Wendepunkt oder Aufbaugegner?

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Der 1. FC Kaiserslautern empfängt den VfL Bochum. Mögliche Erinnerungen an alte Bundesliga-Tage der beiden Traditionsvereine zerschlagen wir umgehend. Denn Lautern gegen Bochum, das heißt anno 2017 nichts anderes als 18. gegen 13. der zweiten Fußball-Bundesliga. Vor der Begegnung des 13. Spieltages sind die Rollen klar verteilt: Gastgeber Kaiserslautern darf den Rückstand auf das rettende Ufer nicht zu früh zu groß werden lassen, Bochum dagegen will nach drei sieglosen Partien dem kleinen Formanstieg endlich Punkte folgen lassen.


Denn eigentlich hat sich der VfL in den letzten Partien besser gezeigt, als die Punkteausbeute letztlich aussagen mag. In Braunschweig fehlte der Killerinstikt vor dem Tor – ehrlicherweise wohl die relevanteste Schwäche in der laufenden Saison. In Paderborn fehlte im Vergleich zum Drittligisten vielleicht die Einstellung, dennoch war die Leistung nicht so schlecht wie sie hinterher gemacht wurde. Gegen die heißgeliebte Fortuna aus Düsseldorf zeigte man noch am Montag ein Spiel auf Augenhöhe, das letztlich verdientermaßen Unentschieden endete – viel mehr darf in einer Partie gegen den Tabellenführer aktuell auch nicht die Erwartungshaltung des gemeinen VfL-Fans sein.

Und dennoch ist unbestritten: die Spielzeit 2017/2018 verläuft mal so gar nicht nach Geschmack aller Beteiligten, das sind Spieler, Fans, sportliche Leitung und immer wechselnde Trainerteams. Ein Blick auf den Gegner am Freitag zeigt aber, wie schlimm eine sportliche Situation wirklich sein kann.

Der nächste gescheiterte Traditionsverein?

Der 1. FC Kaiserslautern war 44 Jahre in der ersten Bundesliga vertreten. Mehrere Jahrzehnte ununterbrochen als eine Größe der Liga mitsamt vier gewonnener Meisterschaften. Seit 2012 spielt man nun im Unterhaus und ist nun an dessem Boden angekommen. Acht Tore und sechs Zähler nach zwölf Partien sind nicht schlecht, sondern höchst besorgniserregend. Für die Roten Teufel steht die sportliche Zukunft, ja die Existenz des Vereins auf dem Spiel.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Bei einem Abstieg in die Drittklassigkeit wäre der Verein kaum zu retten. Der Grund dafür ist etwas, um das Kaiserslautern von vielen Fußballfans beneidet wird: Der Betzenberg. Das Fritz-Walter-Stadion ist zu teuer, viel zu teuer. Der FCK muss aktuell schon rund zehn Millionen Euro pro Jahr für das traditionsreiche Stadion aufbringen. Das mit 49.850 Plätzen schon jetzt viel zu große Stadion (am Freitag werden beispielsweise rund 20.000 Zuschauer erwartet) wäre in der dritten Liga der wirtschaftliche Tod des Vereins.

Aufgrund sinkender Einnahmen wäre es schlicht nicht mehr zu bezahlen. Das Problem: Anders etwa als bei 1860 München gibt es für den FCK keine kleinere Alternative. Selbst der freiwillige Gang in die Regionalliga wäre nur mit einem anderen Stadion realisierbar. In der Politik wird derweil bereits vorsichtig über einen möglichen Abriss des Betzenbergs diskutiert.

Entsprechend unruhig geht es derzeit bei den Pfälzern zu. Die Mannschaft wendete sich jüngst mit einem Offenen Brief an die eigenen Fans. Darin ist von einer belastenden Situation die Rede, die Partie gegen Bochum wird als ,,wichtig“ bezeichnet. Dort und in anderen Aussagen wird deutlich: Die Roten Teufel rechnen sich etwas aus gegen den VfL. Die Stimmung ist nach wettbewerbsübergreifend drei Niederlagen in Folge schlecht, aber nach wie vor kämpferisch. Die bittere 1:3-Niederlage im Kellerduell gegen Regensburg hat die Ernsthaftigkeit der Lage verdeutlicht, aber nicht den Mut weggeblasen.

Unter Neu-Trainer Jeff Strasser, der Ende September Norbert Meier und Interimstrainer Manfred Paula ablöste, holte man immerhin vier seiner sechs Punkte. Dennoch: die Form ist schlecht und unter den Fans hat die übliche Unruhe schon angefangen, sich auszubreiten.

Mal wieder der Aufbaugegner?

Hier kommt wie so oft der VfL Bochum in der Auswärtsedition daher – man könnte ihn auch mit Punktelieferant abkürzen. Angeschlagene Gegner besucht man schließlich gerne, um ihnen nach schwacher Leistung drei Zähler zu überlassen. Genau das gilt es aus Sicht des VfL einmal mehr zu vermeiden.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Dem wankenden Gegner muss konsequent entgegengetreten werden, eigene Torchancen müssen endlich eiskalt in Tore umgemünzt werden.

Dafür wäre es begrüßenswert, wenn der VfL sofort ins Spiel käme und vielleicht auch mal auswärts ein frühes Tor schieße. Auf viel mehr muss die Mannschaft von Trainer Jens Rasiejewski gar nicht achten. In der neuen Formation wirkt man gefestigter als im 4-3-3 unter Ismail Atalan. Die Defensive steht trotz personeller Sorgen im Verbund stabiler als zuvor.

Sollte die Mannschaft endlich den erwähnten, gewissen Killerinstinkt zeigen, dürfte einem Auswärtsdreier nicht viel im Wege stehen – die üblichen Unvorhersehbarkeiten ausgenommen. Bei knapp zehn Grad und trockenem Wetter können die wenigen zu erwartenden VfL-Fans so wenigstens etwas optimistisch auf die nahe sportliche Zukunft hoffen.

Trainerstimmen

Jens Rasiejewski (42): ,,Der Gegner will mit aller Macht versuchen, seine schwierige Situation gegen uns zu verbessern. Wir sind gut auf den Gegner eingestellt, aber jedes Spiel hat eine eigene Dynamik. Die müssen wir annehmen.“

Jeff Strasser (43): ,,Wir haben allen die Situation nochmal verdeutlicht. Das Team hat das verinnerlicht. Es gilt, die Mentalität auf den Platz zu bringen. Wir müssen schauen, dass die Schwankungen in den Leistungen weniger werden. Der Offene Brief hat gezeigt, dass das Wir-Gefühl hier mehr zählt, als anderswo. Wir müssen der Verantwortung auf dem Platz gerecht werden.“

Players to watch

Marius Müller (24): Trotz 22 Gegentoren in nur zwölf Spielen noch einer der Besseren bei den Roten Teufel. Bewahrte seine Mannschaft vor so manchem zusätzlichen Gegentor und ist mit kicker-Durchschnittsnote 3,17 bestbewertester Lautern-Akteur.

Christopher Moritz (27): Aufgrund zahlreicher Ausfälle im Mittelfeld dort einer der letzten verbliebenen Leistungsträger. Spielt eine verhältnismäßig solide Saison und führt den FCK derzeit als Kapitän aufs Feld. Dort könnte er sich mit der Erfahrung aus fast 100 Bundesligaspielen als Anführer profilieren.

Sebastian Andersson (26): Der 650.000-Euro-Neuzugang konnte bislang überzeugen. Erzielte fünf Treffer in acht Zweitligapartien und trägt damit die offensive Hauptlast der Pfälzer. Sammelte bei Ex-Klub Norrköping in vier Europa-League-Qualispielen sechs Scorerpunkte.

Personal

VfL Bochum: Kevin Stöger ist fraglich. Gegen ihn ermittelt der DFB-Kontrollausschuss, da der Österreicher gegen Düsseldorf  Adam Bodzek einen verstecken Ellbogenschlag verpasste. Beim VfL will man die Sache noch vor der Lautern-Partie klären und rechnet mit einer Sperre. Robbie Kruse, Sidney Sam, Patrick Fabian und der gesperrte Lukas Hinterseer fallen aus. Die eine oder andere Überraschung ist zusätzlich nicht auszuschließen.

FC Kaiserslauern: Osaymanen Osawe (letztjähriger Bochum-Schreck mit drei Treffern beim Gastspiel) und Baris Atik fallen aus. Gleiches gilt für die zahlreichen Langzeitverletzten der Gastgeber.

Autor: Timo Janisch

Als Sportjournalist- und Fotograf neben dem Studium vor allem für die Ruhr Nachrichten im Einsatz. Interessiert an jedwedem Detail, was den Fußball prägt - von inversen Außenverteidigern bis hin zu emotionalen Diskussionen, warum Fiege das beste Pils des Planeten ist.

Dauerkarte, Block O.

Schreibe einen Kommentar

Laden...

0

Nach den Chaoswochen: Was bringt die Zukunft?

Ein Spiel für die Katz