Das Lichtlein brennt pünktlich zum ersten Advent

Balsam für die geschundene VfL-Seele war das. Nicht jeder Pass muss ankommen, nicht jeder Schuss im Tor landen, aber Kampf und Einsatz, das erwartet man bei uns im Pott in jedem Spiel. Der Rest kommt bei der individuellen Klasse unserer Mannschaft dann meist von ganz allein. Und genau diesen Einsatz hat die Mannschaft gestern vor allem in der zweiten Halbzeit geliefert. Siehe da, in der zweiten Halbzeit konnte man dann sogar wieder Fußball an der Castroper Straße bestaunen. Endlich!

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Ich bin sehr gespannt, was uns die nächsten beiden Wochen in den letzten Spielen des Jahres 2017 erwartet. Von grottig bis dominant & erfolgreich halte ich derzeit alles für möglich. Im Gegensatz zu den meisten, wenn man sich mal so den Grundtenor anhört, bin ich mir auch (noch) nicht sicher, ob Rasiejewski tatsächlich der falsche Trainer ist. Ja, es war die letzten Wochen ganz, ganz arm spielerisch. Defacto ist aber zumindest die Abwehr deutlich stabiler geworden unter ihm und ich kann mir vorstellen, dass viele spielerische Defizite vor allem Kopfsache sind. Alleine wenn man gestern Sam zusah, wie er 5-6 mal völlig amateurhaft den Ball verstolperte. Hat der Junge Selbstvertrauen, dann wird das in der Form nicht passieren und das gilt vermutlich auch für viele andere im Team. Es ist glaubhaft, wenn Lukas Hinterseer der Reviersport vom Druck berichtet, der auf der Mannschaft seit Anfang der Saison lastet und unter den sie sich auch selber setzt.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Als Trainer hat man in so einer Situation während einer Krise nur bedingt Einflussmöglichkeiten und auch ein Trainerwechsel muss da kein Allerheilmittel sein, zumal die Alternativen auf dem Trainermarkt wohl eher mau sind. Geht der Kopf hoch, kann ein Team unter ein und demselben Trainer jedenfalls zwei grundverschiedene Gesichter zeigen – siehe aktuell im Negativen unter Bosz, oder im Positiven wie letztes Jahr Pauli unter Lienen oder der BVB unter Kloppo bei seiner Abschiedsaison. Ob das bei Rasiejewski so wäre – keine Ahnung, ich würde mich da jedenfalls nicht so weit aus den Fenster lehnen und da zum jetzigen Zeitpunkt absolute Aussagen treffen.

Ich nehme es persönlich auch mit einem Schmunzeln zur Kenntnis, dass immer, wenn wir gewinnen, die Gegner völlig schlecht waren. Und ein System war natürlich auch wieder einmal nicht erkennbar, zumindest wenn man den Forumsbeiträgen rund um den VfL Gehör schenkt. Alles nur Glück!? Man könnte ja die Berliner Spieler mal fragen, ob die es auch so wahrgenommen haben. Mal ehrlich, wir haben die „Scheiße am Schuh“ und bekommen direkt zu Beginn erneut so einen mentalen Killer von Polter eingeschenkt und dennoch dominieren wir das Spiel und lassen hinten danach kaum mehr etwas zu – einzig fehlte bei den eigenen Offensivbemühungen meist die letzte saubere Ballverarbeitung inklusive Abschluss im Strafraum. Es waren gute Laufwege und auch gute Kombinationen dabei und eben nicht nur blindes Kick n‘ Rush nach vorne. Wenn das kein gutes Spiel war (mit Ausnahme des genannten Defizites), was ist es dann? Muss man für ein gutes Spiel einen Gegner wie Union Berlin (!) mit 4-5 Toren nach Hause schicken? Wäre das nicht sogar möglich gewesen, wenn Sam und Wurtz die Dinger sauber mitnehmen und verarbeiten?

Es wollen einige nicht wahrhaben, dass zumindest heute, Rasiejewski das Team sowohl in der Strategie als auch moralisch top eingestellt hat. Passt halt nicht in ein klassisches Schwarz-Weiß Muster und der aktuellen negativen Haltung in Bochum. Bei schlechten Spielen wird die Schuld immer gerne auf den Trainer geladen – bei guten Spielen hingegen, waren es dann nur die Spieler oder gar der Gegner.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Aber nochmal, eine Schwalbe macht noch keinen Frühling. Die gezeigte Leistung muss jetzt tunlichst bestätigt werden. Mit freien Köpfen bei den Spielern kann ich mir jedenfalls das System Rasiejewski durchaus vorstellen. Aus einer gestärkten Defensive versuchen das Spiel zu machen, ohne das der Gegner wirklich ins Spiel kommt. Union kam kaum wirklich zwingend vor unser Tor, das darf man durchaus erwähnen! 4 Gegentore, Platz 8 mit lediglich 4 Punkten Rückstand auf Platz 1 in der imaginären Tabelle seit der Amtsübernahme von Rasiejewski sind ebenfalls deutlich besser, als die aktuelle Gemütslage vermuten lassen. Dazu nimmt Rasiejewski keinerlei Rücksicht auf Namen und, wie ich vermute, eine hohe Einflussnahme der tagtäglichen Trainingsleistung (das würde zumindest erklären, dass häufig Spieler auch mal direkt von Stammspieler zur Tribüne und umgekehrt wechseln) spielen in die Entscheidungen der Startelf ein. Dies alles soll und darf allerdings nicht über die spielerischen Armutszeugnisse der Vorwochen hinweg täuschen. Dennoch würde ich gerne die Mannschaft im System von Rasiejewski mal befreit aufspielen sehen. Die Zeit dafür wird es aber jetzt nicht geben, deshalb hoffe ich darauf, dass er und die Mannschaft uns in den nächsten beiden Wochen positiv überraschen (irgendwie klingt das in dieser Saison ziemlich utopisch – ich weiß). Ansonsten muss man natürlich das bewerten, was man gesehen hat und ohne weiter Argumente für seine Person, muss Rasiejewski dann auch zu Recht im Winter Platz machen.

Autor: Jens Hartenstein

In Bayern geboren, führte mein Weg zum Fußball über den FC Bayern München erst über Umwege zum geliebten VfL. Hierbei hat mich insbesondere die Phase Mitte der 90 geprägt, als man unter anderm in den UEFA Cup einzog. Nach einer jugendlichen Trotzphase, in der ich mich fast gänzlich dem Fußball, aber vor allem der Kommerzialisierung von selbigem abgewandt hatte, fand ich dann Anfang des neuen Jahrtausends wieder zurück zum Fußball. Ein echter Fußballfan kann eben doch nicht ohne seine Leidenschaft. Spätestens als ich dann beim Abschiedsspiel von Darius Wosz dessen letztes Bundesligator, den Abstieg Gladbachs und unseren beinahe Einzug in den UI-Cup live im Gladbacher Stadion feiern durfte, wars um mich dann komplett geschehen. Seitdem sind mäßige Spiele, Niederlagen, Abstiege und sämtliches Leid aller VfL Fans mein ständiger Wegbegleiter.

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