Ärmel hat, wenn man an die Wunschspieler heran tritt.“ – Sebastian Hettmann

„Ein riesen Umbruch ist in meinen Augen niemals gut und schadet häufig mehr als es hilft. Zudem zeigt die Mannschaft aktuell, dass sie sportlich deutlich mehr auf den Kasten hat, als sie über weite Strecken ablieferte. Schafft man es, vor allem die Offensive punktuell und qualitativ hochwertig zu verstärken, ist mit dieser Mannschaft prinzipiell alles möglich!“ – Jens Hartenstein

„Ein Umbruch ist schädlich, da sich immer wieder zeigt, dass das Team nicht bedeutend schlechter ist, als der Großteil der Fans im Vorfeld erwartet hat. Es fehlte allein der passende Coach, der nun, so scheint es zumindest derzeit, gefunden wurde. Ein Umbruch ist somit gar nicht nötig, könnte allerdings anstehen, wenn man sich die Anzahl der auslaufenden Verträge ansieht. Im nächsten Jahr wird es wieder zwei Big Player in der Liga geben, ein eingespieltes Team könnte das Plus für einen positiven Saisonverlauf sein.“ – Janik Aschenbrenner

„Die Frage ist, wie man ‚Umbruch‘ definiert. Erneut den halben Kader auszutauschen halte ich für grob fahrlässig, da die Mannschaft aktuell ihr eigenes Potenzial erstmals auf den Rasen bringt und gewisse Abläufe sich zu automatisieren scheinen. Aufgrund der insgesamt doch turbulenten Saison werden einzelne Abgänge jedoch nicht zu verhindern sein. Ich wünsche mir: Abgänge wichtiger Spieler qualitativ möglichst gleichwertig ersetzen, den Kader deutlich ausdünnen und eine klare Hierarchie hereinbringen. Gerne darf danach in die Breite des Angriffs investiert werden.“ – Timo Janisch

„In dieser zweiten Liga ist auch jetzt noch Aufstieg sowie Abstieg möglich.“

„Wir hatten intern nach dem Wintertransferfenster diskutiert und ich sagte damals bereits, dass unser Kader zu stark ist um abzusteigen. Woher ich diese Zuversicht nahm und nehme? Die Mannschaft ist nicht nur individuell stark, sondern auch charakterlich absolut gefestigt. Auch in den schlechten Phasen hielt die Mannschaft zusammen, selbst wenn um den Verein herum Untergangsstimmung herrschte. Wir haben einige Spieler im Kader, unter anderem Patrick Fabian, denen man ihre Loyalität zum Verein nicht hoch genug anrechnen kann. Weiterhin bin ich der Meinung, dass einige Mannschaften in dieser Saison zu lange weit über ihren Möglichkeiten gespielt haben. Dass Kiel oben steht, war vor der Saison sehr wahrscheinlich, dass sie jedoch auf Platz 3 stehen, ist für mich zu viel des Guten. Bei unserem Restprogramm ist sicherlich noch ein Sprung nach oben möglich, ob es für die Relegation reicht? Ich warte gespannt ab und werde mir notfalls vor dem letzten Spieltag genügend Doppelherz mit auf die Ostkurve nehmen.“ – Sebastian Hettmann

Ob wir nach dem letzten Spieltag Freudentränen in den Augen haben? Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

„In der Theorie sicherlich, allerdings halte ich beides für sehr unrealistisch. Mit 14 Punkten aus den letzten 6 Spielen inklusive aufsteigender Form sieht man auch, was mit der von Hochstätter zusammengestellten Mannschaft möglich ist, wenn wieder Ruhe im Verein und Kompetenz auf der Bank vorhanden sind. Sicherlich ein Verdienst von Dutt und Butscher, die der Mannschaft wieder einstudierte Offensivläufe, eine kompakte Defensive und daraus resultierend, ein gesteigertes Selbstvertrauen, einimpfen. Dennoch halte ich einen Aufstieg für Träumerei. 6 Punkte auf Rang 3 und 10 Punkte auf Platz 2 sind bei nur 5 verbleibenden Spielen einfach zu viel des Guten. Zumal selbst ein Durchmarsch auf Platz 3 noch lange keinen Aufstieg garantieren würde. Das realistische Ziel muss nun lauten, schnellstmöglich Planungssicherheit zu bekommen und sich im oberen Drittel der Tabelle zu platzieren – auch im Hinblick auf die TV Gelder.“ – Jens Hartenstein

„Diese zweite Liga ist verrückt. Die Saison verläuft letztendlich genau so, wie viele es im Vorfeld vermutet haben. Das Kräfteverhältnis der Teams ist in diesem Jahr so ausgeglichen, sodass die Chance aufzusteigen noch nie so groß war, da es sonst immer Vereine gab, die heraus stachen. Jetzt ist die Saison des VfL’s nicht gerade glücklich verlaufen und damit muss man leben. Die Abstiegsplätze muss man natürlich weiter im Auge behalten, das Blatt kann sich von Spieltag zu Spieltag wenden. Vor dem Düsseldorf Spiel hätte ich wohl noch anders geantwortet, doch weiß ich nicht, was dagegen sprechen sollte, sogar noch den Relegationsplatz zu erreichen. Im Gegenteil, schaut man auf den Spielplan und die aktuelle Form, spricht sogar einiges dafür. Die zweite Liga ist verrückt.“ – Janik Aschenbrenner

„Die Kollegen haben die Ausgangslage bereits erläutert. Ich schaue jetzt auf die Tabelle und werde feststellen: Baldrian, Taschentücher und Sekt müssen für den Saisonendspurt bereitgestellt werden“ – Timo Janisch

Autor: Timo Janisch

Als Sportjournalist- und Fotograf neben dem Studium vor allem für die Ruhr Nachrichten im Einsatz. Interessiert an jedwedem Detail, was den Fußball prägt - von inversen Außenverteidigern bis hin zu emotionalen Diskussionen, warum Fiege das beste Pils des Planeten ist.

Dauerkarte, Block O.

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Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Eisfeld kam, traf und fliegte. Drei Punkte für den VfL!

Der Aufstiegskampf wird präsentiert von Doppelherz